Pulvermühle

[690] Pulvermühle (Pulverfabrik), 1) Fabrik zur Bereitung des Schießpulvers; 2) Mühle, wo die Bestandtheile des Schießpulvers gekleint u. gemengt werden. Hierzu gehört vorzüglich A) eine Vorrichtung zum Kohlenbrennen, was entweder in gemauerten Gruben, Ofen, Blechkasten od. eisernen Cylindern geschieht. Letztere sind von Gußeisen od. starkem Eisenblech, haben gegen 3 Fuß Durchmesser u. 6–7 Fuß Länge u. sind, horizontal liegend, auf beiden Enden aufgemauert, so daß die Flamme des auf dem darunter angebrachten Roste entzündeten Feuers um die ganze Mantelfläche des Cylinders herum schlägt. Nachdem der Cylinder mit Holz gefüllt ist, wird dessen Boden möglichst luftdicht verschlossen; die sich bei der Verkohlung entwickelnden Dämpfe entweichen durch die angebrachten Gasröhren, welche durch Wasser geleitet sind, wo sich Theer u. Holz säure absetzen. Durch dieses Verfahren verflüchtigen sich die wässerigen u. öligen Substanzen u. nur das Skelet des Holzes mit dem an dasselbe gebundenen Kohlenstoff bleibt zurück. B) Eine Vorrichtung zum Läutern des Salpeters, wo die fremdartigen Salze u. sonstigen Bestandtheile durch abermaliges Auflösen in einer doppelt so großen Menge Wassers u. zweites Krystallisiren entfernt u. der Salpeter rein dargestellt wird. Er wird entweder in Mehlform dargestellt, od., wie in Österreich, geschmolzen u. in Tiegel gegossen. C) Eine Vorrichtung zum Reinigen des Schwefels, indem der rohe Schwefel in einer eingemauerten Pfanne u. einem Kessel gesotten wird, so daß die Unreinigkeiten beidesmal zu Boden fallen u. der Schwefel in schmale Mulden gegossen seine schöne gelbe Farbe erhält. D) Eine solche zum Pulverisiren der Kohlen, des Salpeters u. Schwefels, in welcher diese Ingredienzien in Pulver von der gewöhnlichen Feinheit verwandelt werden. Das Zerkleinen der Substanzen erfolgt entweder durch Zerstampfen jedes einzelnen Bestandtheiles für sich od. aller Bestandtheile zugleich, wozu die Kohle auf den Boden des Mörsers, der Schwefel darauf u. endlich der Salpeter gelegt wird, das Ganze aber mit 2 Proc. Wasser befeuchtet wird; od. auf der Walzmühle, wo zwischen einer Walzenplatte von Glockenmetall die Substanzen zerquetscht werden; od. in hölzernen Tonnen, welche sich um eine in ihrer Mitte angebrachten Achse drehen. Man bringt 75 Gewichtstheile mit 150 Bronzekugeln in die Tonne, in welcher sich vorstehende Längencanellirungen befinden, an welche die Kugelnanschlagen u. die Substanzen zermalmen. Es sind 10,000 Umdrehungen erforderlich, von denen 30 in der Minute erfolgen. E) Die eigentliche P. zum Mengen dieser Bestandtheile. Die wichtigste Operation ist das Abwägen, diesem folgt das Mengen. Es gibt deren vier verschiedene Arten: a) Stampfwerke (Stampfmühlen), Wassermühlen, wo eine horizontale Welle mit Daumen in einer Spirallinie durch ihre Umdrehung mittelst der Hebelatten, wie in Ölmühlen, eine Reihe Stampfen (Batterien, Schüsser, Stämpfel) so in Bewegung setzt, daß je zwei od. drei abwechselnd gehoben werden u. von einer gewissen Höhe herab in ein u. dieselbe Grube (Gruben-, Trog-, Einsetz-, Anker-, Stampflochmörser) niederfallen, wodurch die Mengung der in dasselbe eingesetzten Pulverbestandtheile bewerkstelligt wird. Die hölzernen Stampfen sind etwa 14 Fuß lang, 4–5 Zoll stark, 6–90 Pfund schwer von Ahornholz u. haben unten gewöhnlich einen metallenen Schuh, von cylindrischer, kugelförmiger od. birnförmiger Form. Die Bewegung der Stampfen muß stets so geregelt werden, daß die Zahl der in einer Minute stattfindenden Stöße mit dem Gewicht u. der Fallhöhe der Stampfen u. der Menge des eingesetzten Pulversatzes in einem richtigen Verhältniß steht. Die Gruben sind in den hölzernen Grubenstock noch einmal so tief als weit u. sphärisch ausgehöhlt, so daß sie mehr als eine halbe Kugel bildeten; ihr Boden besteht entweder aus einem harten glatten Holzspiegel (Büchse des Grubenstockes), od. aus einem kupfernen; sie fassen von 