Münzkabinett

[270] Münzkabinett, zunächst allgemeine Bezeichnung größerer Sammlungen von antiken Münzen, wie sie der Trevisaner Forzetta und Petrarca im 14. Jahrh. begannen, Karl IV. in Deutschland fortsetzte und diese Liebhaberei unter dem Einflusse der Humanisten sich so verbreitete, daß der Kupferstecher Hubert Goltz um die Mitte des 16. Jahrh. schon 950 Münzsammlungen in Europa verzeichnen konnte. Fürsten, Bischöfe, Gelehrte und Begüterte aller Art haben sie auch fortan mit Eifer teils allgemein betrieben, teils eins der mancherlei Sondergebiete gepflegt, auch Kataloge zum persönlichen Ruhm und Gewinn beim Verkauf sowie zur Förderung der Münzkunde anfertigen lassen; aber hauptsächlich erst durch das Eingreifen sachverständiger Händler, durch numismatische Zeitschriften und Bücher und durch den Übergang privater Sammlungen aus unsicherer und wechselnder Hand in festen öffentlichen oder unveräußerlichen fürstlichen Besitz konnte ein den Ansprüchen der Wissenschaft entsprechendes M. nach dem andern entstehen. Eins der ältesten städtischen ist das Breslauer, 1576 aus dem Vermächtnis des Sammlers Thomas von Rhediger hervorgegangen. Obenan stehen die Sammlungen und Kataloge des British Museum in London, der Bibliothèque nationale in Paris und des königlichen Münzkabinetts in Berlin; andre wichtige Münzkabinette befinden sich in Wien, München, Dresden, Gotha, Jena, Karlsruhe, Nürnberg, Donaueschingen und Arolsen, ferner in Madrid, Glasgow, dem Haag, Venedig (Museo Th. Correr), Mailand, Turin, Florenz, Rom (Kirchers Museum), Neapel, Palermo, St. Petersburg (Eremitage), Kopenhagen, Stockholm, Christiania u.a. Ein langes Verzeichnis gab Gncecchi heraus (»Guida numismatica universale«, 4. Aufl., Mail. 1903). Aus der Bestimmung jeder Münze nach Metall, Mache, Zeit, Volk, Ort, Münzherrn, Gelegenheit, Größe, Gewicht, Wert, Bild etc. ergibt sich eine große Mannigfaltigkeit der Einordnung in Haupt- und Nebengruppen, und wenn auch eine Lagerung zwischen zwei die Vorder- und Kehrseite unmittelbar erkennbar machenden Glastafeln zu kostspielig, Schaukasten für leitende oder besonders schön geprägte Münzen ein äußerlicher Behelf des Anschauungsunterrichts sind, hat man doch viele andre Mittel sinnreich angewandt, um das Studium zu erleichtern. Hierher gehören methodisch eingerichtete Tafeln mit Münzbildern und die Nachformungen auf galvanoplastischem Wege, welche die Münzkabinette untereinander austauschen. Je umfassender ein M. angelegt ist, desto gewisser wird es außer Verkehrs- und Denkmünzen verwandte Gegenstände, die auch für sich ausschließlich gesammelt werden, mit ergreifen, also die verschiedenen Mekallgemische und sonstigen für Wertzeichen benutzten Stoffe, noch nicht bestimmbare Münzen, Plaketten, Jetons, Marken, Schützenmünzen, Fälschungen, unechte und erdichtete Münzen etc. Große Sammlungen sind die Unterlage wertvoller Werke gewesen. Abgesehen von andern Münzabteilungen, wurden allein griechische Münzen nebst den ihnen gewöhnlich angeschlossenen bearbeitet: nach dem Berliner M. von Alfred v. Sallet und Heinrich Dressel seit 1888, nach dem Wiener von Julius v. Schlosser, nach der Sammlung des Stiftes St. Florian in Oberösterreich von Kenner 1871, nach dem Musée Kotschoubey vom Freiherrn v. Köhne (über die Länder am Schwarzen Meer), nach dem Kabinett der Universität Moskau von Oreschnikow, nach dem Londoner (Catalogue of the Greek coins of the British Museum, amtlich seit 1873, von Lane-Poole u.a. mit ausgezeichneten Einleitungen über jedes Land, noch unvollendet), nach einer an die Universität Glasgow vermachten Sammlung von George Macdonald (Catalogue of Greek coins in the Hunterian collection, Glasgow 1899), nach der Sammlung des Fürsten von Ligne (Catalogue du cabinet de médailles, Gent 1847) von Const. Ph. Serrure, nach dem Pariser M. (Catalogue des monnaies grecques de [270] la Bibliothèque nationale) und der vom Staat angekauften Waddingtonschen Sammlung kleinasiatischer Münzen (Inventaire sommaire) von Ernest Babelon (vgl. auch dessen Schrift »Les collections de monnaies anciennes, leur utilité scientifique«, 1897), altgallische Münzen nach dem Pariser M. (Catalogue des monnaies gauloises, 1899 mit Atlas von Henri de la Tour) von Ernest Muret und Chabouillet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 270-271.
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