Gottsched

[512] Gottsched, 1) Joh. Christoph, geb. 2. Febr. 1700 in Judithenkirch bei Königsberg in Preußen, bezog, von seinem Vater, einem Prediger, vorbereitet, 1714 die Universität Königsberg, wo er jedoch die beabsichtigten theologischen Studien bald gegen die der Philosophie, Schönen Wissenschaften u. Sprachen ersetzte, 1723 Magister wurde u. einige Gedichte u. Abhandlungen drucken ließ. Um dem preußischen Militärdienste zu entgehen, flüchtete er 1724 nach Leipzig, wo er im Hause des Professors J. B. Mencke Erzieher wurde u. 1725 Vorlesungen über die Schönen Wissenschaften zu halten begann; 1726 wurde er Senior der damals sehr einflußreichen Poetischen Gesellschaft, die er 1727 zu der noch bestehenden Deutschen Gesellschaft umbildete. Später[512] zog er sich jedoch von letzter zurück u. begründete die Gesellschaft der Freien Künste; 1730 wurde er zum außerordentlichen Professor der Philosophie u. Dichtkunst u. 1734 zum ordentlichen Professor der Logik u. Metaphysik ernannt u. starb 12. Dec. 1766 als Senior der philosophischen Facultät u. des Großen Fürstencollegiums. G. war nüchtern u. phantasielos, aber mit scharfem Verstande, kritischem Bewußtsein, wie theoretischen u. historischen Kenntnissen ausgerüstet. Konnte er daher als Dichter selbst nur Unbedeutendes leisten, so hat er doch um die Deutsche Sprache u. Literaturforschung, die Kritik u. Veredelung des Geschmacks die größten Verdienste. Er trat mit Erfolg gegen die Lohensteinsche Schule auf, wies auf die Alten, eigentlich jedoch aber nur auf die sogenannte klassische regelmäßige Poesie der Franzosen hin, er räumte im ganz gesunkenen Theaterwesen auf u. verwies namentlich mit der von ihm protegirten Schauspielerin Karoline Neuber den Hanswurst von der Bühne, wenn dies auch 1737 lächerlicherweise mit einem förmlichen Acte geschah, er bekämpfte mit Glück das damals wuchernde u. geschmacklose Opernwesen. Neben Thomasius u. Wolf, dessen philosophischem Systeme G. folgte, führte er das Wort für den Gebrauch der Deutschen Sprache, wie er denn überhaupt Deutschland u. die Deutsche Literatur, die vom Auslande verachtet wurde, stets zu vertheidigen suchte. Seine reformirende Thätigkeit wurde durch die ausgedehnten Verbindungen, die er allerwärts besaß, unterstützt, so daß er einen ungemeinen Einfluß gewann u. eine Zeit lang, bis gegen die Mitte des 18. Jahrh. hin, eine Art von literarischer Dictatur ausübte. Bei dem neuen Schwunge, den die vaterländische Dichtkunst u. Kritik nahm, namentlich nach der literarischen Fehde mit seinen Gegnern Bodmer u. Breitinger, konnte es jedoch nicht fehlen, daß G., der auf seinen Einseitigkeiten beharrte, eine Niederlage über die andere erlitt u. daß seine Autorität noch vor seinem Tode fast gänzlich gebrochen wurde. Eine gewisse literaturgeschichtliche Bedeutsamkeit haben die von G. herausgegebenen Zeitschriften: Die vernünftigen Tadlerinnen, Hallen. Lpz. 1725–26, Hamb. 1748, 2 Thle.; Der Biedermann, Lpz. 1727, 2 Thle.; Beiträge zur kritischen Historie der deutschen Sprache, Poesie u. Beredtsamkeit, ebd. 1732–44, 8 Bde.; Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften u. freien Künste, ebd. 1745–54, 10 Bde.; Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit, ebd. 1751–62, 12 Bde.; ein literarhistorisches Sammelwerk G-s ist Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst, Lpz. 1757–65, 2 Bde.; Nachlese von Freiesleben, ebd. 1760; während seine Deutsche Schaubühne, nach den Regeln der alten Griechen u. Römer eingerichtet (ebd. 1746–50, 6 Bde.), das bedeutendste enthält, was zu G-s Blüthezeit an Übersetzungen u. Originalarbeiten geleistet wurde. Als Leiter der Deutschen Gesellschaft in Leipzig gab er deren Oden (Lpz. 1728–38, 2 Bde.), Schriften (ebd. 1730–42, 3 Bde.), u. Reden u. Gedichte (ebd. 1732) heraus, denen die Sammlung einiger ausgesuchter Stücke der Gesellschaft der freien Künste zu Leipzig (ebd. 1754–55, 3 Bde.) folgten. Einen bedeutenden Einfluß übte G. auch durch seine Lehrbücher, wie die Ausführliche Redekunst (Hannov. 1728 u.ö., zuletzt 1759), Versuch einer kritischen Dichtkunst (Lpz. 1730 u.ö., zuletzt 1751), Grundlegung einer deutschen Sprachkunst (Lpz. 1748 u.ö., zuletzt 1776), die auch in einem Auszuge, dem Kern der deutschen Sprachkunst (ebd. 1753, 8. Aufl. 1777) erschien u. in verschiedene Sprachen übersetzt wurde. Dazu kommen Erste Gründe der gesammten Weltweisheit (ebd. 1734, 8. Aufl. 1778). Von seinen Dichtungen ist das Trauerspiel: Der sterbende Cato (ebd. 1732 u.ö.), der beste Beweis für die poesielose Correctheit von G-s Muse; auch gab er Gedichte (ebd. 1736, 1751) u. Neue Gedichte (Königsb. 1750), sowie zahlreiche Übersetzungen, z.B. von Bayles Wörterbuch (Lpz. 1741–44, 4 Bde.), u. mehrere ältere Dichterwerke heraus. Vgl. Danzel, G. u. seine Zeit, Lpz. 1848. 2) Luise Adelgunde Victoria, geb. Culmus, Gattin des Vorigen, geb. 11. April 1713 in Danzig, erhielt eine sehr gründliche Erziehung, trat 1729 mit G. in Briefwechsel, verheirathete sich mit demselben 1735 u. st. 26. Juni 1762 in Leipzig. Sie war eine durch Geist u. Gelehrsamkeit ausgezeichnete Frau, welche ihrem Gatten in seinen literarisch-kritischen Bestrebungen beistand, ihn aber in vielen Stücken übersah. Dabei war sie eine musterhafte Hausfrau. Ihre Bearbeitungen aus fremden Sprachen, ihre Trauerspiele, wie Panthea, u. ihre Lustspiele, darunter die Hausfranzösin (gedruckt in G-s deutsche Schaubühne), sind von keiner großen Bedeutung, aber ihre Briefe (herausgeg. von Dorothea Henriette von Runkel, Dresd. 1771–72, 3 Bde.) sind von anziehendem Inhalt. Nach ihrem Tode gab ihr Gatte Sämmtliche kleine Gedichte (Lpz. 1763) mit ihrer Biographie heraus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 512-513.
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