Recept

[874] Recept (v. lat.), 1) (Arzneiformel), eine nach gewissen Regeln, gewöhnlich in lateinischer Sprache, verfaßte ärztliche Vorschrift, nach welcher der Apotheker bestimmte Medicamente in bestimmter Gabe der Signatur zu verabreichen (dispensiren) hat, über deren Abfassung die Receptirkunst (Formulare), eine eigene medicinische Doctrin, Anleitung gibt. In dieser kommen zunächst die verschiedenen Formen in Betracht, in welche gewöhnlich Arzneikörper gebracht werden, die im Allgemeinen in flüssige u. feste u. dann wieder nach ihrer Bestimmung zum inneren od. äußeren Gebrauch verschieden sind. Zu den festen Formen zum inneren Gebrauch gehören: Pulver, Bolt, Pillen, Trochisken, Rotuln, Morsellen; zu denen zum äußeren Gebrauch: Streupulver, Räucherpulver, trockener Umschlag, Pflaster. Zu den flüssigen Formen zum inneren Gebrauch gehören: Tränke, u. zwar diese wieder als Mixtur, Emulsion, Julep, Aufguß, Absude, ferner Tropfen, Lecksaft, Latwerge; zum äußeren Gebrauch: Injection, Klystier, Gurgelwasser, Mundwasser, nasser Umschlag, Augenwasser; ferner als halbflüssige, Liniment, Salbe, Cerat, Breiumschlag (s.d. a.). Für jede Form gibt es wieder besondere Vorschriften der Bereitung. Ferner sind die Formen entweder einfache, welche nur aus Einem Mittel bestehen, od. zusammengesetzte, wenn mehre Mittel dazu kommen. Bei den zusammengesetzten unterscheidet man: Hauptmittel (Basis), von welchem man die eigentliche Wirkung erwartet; Hülfsmittel (Adjuvans), welches die Wirkung unterstützt; Verbesserungsmittel (Corrigens), welches entweder die Wirkung auf ein gewisses Maß beschränkt, od. zur Verbesserung des Geschmackes u. sonst zu mehrer Gefälligkeit des Mittels dienen soll; das darstellende Mittel (Constituens), welches dem Mittel die Form verleiht, wie das Wasser in einem Aufguß etc.; die drei letzteren bezeichnet man auch gemeinschaftlich mit dem Namen Vehikel. An einem R. selbst, wozu gewöhnlich ein schmales, längliches Papierblättchen benutzt wird, werden folgende Theile unterschieden: a) die Überschrift, wofür man ehedem ein + od. α/ω setzte, jetzt aber gewöhnlich den Monatstag bemerkt, an welchem das R. geschrieben wird (wiewohl dieser auch wohl zu Ende des R-s bemerkt wird); b) das Anweisewort, mit welchem man die erste Zeile beginnt; dieses ist Rec. od. R., Abbreviatur für Recipe (od. Recipiatur); c) die Bezeichnung dieser Arzneikörper, woraus die zu bereitende Arznei bestehen soll. Hier wird beobachtet, daß das od. die Hauptmittel zuerst, dann erst die Hülfsmittel u. die übrigen Nebenmittel genannt u. daß die Mittel, welche von übereinstimmender Art sind, z.B. Wurzeln, Rinden, Samen, Salze etc., auch nach einander gesetzt werden, jedes aber eine eigene Zeile bekomme; d) die Angabe der Menge, in welcher das verschriebene Mittel genommen werden soll. Diese werden entweder nach dem Gewicht, u. zwar nach dem Apothekergewicht bestimmt, u. zwar entweder mit Apothekerzeichen, od. mit Andeutung derselben, gewöhnlich in Abbreviaturen, z.B. unc., u. wenn davon nur die Hälfte genommen werden soll mit Zusatz von semis od. dim statt des Zeichen dafür (β). Die Zahlen selbst schreibt man mit römischen Ziffern, wobei das für 1 stehende I mit einem Punkte versehen (iii) u. das letzte etwas länger herabgezogen wird (z.B. iij iii). Sollen mehre nach einander folgende Mittel von gleicher Quantität genommen werden, so setzt man bei den ersteren nichts weiter bei; bei dem letzten aber bemerkt man dies mit dem Worte ana, od. abbrevirt. Stoffe, wovon nur einige gebraucht werden, wie z.B. das Gelbe vom Ei od. Mandeln, gibt