Lupus [2]

[863] Lupus (lat., Wolf, Narbenflechte, Hautwolf), Bezeichnung für drei chronische Hautkrankheiten, die außer dem Namen nichts miteinander gemein haben. 1) L. erythematosus, eine aus unbekannter Ursache entstehende, aber zu den Talgdrüsen in Beziehung stehende (daher Seborrhoea congestiva, L. seborrhagicus) Hautkrankheit, bei der mikroskopisch nur eine kleinzellige Infiltration der Lederhaut, besonders in der Umgebung der Hautdrüsen, später fettige Entartung und Narbenbildung nachzuweisen ist. Es erscheinen am Gesicht und am Kopf (meist an Nase, Wangen, Ohren, Lippen) kleine, stecknadelkopf- bis linsengroße, wenig erhabene Fleckchen mit vertieftem, blassem Zentrum, das der Mündung einer Talgdrüse entspricht. Durch Zusammenfließen der Fleckchen entstehen schließlich scharf umgrenzte, rote Flecke, die auf nicht infiltrierter Grundlage längere Zeit bestehen, auf Fingerdruck vorübergehend erblassen und mit fest anhaftenden dünnen Schüppchen bedeckt sind, die Fortsätze in die erweiterten Mündungen der Hautfollikel hineinschicken. Dadurch, daß die Krankheit im Zentrum abblaßt, an der Peripherie aber fortschreitet, entstehen aus den frühern Scheiben (L. discoides)[863] ringförmige und durch Zusammenfließen dieser landkartenähnliche Zeichnungen. Am Kopfe fallen die Haare aus. Nach chronischem Verlauf kommt es zu narbiger Degeneration der Haut und auf diese Weise zur Heilung. Fließen die erwähnten Scheiben nicht zusammen, so bezeichnet man dies als L. erythematosus disseminatus, wobei die kranken Stellen über den ganzen Körper zerstreut sein können. Niemals tritt Pustel- oder Bläschenbildung auf. Der Verlauf ist unberechenbar und langwierig. Gegen diesen L. wendet man schwache Ätzmittel (Chlorzink, Milchsäure etc.) an, auch Skarifikationen und Bepinselung mit Perubalsam und Bedecken mit Quecksilberpflastermull.

2) Der L. vulgaris (fressende Flechte, fressen der Wolf) ist eine lokale Tuberkulose der Haut oder der Schleimhaut. Er verläuft äußerst langwierig und kann ein ganzes Leben überdauern. Es entstehen zuerst in der Haut kleine, rote bis bräunliche Flecke (L. maculosus), die sich bald zu stets schmerzlosen derben, über das Niveau der Haut hervorragenden Knötchen (L. tuberosus) oder Knoten (L. nodosus) entwickeln und zuletzt die ganze ergriffene Hautpartie mit ihren knolligen Höckern wie hypertrophiert erscheinen lassen (L. hypertrophicus). Später sinken die Knoten ein, die Hautdecke reißt ein und blättert in trocknen Schüppchen ab, so daß eine narbig glänzende atrophische Hautstelle zurückbleibt (L. exfoliativus), oder aber die Knoten zerfallen in eine käsigeiterige Masse und wandeln sich in Geschwüre um, deren Grund ein weiches, schwammiges, leicht blutendes Gewebe bildet (L. exulcerans). Die Geschwüre heilen zuweilen unter Hinterlassung derber, weißer Narben, wie sie auch nach Brandwunden zurückbleiben, und dann kann auf den Narben die Entwickelung von Lupusknoten von neuem beginnen (L. exedens). Bisweilen heilt der Prozeß an einer Stelle und schreitet an der andern weiter fort (L. serpiginosus). Auch dieser L. befällt mit Vorliebe Nase, Wangen, Lippen, Ohrmuscheln, seltener die Stirn, dann aber tritt er auch in absteigender Häufigkeit an den Extremitäten (besonders an deren Streckseiten), an den Genitalien, an Rücken, Brust, Unterleib und (vom Gesichtslupus aus) an Kopf, Hals, Schlüsselbeingegend auf. Auch die Schleimhaut der Nase, des Mundes, des Kehlkopfes, der Bindehaut, des Rachens wird sehr häufig ergriffen. L. der äußern Nase ist häufig die Fortsetzung schon länger bestehender Erkrankung der Nasenschleimhaut. Auf der Schleimhaut entwickeln sich dabei warzige Hervorragungen, die ineinander verfließen und fast immer zu Geschwüren zerfallen. Erst nach langem Bestand ergreift die Erkrankung den Knorpel der Nase, der Knochen bleibt fast immer verschont. Der ganze Vorgang verläuft schmerzlos. Der L. vulgaris ist, seitdem man in den Knoten Riesenzellen und in diesen den Tuberkelbazillus nachwies und man endlich auch durch Infizierung mit Lupusgewebe Tuberkulose hervorrief, als eine lokale Hauttuberkulose erkannt. Es gelang auch, L. durch Einimpfung von Tuberkelbazillen in die Haut hervorzurufen. Es ist anzunehmen, daß der L. gewöhnlich durch zufälliges Eindringen des Tuberkelbazillus in die Haut von außen zustande kommt.

