Tübingen

[911] Tübingen, 1) Oberamtsbezirk im württembergischen Schwarzwaldkreis, 4 QM. mit (1861) 31,805 Ew.; 2) Hauptstadt hier, liegt auf den Abhängen des Schloß- u. Osterberges, am Einfluß der Steinlach (Ammer) in den Neckar, u. an der Zweigbahn Plochingen-Rottenburg der württembergischen Staatsbahn; Sitz des Gerichtshofs für den Schwarzwaldkreis, des Oberamts, eines Generalsuperintendenten, eines evangelischen Dekanats, eines Hauptpostamts, Bibelgesellschaft, Schloß Hohen-Tübingen (sonst alte Pfalz) 1535 erbaut, früher Sitz der Pfalzgrafen von T., jetzt der Universität überlassen, Rathhaus, drei lutherische Kirchen (darunter die gothische, 1460 bis 1483 erbaute Stiftskirche mit den Grabmälern von 12 württembergischen Fürsten, u.a. des Grafen Eberhard im Bart, des Herzogs Ulrich etc.), katholische Kirche, Universität (gestiftet 1477 von Eberhard mit dem Bart, bestätigt vom Kaiser Friedrich III. 1484, verbessert vom Herzog Karl, daher Eberhardo-Carolina genannt) mit sechs Facultäten (protestantisch-theologischer, katholisch-theologischer, juristischer, medicinischer, philosophischer, staatswirthschaftlicher, von welchen die katholisch-theologische von der zu Ellwangen bestandenen Universität 1817 hierherverlegt u. die staatswirthschaftliche 1818 neu errichtet wurde), mit Bibliothek auf dem Schlosse Hohen-Tübingen; evangelischer Predigeranstalt, Physiologischem u. Anatomischem Institut, Botanischem Garten, Chemischen Laboratorien, Klinik, zoologischen, anatomischen, mineralogischen u. geognostischen Sammlungen, Münz- u. Antiquitätencabinet, Physikalischem Kabinet, Sternwarte, land- u. forstwirthschaftlicher, technologischer Sammlung, Gemäldesammlung, philologischem Lehrerseminar etc.; die Universität ist seit 1817 mit 80,000 Fl. fundirt u. zählte 1861: 55 Professoren, 18 Privatdocenten u. 721 Studenten; 1845 ist ein neues Universitätsgebäude erbaut worden. Im Reformationszeitalter waren ausgezeichnete Lehrer hier: Reuchlin, Andreä, Osiander d. I. u.a.; in der neuen u. neusten Zeit bes. Storr u. Baur, die Begründer der Tübinger Schulen (s.d.). In T. finden auch jetzt die Kriegs-, Schul- u. Rechtsexamina Württembergs statt. Außerdem besitzt T. ein höheres evangelisches Seminar (1537 von Herzog Ulrich gegründet, das sogenannte Stift, mit etwa 120 Studenten), höheres katholisches Seminar (Wilhelmsstift, im ehemaligen Collegium illustre, einer 1587 gegründeten Ritterakademie, mit 130 Studenten), Gymnasium, Realschule, Hospital, Krankenhaus. Armenunterstützungsverein der Studirenden, Tuchmacherei, Kupferhammer, sechs Buchhandlungen,[911] fünf Buchdruckereien, Pulvermühle, Museum für gesellige Unterhaltung; treibt bedeutenden Getreide-, Obst- u. Weinbau; 8700 Ew. Am Fuße des Osterberges liegt der frühere Wohnsitz Uhlands; in der Nähe im Dorfe Derendingen das Bläsibad, dann die Wurmlinger Kapelle. – Über den Ursprung T-s ist nichts bekannt; es kommt erst zur Zeit der Fränkischen Kaiser als Tubinga vor; 1078 belagerte Kaiser Heinrich IV. den Pfalzgrafen Kuno daselbst, u. es war daher schon damals Sitz der Pfalzgrafen von T., welche später ihre Besitzungen an die Grafen u. Herzöge von Württemberg verkauften u. verpfändeten u. nach 1631 mit Georg Eberhard ausstarben. Schon 1342 hatte Graf Ulrich von Württemberg Stadt u. Schloß von den Pfalzgrasen Götz u. Wilhelm erworben. Die Pfalzgrafen schrieben sich nun nur Grafen von T. u. hielten zu Lichteneck im Breisgau Hof. 1477 wurde die Universität zu T. gestiftet (s. oben). 1519 suchte der junge Herzog Christoph von Württemberg nach Vertreibung seines Vaters auf dem Schlosse zu T. Sicherheit u. der Schwäbische Bund unter Herzog Wilhelm von Baiern belagerte u. eroberte die Stadt. 1514 wurde der Tübinger Vertrag zwischen den Ständen u. dem Herzog Ulrich I. hier geschlossen, s. Württemberg (Gesch.). Herzog Ulrich von Württemberg belagerte T. vergeblich 1546; im Schmalkaldischen Kriege ergab sich die Stadt an die Kaiserlichen, aber das Schloß hielt sich; 1647 eroberten es die Franzosen, verließen es aber wieder, 1688 nahmen sie es von Neuem u. schleiften die Mauern. Vgl. H. F. Eisenbach, Beschreibung u. Geschichte der Stadt u. Universität T., Tüb. 1822; Schönhuth, Wanderungen in der Umgegend von T., ebd. 1829, 2. A. ebd. 1831; Klüpfel, Geschichte u. Beschreibung der Stadt u. Universität T., ebd. 1849.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 911-912.
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