man auch mit No. I, Nos. II etc. an. Wenn ein Zusatz gerade von dem Betrag erfordert wird, daß etwas Beabsichtigtes zu Stande komme, bezeichnet man auch die Quantität mit q. s. (d. i. quantum satis), u. überläßt dann dem Apotheker den numerischen Betrag zu bestimmen. Bei gröberen trockenen Stoffen, wo auf den wirklichen Betrag nach strenger Bestimmung eben nicht viel ankommt, bestimmt[874] man die zu nehmende Quantität auch wohl nur nach Griffen (Manipeln u. Pugillen, s. b). e) Die Andeutung der Bereitungsart selbst, so weit dies im R selbst nöthigist, in Fällen, welche oft vorkommen, mit verständlichen Abbreviaturen, z.B. coqu. (coque) leniigne ad rem. (remanentiam) etc. (koche bei gelindem Feuer so lange bis noch übrig bleibt etc.), od. Col. (Colaturae) adde (der durch geseihten Masse füge bei). Immer ist zu Ende des R-s eine solche Angabe erforderlich, wenigstens die Andeutung D. (d. i. detur), daß es gegeben werden soll, vorher aber, bes. bei zusammengesetzten, die Angabe M. (d. i. misce), od. der Form, in welche es gebracht werden soll, z.B. fiat pulvis (f. p.) od. fiant pilulae (f. pil.), mit Andeutung der Zahl, z.B. disp. (dispensentur) pulv. xij, od. auch div. (dividatur) in pulv. (pulveres) xij, od. Pillen, mit Andeutung des Gewichtes einer jeden, z.B. pil. gr. (granorum) ij, zuweilen auch mit Bemerkung, in welcher Art das Mittel verabreicht werden soll, z.B. D) (detur) ad scatul. (scatulam), in einer Schachtel etc. f) Die Signatur, welche das bereitete Mittel erhalten soll. Sie ist immer der Schluß des R-s u. wird durch S. (signetur) angedeutet. Da sie dem Kranken verständlich sein soll, ist sie in der Landessprache beizufügen u. wird entweder auf einem Zettel dem Glase od. dem Gefäß, worin eine flüssige Substanz enthalten ist, angehängt od. als Etiquette angeklebt od. auf dem Deckel od. der Tectur des Behältnisses, in welchem eine trockene od. halbflüssige Medicin verabreicht wird, bemerkt. g) Die Unterschrift des Arztes od. dessen verständliche Namensabbreviatur. Mehre Medicinalordnungen schreiben ausdrücklich vor, daß R-e ausschließlich mit Tinte (nie mit Bleistift) geschrieben sein sollen. Die R-e bleiben entweder in der Apotheke u. dienen da zu einer Controle für die ärztlichen Verordnungen, od. sie werden dem Kranken eingehändigt, zumal wenn sie gleich bezahlt werden. In diesem Falle die Bemerkung Reït. (reïteretur) od. Rep. (repetatur), von der Hand des Arztes geschrieben, wenn das R. von Neuem in die Apotheke kommt, zur Andeutung, daß dasselbe noch einmal angefertigt werden soll. In großen Apotheken, wo die Geschäfte der Apothekergehülfen unter Mehre vertheilt sind, ist der Receptarius derjenige, welcher die Receptur, d.h. das Zubereiten u. Ausgeben der Arzneien ausschließlich besorgt. An manchen Orten, wo strenge Medicinalpolizei ist, werden auch in Apotheken Receptbücher gehalten, in welche alle eingehende R-e abschriftlich bemerkt werden. In diesen müssen dann auch die Preise jedes R-es nach der Medicinaltaxe bemerkt sein, welche auch sonst in der Regel der Apotheker, nachdem das R. fertig ist, auf diesem selbst bemerkt. Vgl. Ph. Phöbus, Handbuch der Arzneiverordnungslehre, Stolberg 1839–40, 3. Aufl., 2 Thle.; Artus, Receptirkunst, Braunschw. 1854; Schuchardt, Handbuch der Receptirkunst, ebd. 1858; 2) Vorschrift zu Bereitung zusammengesetzter Mittel zum häuslichen Gebrauch, wie z.B. zur Speise- u. Getränkebereitung, od. sonst zu technischen Zwecken, zur Färberei etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 874-875.
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