Die Heilungsaussichten sind durch die neuern Behandlungsweisen sehr gebessert, doch sind ausgedehntere Lupusherde im besten Fall nur mit schwerer Entstellung und nach sehr langer Zeit zur Heilung zu bringen. Kleine, scharf umschriebene Lupusherde entfernt man, wo dies angeht, am besten durch völliges Ausschneiden in der gesunden Umgebung. Defekte können durch plastische Operationen gebessert werden. Wo dies nicht angeht, zerstört man das erkrankte Gewebe durch Ätzmittel (Höllenstein, Chlorzink, Milchsäure, Pyrrogallot). Auch Auskratzen desselben mit dem scharfen Löffel, allenfalls mit nachträglicher Ätzung, wird vielfach angewendet. Alle diese Verfahren bewähren sich in ungünstigen Fällen manchmal nicht und führen zu ausgedehnten entstellenden Narbenbildungen. Gute Erfolge hat man in vielen Fällen von lange fortgesetzten Einspritzungen des Kochschen Tuberkulins gesehen. Das beste Heilverfahren ist die von Finsen (Kopenhagen) angegebene Lichtbehandlung (vgl. Lichttherapie). Dabei werden die Lupusknötchen in häufigen Sitzungen und lange Zeit mit starkem, durch Linsen konzentriertem, elektrischem Bogenlicht oder Sonnenlicht bestrahlt. Die Lichtwirkung bringt die Knötchen allmählich zur Einschmelzung und Aufsaugung und führt zur völligen Heilung ohne Narbenbildung und Entstellung. Ihre Nachteile sind lange Dauer und hohe Kosten. An Schleimhäuten kann das Lichtheilverfahren nicht angewendet werden. Auch durch Bestrahlung des L. mit Röntgenstrahlen sind Heilerfolge erzielt worden. Vgl. Lang, Der L. und dessen operative Behandlung (Wien 1898); dazu als Ergänzung: Spitz er und Jungmann, Ergebnisse von 240 operierten Lupusfällen (das. 1905); Finsen, Die Bekämpfung des L. vulgaris (Jena 1902).

3) Als L. syphiliticus (Knotensyphilid) werden tertiäre, in Knoten auftretende Formen von Hautsyphilis bezeichnet; der Ausdruck ist wenig gerechtfertigt, da das Leiden mit dem echten L. nichts gemein hat. Allerdings ist der syphilitische »L.« dem echten oft so ähnlich, daß die Unterscheidung nicht leicht ist, jedoch bestehen die Lupusknoten monatelang unverändert, die syphilitischen Knoten zerfallen dagegen schon nach Wochen. Der echte L. zerstört erst die Haut der Nase und greift die Knochen nicht oder erst sehr spät an, die Syphilis dagegen beginnt mit Zerstörung des Pflugscharbeins und der Muscheln und geht dann erst auf die Haut über, die lupösen Geschwüre sind weniger tief als die syphilitischen, bluten leicht und sind weniger schmerzhaft als die letztern. Die Behandlung dieses sogen. L. ist natürlich rein antisyphilitisch.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 863-864.
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