Röntgenstrahlen

[129] Röntgenstrahlen (hierzu die Tafeln »Röntgenapparate« mit Text, und »Röntgenbilder I und II«) entstehen da, wo Kathodenstrahlen auf feste Körper auftreffen. Wenn in Geißlerschen Röhren die Luft bis auf Milliontel ihrer ursprünglichen Dichte verdünnt wird, zieht sich der positive Lichtstrom immer mehr zurück und verschwindet fast ganz, das bläuliche negative Licht dagegen breitet sich mit abnehmender Lichtstärke immer weiter aus, verschwindet aber schließlich ebenfalls, indem der dunkle Kathodenraum den ganzen Innenraum der Röhre einnimmt (s. Elektrische Entladung). Nun wächst die Spannung, die nötig ist, den Durchgang des Stromes zu erzwingen, außerordentlich stark an, und die Glaswandung wird durch die Kathodenstrahlen zu lebhaftem grünen Leuchten erregt.

Im J. 1895 hatte Röntgen eine solche hochevakuierte sogen. Hittorfsche Röhre mit schwarzem, undurchsichtigem Karton umhüllt und fand, daß eine in die Nähe des Apparates gebrachte fluoreszierende Substanz, z. B. Baryumplatincyanür, aufleuchtete. Hieraus war zu schließen, daß von der Röhre etwas ausstrahlt, das durch die für Licht undurchlässige schwarze Kartonhülse dringt und, obgleich für unser Auge nicht wahrnehmbar, auf die fluoreszierenden Körper ähnlich wirkt wie Licht. Zweckmäßig wird bei dem Versuch das Baryumplatincyanür (weniger gut Uranylammoniumfluorid, Calciumwolframat u.a.) in Form eines[129] seinen Pulvers auf einen Karton oder Papierschirm aufgeklebt (Fluoreszenzschirm). Schwefelzink der Braunschweiger Chininfabrik gibt nachleuchtende Bilder, die durch Erwärmung wieder ausgelöscht werden können. Kathodenstrahlen können die unsichtbaren Strahlen nicht sein, da ihnen deren charakteristische Eigenschaft, die Ablenkbarkeit durch den Magnet, abgeht. Für diese neue Art von Strahlen, die ihr Entdecker vorläufig X-Strahlen nannte, sind alle Körper mehr oder weniger durchlässig; sie gehen leicht durch Papier, durch ein dickes, eingebundenes Buch, durch Holzblöcke und dicke Bretter, durch Hartgummiplatten, auch durch nicht zu dicke Metallplatten. Die Durchlässigkeit verschiedener Substanzen ist bei gleicher Schichtendicke wesentlich bedingt durch ihre Dichte; das spezifisch schwere Blei z. B. ist schon bei 1,5 mm Dicke so gut wie undurchlässig, während eine 10mal so dicke Schicht des leichten Aluminiums die Wirkung zwar schwächt, aber nicht vollkommen zum Verschwinden bringt. Die Durchlässigkeit hängt übrigens auch von der Art der Strahlen ab. R., die in harten, d.h. sehr hochevakuierten Röhren entstehen, können selbst dicke Eisenplatten durchdringen, während mit weichen Röhren erzeugte kaum durch die Fleischmasse der Hand hindurchgehen. Da beim Durchgang der Entladungen die Röhre härter wird, werden die Strahlen allmählich immer durchdringender, so daß selbst die Knochen der Hand nicht mehr als Schatten auf dem Fluoreszenzschirm erscheinen. Um dauernd gleichmäßige Wirkung zu erhalten, werden deshalb die Röntgenröhren mit einer Regeneriervorrichtung versehen, die ermöglicht, den Luftdruck zu erhöhen (vgl. die Tafel). Wesentlich stärkere Wirkung erhält man ferner, wenn man die Kathodenstrahlen nicht auf die Glaswand, sondern ein Platinblech P (s. Abbildung, Antikathode) auftreffen läßt und auf dieses durch hohlspiegelförmige Gestaltung der Kathode K und Einengung des Gefäßes tunlichst in einem Punkt konzentriert.

Ältere Röntgenstrahlenröhre.
Ältere Röntgenstrahlenröhre.

Damit die Kathodenstrahlen nicht durch negative Ladung der Antikathode zurückgedrängt werden, verbindet man sie leitend mit der Anode A. Um zu starke Zerstäubung derselben und die dadurch bedingte Absorption des Gasinhalts, das Hartwerden, zu hindern, kann in die Verbindungsleitung eine Drosselspule eingesetzt werden, die bei Anwendung eines Induktoriums Phasenverschiebung zwischen Antikathode und Anode bewirkt. Je genauer die Kathodenstrahlen in einem Punkte der Antikathode konzentriert werden, um so schärfer werden die auf dem Fluoreszenzschirm erzeugten Schattenbilder halb oder ganz undurchsichtiger Objekte, da die R. von jenem Punkt nach allen Seiten ausstrahlen, wie Lichtstrahlen von einem leuchtenden Punkt (Röntgenoskopie). Metallene Gegenstände, wie die in einem Holzkasten eingeschlossenen Messingstücke eines Gewichtssatzes oder die Münzen in einem verschlossenen Portemonnaie, erscheinen auf dem Schirm, indem die Strahlen durch Holz und Leder durchgehen, dagegen von den Metallen abgehalten werden. Glas und durchsichtige Kristalle, wie Kalkspat, Bergkristall, Flußspat etc., sind weit weniger durchlässig als Holz; Diamant ist weniger durchlässig als Smaragd, jedoch durchlässiger als das schwere Bleiglas der imitierten Diamanten. Legt man die Hand auf die Rückseite des Schirmes, so erscheint auf diesem, da die Strahlen durch die Weichteile leichter hindurchgehen als durch die Knochen, ein Schattenbild des Handskeletts, das die dunkeln Schatten der Knochen in dem nur wenig dunkeln Bilde der Hand zeigt; ein goldener Ring scheint frei um den Finger zu schweben, da selbst sein versteckter hinterer Teil durch den Knochen hindurch sich abbildet. Fremdkörper, wie Glassplitter, Nadeln etc., die eingedrungen sind, können auf diese Weise leicht aufgefunden und ihre Lage bestimmt werden. Auf einem hinreichend großen fluoreszierenden Schirm kann man die innern Organe des lebenden menschlichen Körpers, die Bewegung der Rippen und des Zwerchfelles und das Pulsieren des Herzens beobachten.

Da gewöhnliche photographische Trockenplatten für die R. empfindlich sind, kann man die Erscheinungen dauernd fixieren (Röntgenogramme, Röntgenographie). Da die Strahlen durch Holz und Papier fast ungehindert hindurchgehen, so kann man die Aufnahmen bei verschlossener Kassette oder auf der in schwarzes Papier gewickelten Platte selbst im beleuchteten Zimmer machen. Das Vakuum der Röhre muß nach obigem der Natur des in Photographie abzubildenden Gegenstandes entsprechend gewählt werden; mittelharte Röhren geben z. B. bei Handbildern die stärkste Differenzierung von Knochen und Weichteilen; mit sehr harten dagegen erhält man auch von den Knochen nur schwache Schatten. Um das Verdunkeln des Zimmers bei Besichtigung eines Röntgenstrahlenschattenbildes zu umgehen, hat man die fluoreszierende Platte als Boden eines Kästchens genommen, das im übrigen an den Kopf des Beobachters lichtdicht anschließt. Die fluoreszierende, nach dem Innern gerichtete Schicht steht in deutlicher Sehweite vom Auge (Kryptoskop, Fluoroskop). Die R. sind stets aus mehreren Arten von Strahlen zusammengesetzt. Man schließt dies aus Versuchen, die analog dem folgenden optischen angestellt sind. Geht eine Mischung von etwa gleichviel rotem und blauem Licht durch ein blaues Glas, so wird schon in dünnen Schichten das Rot sehr stark geschwächt und bei einer gewissen Dicke des blauen Glases praktisch bald ganz verschwunden sein. Das blaue Licht dagegen durchsetzt das Glas selbst in dickern Schichten ohne merkliche Schwächung. Würde man dies Licht daher auf eine photographische Platte fallen lassen, die für beide Strahlen empfänglich ist, so würde sie eine starke Absorption der ganzen Lichtmischung schon in relativ dünnen Schichten anzeigen, dagegen in dickern Schichten eine der Schichtdicke nicht entsprechend stärkere. Ähnlich verhalten sich R., wenn sie hintereinander gelegte Schichten verschiedener Stoffe durchsetzen. Man hat diese Erscheinung als Kryptochrose bezeichnet. Je rascher die Entladung des Induktoriums abklingt, desto komplexer ist die Strahlung, desto detailreicher das Bild. Im Gegensatz zu den Lichtstrahlen werden die R. von den Körpern weder gebrochen noch zurückgeworfen, wohl aber, ähnlich wie Licht in einem trüben Mittel, zerstreut. Ihre Geschwindigkeit ist gleich der des Lichtes.

Werden Metalle von R. getroffen, so senden sie ähnliche Strahlen aus. Diese Metall- oder Sekundärstrahlen bilden ein Gemisch von Strahlen verschiedener Durchdringungsfähigkeit, die von der Luft stark absorbiert werden. Da der Körper positiv elektrisch wird, schließt man, daß es Kathodenstrahlen[130] sind. Mit zunehmender Dicke der durchstrahlten Luft nimmt die Intensität der Strahlung schnell ab. Eine Glimmer- oder Aluminiumplatte von 0,1 mm läßt die Strahlen nicht mehr durch, selbst schwarzes Papier bringt schon eine starke Schwächung hervor, die nach der Art der Metalle verschieden ist, wie z. B. Kupferstrahlen weniger dadurch absorbiert werden als Zinkstrahlen. Insofern die Bildung der Sekundärstrahlen an die Fluoreszenz erinnert, nennt man sie auch Kryptolumineszenz. Bei andauernder intensiver Bestrahlung werden die Kristalle eines Leuchtschirmes allmählich braun und verlieren dabei ihr Fluoreszenzvermögen, sie erlangen es aber wieder, wenn sie von gewöhnlichem Lichte bestrahlt werden. Elektrisch geladene Körper, auf die R. treffen, werden entladen, ähnlich wie durch ultraviolette Strahlen, weil die Luft, die von R. getroffen wurde, ionisiert ist, d.h. elektrisch leitend geworden ist. Sie behält dieses Leitvermögen noch einige Zeit bei. Die Natur der R. ist noch unaufgeklärt; man glaubte in ihnen zuerst die lange vergeblich gesuchten longitudinalen Schwingungen des Äthers erblicken zu dürfen; ein tatsächlicher Anhalt für diese Vermutung hat sich jedoch nicht ergeben. Durch einen schmalen Spalt gegangene R. erzeugen auf der Platte ein Beugungsbild mit hellern und dunklern Streifen, ähnlich wie die Lichtstrahlen. Die Messung ergab, daß die Wellenlänge der R. kleiner als 0,014 Mikron, d.h. wenigstens 15mal kleiner als die kleinsten bisher bekannten Wellenlängen im Ultraviolett, angenommen werden müßte, wenn man sie als eine Art von Lichtstrahlen betrachten will. Nach andrer Auffassung sind sie elektromagnetische Stöße, d.h. fortschreitende plötzliche elektrische und magnetische Störungen, die beim Auftreffen der Elektronen der Kathodenstrahlen auf die Antikathode entstehen. Zur Messung der Intensität der R. kann die Beobachtung der Entladungsdauer eines Elektroskops benutzt werden, die Schwärzung einer photographischen Platte oder Färbung von Alkalisalzen, die photometrische Bestimmung des Leuchtens eines Leuchtschirmes (Radiophotometer), das Durchdringen hintereinander geschalteter dünner Schichten von Silber etc. (Metroradioskop, Durchdringungsmesser).

Man benutzt die R. in der Technik zur Unterscheidung echter und unechter Edelsteine, zur Erkennung des Inhalts von Mumien ohne Lösung der Hüllen, zur Untersuchung von Gepäck bei der Zollrevision, zur Erkennung schadhafter Stellen in Kesselblechen etc. In Gesteinen, besonders bituminösen, erkennt man mit R. eingeschlossene Knochen etc., an versteinerten Muscheln etc. innere Verdickungen der Schale, auch erhält man ein Bild der zahlreichen in die Haut eingebetteten Knochen von Grypotherium. – Der erste Röntgenkongreß fand statt in Paris 1900, der zweite in Bern 1902, der erste internationale Röntgenkongreß in Berlin 30. April bis 3. Mai 1905. Bei diesem konstituierte sich die Deutsche Röntgen-Gesellschaft.

Man benutzt die R. in der Medizin zu diagnostischen, aber auch zu therapeutischen Zwecken. Besonders die chirurgische Diagnostik wird durch die R. gefördert. Da sie am stärksten absorbiert werden durch Körpergewebe von größerer Dichte, so geben namentlich die Knochen bei der Durchleuchtung dunkle Schatten, an denen man unter günstigen Verhältnissen auch die feinere Struktur des Knochenbaues, stets aber alle Unregelmäßigkeiten, Brüche und Gelenkerkrankungen deutlich erkennen kann (Tafel II, Fig. 2 u. 3). Auch die Aufsuchung von Fremdkörpern gelingt auf diese Weise (Tafel I, Fig. 3). Weniger tiefe Schatten geben die Weichteile, während die lufthaltigen Teile, wie Lunge und Magen, sich als helle Stellen von der Umgebung abheben.