12–40 Pfund Pulversatz; die Masse kommt in großen Kuchen aus den Mörsern. Die erste P. dieser Art soll Harscher um 1435 in Nürnberg angelegt haben, von wo sich ihr Gebrauch bald nachher über ganz Europa verbreitete. b) Roll- od. Walzwerke. [690] Hier drehen sich auf einem Lager od. Bodensteine von 6–7 Fuß im Durchmesser zwei Läufer (Walzenrollen) an einer Achse, mittelst einer in der Mitte befindlichen verticalen Welle. Der Bodenstein ist mit einem Kreuze versehen, um das Herabfallen des Pulversatzes zu verhindern. Die übrige Einrichtung ist sehr verschiedenartig; zuweilen sind Läufer u. Lager von Marmor, Kanonenmetall od. Eisen, zuweilen aber ist auch das Lager von Holz u. die Läufer von Eisen, od. das Lager von Eisen u. die Läufer von Marmor, od. endlich die Läufer sind von Holz u. auf der hohen Kante mit Metall beschlagen. Deren Gestalt ist meist cylindrisch, selten linsenförmig, od. die eines abgekürzten Kegels; sie wiegen von 400–6000 Pfund u. haben zuweilen ungleichen Abstand von der verticalen Welle. Metallene Lager bilden häufig eine ringartige Vertiefung u. werden dann Lauftröge genannt. In ein Rollwerk werden 25–45 Pfund Pulversatz zum Mengen eingesetzt. Die Läufer beschreiben in der Minute 8 bis 9 Kreise u. die Operation dauert 9 Stunden. Werden die Rollwerke vom Wasser getrieben, so werden gewöhnlich drei bis vier Werke durch ein Wasserrad in Bewegung gesetzt; wendet man aber Pferde hierzu an, so befinden sich höchstens zwei durch eine Bretwand getrennte Werke in demselben Gebäude, welches überdies mit einer Menge Klappen versehen ist, die bei einer Explosion durch dieselbe aufgestoßen werden. In England hat man verschiedene Vorrichtungen eingeführt, mittelst welchen durch jede Explosion ein Gefäß mit Wasser umgestürzt wird, wodurch man das betreffende Rollwerk ersäuft. Neuerdings mengt man daselbst die gekleinten Substanzen, befeuchtet sie mit 10 Proc. Wasser u. preßt sie zwischen Kupferplatten durch Wasserpressen, welche auf den Quadratzoll der Platte mit 330 Pfund wirken. c) Die von dem englischen General Congreve angegebene Maschine, wo die Mischung durch sich horizontal um ihre Achse drehende Bürsten bewerkstelligt werden soll, hat sich nicht als zweckmäßig erwiesen. Ist das Pulver auf der eigentlichen P. gemengt, so erfolgt das Körnen auf F) der Körnmaschine. Diese besteht aus Sieben (Körnsieb, Schrotsieb) mit Böden von Messingdraht, Roßhaar etc., in diesen wird der Kuchen ausgebreitet, eine Scheibe von schwerem Holz mit Blei gefüttert, darauf gelegt. Die Scheibe wird gedreht, in einigen Mühlen auch das Sieb auf die entgegengesetzte Seite. Die sich verkleinende Pulvermasse fällt als Korn durch das Sieb in ein zweites u. so fort mit immer kleineren Löchern. Das letzte Gefäß hat keine Löcher u. fängt den Staub auf. G) Das Polir- od. Schleifwerk besteht aus mehren Fässern, welche, 1/3 mit gekörntem Pulver angefüllt, mittelst eines Wasserrades 10– 15 Umdrehungen in einer Minute machen. Die Pulverkörner verlieren dadurch die scharfen Ecken u. erhalten eine feste platte Oberfläche. H) Das Trocknen geschieht entweder in der freien Luft od. in Localen, welche durch erwärmte Luft geheizt werden. Der Zweck ist den Wassergehalt auf ein Minimum zu reduciren. Jede dieser verschiedenen Arbeiten wird in einem besonderen Gebäude ausgeführt, welche unter sich entfernt sind u. mit starken hohen Erdwällen umgeben werden, damit sich bei einer Explosion das Feuer nicht anderen Gebäuden mittheilen kann. Um Explosionen weniger schädlich zu machen, werden P-n entfernt von bewohnten Orten u. Landstraßen angelegt, u. die eigentlichen P-n nur leicht gebaut, so daß die Decke nicht befestigt ist, sondern von der leichtesten Explosion abgehoben wird. Auch duldet man keinen großen Vorrath von fertigem Pulver in denselben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 690-691.
Lizenz:
Faksimiles:
690 | 691
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika