Cassius

[741] Cassius. Die Cassia gens war ein altes römisches Geschlecht, das sich in ein patricisches u. ein plebejisches schied, die vornehmste Familie des ersteren war die mit dem Namen Viscellinus, des zweiten die Familie Longinus. 1) Spurius C. Viscellinus, der erste aus dem patricischen Geschlecht, welcher sich einen Namen machte; er war dreimal Consul: 501 v. Chr., wo er die Sabiner besiegte; 493, wo er zur Versöhnung der Patricier u. Plebejer, nach dem Auszug der Letzteren auf den Heiligen Berg, beitrug; u. 486, wo er die nach ihm genannte Lex Cassia (s.u. Agrariae leges 1) a) einbrachte, nach welcher das den Hernikern abgenommene Land unter Leute aus der Plebs vertheilt werden sollte. Da er, um seinen Plan gegen den Widerspruch seines Collegen Virginius u. des Senats durchzusetzen, die Bundesgenossen nach Rom gerufen hatte, so wurde zwar für den Augenblick sein Vorschlag genehmigt, aber er hatte dadurch auch die Volkstribunen gegen sich gereizt u. wurde im nächsten Jahre wegen Anwendung strafbarer Mittel durch das Volk angeklagt u. vom Trapejischen Felsen gestürzt; nach And. wurde er von seinem Vater ermordet, weil er durch sein Gesetz den Patricierstand herabgewürdigt hätte. Deshalb sollen auch die Nachkommen des C. nicht mehr zu den Patriciern, sondern zu den Plebejern gerechnet worden sein. Zu den plebejischen Cassiern gehören: 2) Quintus C. Longinus, diente 167 v. Chr. im Macedonischen Kriege u. führte den gefangenen König Perseus nach Alba; er wurde 164 Consul u. starb in diesem Jahre 3) Lucius C. Longinus Ravilla, 137 v. Chr. Volkstribun, wo er die Cassia lex 2), über die Abstimmung durch Täfelchen, einbrachte; er wurde 125 Censor, später Prätor u. zeichnete sich in beiden Ämtern durch Gerechtigkeit u. Strenge aus; daher ein Cassianus judex (ein Richter wie Cassius) sprüchwörtlich ein sehr strenger Richter hieß. Er pflegte bei seinen Untersuchungen zu fragen: cui bono? (wem zum Nutzen?), daher hieß diese Frage das Cassianum dictum. 4) Lucius C. Long., Enkel von C. 2), war im Jahre 111 v. Chr. Prätor u. verbürgte dem Jugurtha bei seiner Anwesenheit in Rom Sicherheit für seine Person; er fiel 107 im Kriege gegen die Tiguriner. 5) Lucius C. Long., Sohn von C. 3), war 104 v. Chr. Volkstribun u. brachte die Cassia lex 3) ein. 6) Cajus C. Long. Varus, war 73 v. Chr. mit Marc. Terentius Varro Consul u. brachte mit demselben die Cassia et Terentia lex (s. Frumentarlac leges d) ein, nach welcher jährlich eine aus Staatsmitteln gekaufte Quantität Getreide unter das Volk vertheilt werden sollte; im Jahre 72 zog er mit Lentulus gegen Spartacus, wurde aber bei Mutina geschlagen (s. Sklavenkrieg); nach Cäsars Tode wurde er von Octavianus auf die Proscriptionsliste gesetzt u. zu Minturuä getödtet. 7) Lucius C. Long, bewarb sich 63 v. Chr. mit Cicero um das Consulat, u. da er nicht reussirte, so verband er sich mit Catilina u. machte dessen Unterhändler mit den Allobrogern. Bei dem Ausbruch der Verschwörung war ihm die Rolle zugetheilt worden, Rom anzubrennen; nach der Entdeckung der Verschwörung verließ er die Stadt. 8) Cajus C. Long., diente 53 v. Chr. als Quästor unter Crassus in dem Parthischen Feldzuge, führte nach der Niederlage des Crassus den Rest des Heeres zurück, vertheidigte Syrien gegen die Parther u. schlug dieselben im Jahre 51 bei Antiochia. Im Jahre 49 war er Volkstribun, schloß sich der Partei des Pompejus an u. besiegte als Commandant der Flotte desselben die Cäsarianische Flotte bei Sicilien, ergab sich aber nach der Schlacht bei Pharsalos im Jahre 48 dem Cäsar, der ihm verzieh u. zum Legaten machte, als welcher er wahrscheinlich dem Pontischen Feldzug beiwohnte. Bei seinem nachmaligen Aufenthalte in Rom trat er mit Cicero in Verkehr u. lebte nachher in Brundisium, um hier abzuwarten, welche Partei als die siegreiche aus dem Kampfe um die Herrschaft davon gehen würde. Da Cäsar mißtrauisch gegen ihn war u. ihm Andere, z.B. den Brutus, in der Beförderung zu Staatsämtern vorzog, stellte er sich mit Brutus selbst an die Spitze einer Verschwörung gegen den Dictator u. wurde im Jahre 44 einer der Mörder desselben. Einige Zeit darauf verließ C. Rom, von dem Volke gehaßt u. von Antonius angefeindet, u. ging nach Syrien, welche Provinz früher für ihn bestimmt, nun aber ihm genommen u. dem Dolabella gegeben worden war Doch da er das asiatische Heer gewann u. Antonius bei Mutina besiegt worden war, erhielt er Syrien als Provinz, vertrieb den Dolabella daraus u. verband sich mit Brutus zur Bekämpfung des inzwischen geschlossenen ersten Triumvirats u. zur Erhaltung der alten Ordnung der Dinge. Nachdem er sich in Asien mit Geld versehen u. bei Sardes mit dem Heere des Brutus vereinigt hatte, zogen beide nach Europa u. lagerten sich bei Philippi; hier kam es 42 v. Chr. zur Schlacht, wo, obgleich der Flügel des Brutus siegte, C. von Antonius aus seiner Stellung geworfen[741] wurde u. in der Meinung, daß die Schlacht verloren sei, sich von seinem Waffenträger erstechen ließ. Brutus bestattete seine Leiche auf der Insel Thasos. 9) Lucius C. Long., Bruder des Vor., Cäsars Anhänger, unter dem er im Jahre 48 v. Chr. in Thessalien gegen Pompejus diente, aber während der Schlacht bei Pharsalos in Griecheland stand; er wurde im Jahre 44 Volkstribun, widersetzte sich nach Cäsars Tode dem Antonius u. wurde deshalb aus dem Senat ausgeschlossen. Als sich Antonius mit Octavianus ausgesöhnt hatte, verließ C. Rom u. ging nach Asien, wurde aber im Jahre 41 von Antonius amnestirt. 10) Lucius C. Long, Sohn des Vor., diente unter C. 8) in Syrien u. focht mit bei Philippi. 11) Quintus C. Long., ein Verwandter von C. 8), war 54 v. Chr. Prä tor in Spanien, wo er sich durch Bedrückungen den Provinzialen verhaßt machte. Darauf wirkte er für Cäsar in Rom u. wurde Volkstribun; namentlich setzte er es durch, daß im Jahre 49 Cäsars Vorschläge im Senat vorgelesen wurden; doch wurde er in Folge des Sieges des Pompejus genöthigt, Rom zu verlassen u. in Cäsars Lager zu gehen. Dieser sandte ihn wieder nach Spanien, u. C. begann hier sein altes Bedrückungssystem. Eine deshalb ausgebrochene Verschwörung der Hispanier unterdrückte er zwar, aber als sich selbst mehrere römische Legionen wider ihn empörten, wurde er in Corduba eingeschlossen, u. nur die Hülfe des Bogudes mit mauritanischen Truppen befreite ihn. Er wollte mit seinen in Spanien gesammelten Reichthümern Spanien verlassen, kam aber an der Mündung des Iberus in einem Sturme um. 12) Cassius Parmnensis, einer der Verschworenen gegen Cäsar, befehligte im Jahre 43 v. Chr. die Flotte des C. 8) an der Küste von Asien, ging nach der Schlacht bei Philippi 42 nach Sicilien u. trat hier zu Sext. Pompejus, 36 aber zur Partei des Antonius über, nahm 31 an der Schlacht bei Actium Theil u. wurde darnach auf Befehl des Octavianus hingerichtet. Er war Dichter u. schr. außer erotischen Gedichten, Epigrammen u. Briefen auch zwei Tragödien (Thyestes u. Brutus), von denen jedoch nichts erhalten worden ist. 13) Cajus C. Long., war unter Claudius 50 n. Chr. Proconsul in Syrien, wurde aber unter Nero, weil Cäsars Mörder einer seiner Vorfahren war, verbannt u. erst unter Vespasianus wieder zurückgerufen. Er war ein berühmter Jurist u. gehörte zur Schule des Masurius Sabinus, welche nach ihm Cassiana schola od. Cassianer genannt wurden (s.u. Rechtsschulen); er schrieb u.a.: 10 Bücher de jure civili. 14) Lucius C. Hemina, s. Hemina; 15) Titus C. Severus, s. Severus; 16) Cajus C. Chärea, s. Chärea; 17) Avidius C., s. Avidius; 18) C. Jatrosophista, Arzt, dessen Zeitalter u. Vaterland unbekannt sind, lebte vielleicht nicht lange nach Aretäos, er war Eklektiker u. schr.: Ἰατρικαὶ ἀπορὶαὶ ϰαὶ προβλήματα φυσικά, herausgegeben von Gesner, Zürich 1562, u. Rivinus, Lpz. 1653, auch in Ideler, Med. graeci minor. 19) Dio Cassius, s. Dio; 20) Andr., geb. in Hamburg, Arzt des 17. Jahrhunderts, bekannt durch Bekanntmachung der Bereitungsart des Goldpurpurs (Cogitata de auro et admiranda ejus natura. Hamb. 1685), der daher auch den Beinamen (Goldpurpur des C.) führt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 741-742.
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