Mittels des fluoreszierenden Baryumplatincyanürschirms und besonders mittels einer Photographie (Radiographie) gelingt es nicht selten, Zustände zu erkennen, die mit andern Untersuchungsmitteln nicht diagnostiziert werden können; in andern Fällen ist die Untersuchung mit R. eine wertvolle Unterstützung andrer Methoden. Harte Röhren, die Strahlen von starker Durchdringungskraft aussenden, eignen sich hauptsächlich zur Untersuchung dicker Körperteile, z. B. des Rumpfes und des Beckens, und geben hier gute Bilder tiefliegender Knochen, z. B. der Wirbelsäule und des Hüftgelenkes; weiche Röhren ergeben bei weniger massigen Körperteilen deutlichere Bilder, in denen die Knochen schwarz, dagegen Einzelheiten, wie Entzündungsherde, namentlich auch verdichtete Stellen in den Lungen, verkalkte Schlagadern (Tafel II, Fig. 1), verknöcherte Muskeln u. dgl., erkennbar sind. Zur Erzielung scharfer Bilder gebraucht man mit Vorteil Blenden, Metallscheiben mit verschieden großen, kreisförmigen Ausschnitten, die zwischen den Körper und die Röhre eingeschaltet werden. Hierdurch werden die sogen. Sekundärstrahlen, die von der Glaswand der Röhre ausgehen und schattenartig verschwommene Umrisse hervorbringen, ausgeschieden und nur die von der Antikathode kommenden Strahlen zur Bilderzeugung verwendet. Begünstigt wird dieser Erfolg noch durch Aussetzung eines weiten Metallrohres auf die Blende, so daß nur Strahlen, die annähernd die Richtung der Rohrachse haben, passieren können. Häufig benutzt man Irisblenden, die aus zahlreichen Sektoren aus Blei bestehen und durch einen Hebel weiter und enger gestellt werden können. Mit dieser Vorrichtung können kleine Fremdkörper, wie Nadeln, kleine Geschosse, ferner Nieren- und Blasensteine (Tafel I, Fig. 2, Tafel II, Fig. 4), die bei einfacher Durchleuchtung nicht erkennbar sind, deutlich gesehen werden. Bei dickern Weichteilen muß man jedoch noch die Kompressionsblende zu Hilfe nehmen, eine Vorrichtung, bei der eine röhren- oder ringförmige Blende unter starkem Druck gegen den zu untersuchenden Körperteil, meistens gegen den Bauch, gepreßt wird, wodurch die zwischenliegenden Teile abgeflacht und beiseite gedrängt werden. Schwierig ist oft die genaue Bestimmung der Lage eines in der Tiefe befindlichen, durch Operation zu entfernenden Fremdkörpers. Sie gelingt oft durch Besichtigung der in verschiedener Richtung aufgenommenen Schattenbilder, genauer durch. Beobachtung und Messung der Schattenwanderung bei gemessener Verschiebung der in bekannter Entfernung befindlichen Antikathode. Auch stereoskopische Radiographien werden hergestellt, indem man zwei verschiedene, bei feststehendem Objekt durch Verschiebung der Röhre erzielte Bilder mit einem Stereoskop betrachtet. Für die Beurteilung komplizierter Veränderungen am Skelett, z. B. bei Hüftgelenksverrenkung (Tafel I, Fig. 4), ist dies wertvoll. Die innere Medizin untersucht namentlich die Organe der Brust- und Bauchhöhle mittels R. Leicht sichtbar sind größere Entzündungsherde und Zerfallshöhlen in den Lungen, Flüssigkeitsansammlungen in der Brustfellhöhle und die auf anderm Weg oft nicht erkennbaren Erkrankungen im Mittelfellraum (Mediastinum), namentlich das Aneurysma der Aorta. Das Herz ist, weil von lufthaltiger Lunge umgeben, leicht sichtbar.[131] Da aus dem Schattenbild des Herzens, das je nach der Entfernung zwischen Röhre, Herz und Aufnahmeschirm eine verschiedene Größe hat, die sehr wichtige Feststellung der wirklichen Herzgröße nicht möglich ist, so bedient man sich zu diesem Zweck der Orthoröntgenographie (Orthodiagraphie).

Tabelle

Das Prinzip dieser Methode ergibt sich aus der nebenstehenden Figur. Eine Lichtquelle L (Antikathode der Röhre) senkrecht über dem Punkt A wird diesen in A, auf dem Schirm markieren. Bringt man nun die Lichtquelle senkrecht über den Punkt B, so wird B in B1 so projiziert, daß die Linie A B ebenso groß ist wie die Linie A, B,; die Linie A B ist also in ihrer wirklichen Größe ausgezeichnet worden, während eine feststehende Lichtquelle sie nur vergrößert gezeichnet hätte. Dieses Zeichnen mit dem senkrechten Strahl wird dadurch ermöglicht, daß die Röntgenröhre an einem beweglichen Gestell angebracht, aber mit dem Zeichenstift starr verbunden ist. Umfährt man mit dem Stift die auf dem Schirm erscheinende Figur am Rand, so erhält man ein Bild des Organs in richtiger Größe. Da die Verdauungsorgane als dünnwandige Hohlorgane keinen hinreichenden Schatten geben, füllt man sie mit einem für R. wenig durchlässigen Inhalt, dessen Schatten dann Form, Lage und Bewegung des Organes anzeigt. Hierzu eignet sich die Beimischung von basisch-salpetersaurem Wismut. Es gibt einen dunkeln Schatten und zeigt, wie ein Ausguß des Organes, im Magen und Darm Verlagerungen, Erweiterungen, Verengerungen und Bewegungsstörungen an (Tafel I, Fig. 1). Auch prüft man die verdauende Kraft des Magens, indem man die Auflösung wismuthaltiger Pillen im Magen beobachtet. Speiseröhre und Mastdarm untersucht man unter Einführung mit Quecksilber gefüllter Gummisonden.

Die therapeutische Wirkung der R. beruht auf einer eigenartigen Beeinflussung wachsender Zellen. Stärkere Bestrahlung wirkt um so leichter hemmend oder gar tötend auf die Zelle ein, je lebhafter deren Wachstums- und Teilungsprozeß ist. Infolgedessen sind z. B. die Samenzellen in den Hoden besonders empfindlich gegen R. und sterben ab, ehe die in weniger lebhafter Vermehrung begriffenen Zellen der benachbarten Haut reagieren. Anderseits ist die Haut empfindlicher als andre Gewebe. Zu starke Bestrahlung kann hartnäckige, oft erst lange nach der Einwirkung entstehende Hautgeschwüre erzeugen. Besonders stark äußert sich die zerstörende Wirkung der R. auf die rasch wachsenden bösartigen Neubildungen, also auf oberflächlich gelegene Krebse und ähnliche Geschwülste. Auch Lupus der Haut wird durch R. günstig beeinflußt; manche andre Hauterkrankungen bessern sich durch die Wirkung der leichten Entzündung, die nach schwächerer Bestrahlung eintritt. Empfindlich gegen R. sind auch die farblosen Blutkörperchen und die Zellen der Milz und der Lymphdrüsen. Kleinere Tiere können durch Schädigungen dieser Gewebe getötet werden. Beim Menschen ist es vielfach gelungen, die Leukämie, eine früher stets tödliche Krankheit, bei der die farblosen Blutzellen vermehrt und in krankhafter Beschaffenheit auftreten, sehr zu bessern oder zum Stillstand zu bringen. Die farblosen Blutzellen und namentlich deren pathologische Formen zerfallen unter dem Einfluß der R., ehe eine schädliche Wirkung derselben auf andre Zellen eintritt. Vgl. Gocht, Handbuch der Röntgenlehre (2. Aufl., Stuttg. 1903); Donath, Die Einrichtungen zur Erzeugung der R. (2. Aufl., das. 1903); Beck, Die R. im Dienst der Chirurgie (Münch. 1902, 2 Tle., in den »Zwanglosen Abhandlungen aus dem Gebiet der medizinischen Photographie, Röntgoskopie etc.«); »Fortschritte auf dem Gebiet der R.« (hrsg. von Albers-Schönberg, Hamb., seit 1897) mit Ergänzungsheften u. d. T.: »Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgenbildern«; Ziemssen und Rieder, Die Röntgographie in der innern Medizin (Wiesb. 1902); Freund, Grundriß der gesamten Radiotherapie (Wien 1903); Albers-Schönberg, Die Röntgentechnik (2. Aufl., Hamb. 1906); Stechow, Das Röntgenverfahren mit besonderer Berücksichtigung der militärischen Verhältnisse (Berl. 1903); Dessauer und Wiesner, Leitfaden des Röntgenverfahrens (das. 1903) und Kompendium der Röntgenographie (Leipz. 1905); Hübler, Röntgenatlas zum Gebrauch für praktische Ärzte (Dresd. 1902); Grashey, Atlas typischer Röntgenbilder (Münch. 1905); Francke, Die Orthodiagraphie (das. 1906); Fürnrohr, Die R. im Dienst der Neurologie (Berl. 1906); Branca, Die Anwendung der R. in der Paläontologie (das. 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 129-132.
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