Birmanische Reich

Birmanische Reich

[254] Birmanische Reich (das) umfaßt den größern Theil der westl. Hälfte der hinterind. Halbinsel oder von Indochina, grenzt nördl. an Assam, Tibet und China, westl. und südwestl. an Bengalen und die Meerbusen von Bengalen und Martaban, südl. an Malaka, östl. an Anam und Siam und zählt auf 13,000 ! M. 5, nach andern Angaben 14 Mill. Einw.

Das birmanische Reich hat seinen Namen von dem herrschenden Volke und besteht erst seit 1756. Im 16. Jahrh. fanden die Portugiesen in dem dazu jetzt noch zum Theil gehörenden Gebiete die Reiche Siam, Pegu, Arakan und Ava oder Birma, das Vaterland der Birmanen, welche untereinander in beständigem Kriege um die Oberherrschaft waren. Die Birmanen hatten sich längere Zeit unabhängig behauptet, als sie 1750 von den Peguern unterworfen wurden, welche die in ihre Hände gefallene birman. Regentenfamilie hinrichten ließen und so tyrannisch hausten, daß unter Anführung eines Mannes von geringem Herkommen, Namens Alompra, das ganze Land gegen seine Unterdrücker sich erhob. Die Peguer wurden nicht nur vertrieben, sondern auch den Birmanen unterworfen, deren Kaiser 1756 Alompra wurde und so das birman. Reich stiftete, zu welchem seine Nachfolger noch Arakan und Provinzen von Siam und andern Nachbarländern eroberten. Allein 1824 wurden die Birmanen in einen Krieg mit der engl.-ostind. Compagnie verwickelt und mußten bei dem 1826 geschlossenen Frieden die drei Provinzen Arakan, Martaban und Tenasserim an die Engländer abtreten, sodaß jetzt das birman. Reich nur noch aus den fünf Provinzen Birma, Pegu, Kassai, Lowaschan und Yunschan besteht.

Das ganze Land ist zum Theil von hohen Gebirgen umgeben und von Bergreihen durchschnitten, zwischen denen weite Thäler und Ebenen liegen. Hauptstrom ist der aus Tibet kommende, schiffbare Irawady, welcher fast alle andern Gewässer aufnimmt, unter denen die Flüsse Pegu und Kinduem die ansehnlichsten sind, durch regelmäßige Überschwemmung das Land befruchtet und in den Meerbusen von Martaban mündet. Klima und Producte sind fast dieselben, wie in Ostindien (s.d.). Man findet hier die nutzbaren und die großen reißenden Thiere desselben, besonders schöne Elefanten, welche in ungewöhnlich hohem Ansehen stehen. Der Beherrscher von Birma nennt sich ausdrücklich König der weißen Elefanten und über das Recht dazu ist früher mancher blutige Kampf mit den Nachbarstaaten geführt worden. Vorzüglich reich ist das Land an Gold, Silber, Edelsteinen, Steinöl, Indigo, Taback, an Gewürzen, Seide und vortrefflichem Schiffbauholze, wovon der Tikbaum das beste liefert. Die Bevölkerung besteht aus mongolischen, hinduischen und malaiischen Stämmen; zu den ersten gehören die kriegerischen Birmanen, ein großer, kräftiger Menschenschlag von edler Gesichtsbildung und wenig dunkler, bei den höhern Ständen fast lichtgelber Hautfarbe. Sie bekennen sich zur Religion des Buddha (s.d.), von ihnen Gaudma genannt, die auch die Staatsreligion ist, obgleich unbeschränkte Duldung für andere Religionen herrscht und z.B. die Hindu Brahma, die Malaien Mohammed verehren. Die Priester zerfallen in zwei Classen, die Talopuins und die Rhahaans oder Punghis, welche letztern die vornehmsten sind. Sie dürfen nicht heirathen, widmen sich eifrig den Wissenschaften und sind die Lehrer des Volkes, das zwar mit den Hindus kaum auf derselben Bildungsstufe steht, allein vor andern asiat. Völkern durch Fähigkeiten und Wißbegier sich auszeichnet. Diese Punghis leben in Kiums oder Klöstern beisammen, die zugleich Schulen sind, in welchen die Kinder der Vornehmen und der Geringen ohne Unterschied umsonst erzogen werden. Ein solches Kium ruht auf Pfählen, ist nach allen Seiten offen, sein Inneres bildet nur einen großen Saal und das Äußere vergegenwärtigt die hier gegebene Abbildung. Dicht-und Tonkunst werden eifrig getrieben, auch sind die Birmanen geschickte Weber, Gold- und Silberarbeiter, Waffenschmiede und ausgezeichnete Schiffbauer. Die ärmern Classen gehen fast nackend, die reichen sind in Seide und Baumwolle geleidet. Die einfach und leicht, meist von Bambusrohr gebauten Häuser ruhen wegen der Überschwemmungen und zum Schutz gegen reißende Thiere gewöhnlich auf Pfählen und man gelangt in dieselben mittels kleiner Leitern. Das Kastenwesen der Hindus herrscht hier nicht und die Frauen genießen so viel Freiheit, wie bei uns, [254] indessen wird der Unterschied des Ranges in chines. Weise durch Kleinigkeiten im Anzuge, durch die Form der Sonnenschirme u.s.w. bestimmt und der Adel zeichnet sich durch goldene Ketten aus, von welchen er 3–12 tragen darf. Der Kaiser hat deren 24 umhängen, heißt Boa und ist unumschränkter Herr über Leben und Tod seiner Unterthanen. In dem obenerwähnten Kriege mit England zählte das birman. Heer 45,000 M. und die Anzahl der zwischen 80–100 F. langen Kriegsboote auf dem Irawady betrug gegen 500.

Die alte und ehedem stark bevölkerte Hauptstadt Ava oder Aungwa ist seit 1824 wieder Residenz des Boa, der hier einen zwar nur hölzernen, aber prächtig vergoldeten Palast mit vielen, nach chinesischer Art einander überragenden Dächern und Thürmen bewohnt, welcher mit den Nebengebäuden einen ganzen Stadttheil ausmacht. In einem mit dem kaiserlichen in Verbindung stehenden, besondern Palaste wird ein weißer Elefant köstlich verpflegt, ruht auf seidenen Kissen, speist von Gold und Silber, hat einen eignen Hofstaat und wird nach dem Boa als das wichtigste Wesen im Lande betrachtet. Außerdem enthält die Stadt, welche sich von ihrem Verfalle schnell wieder erholt, mehre große und reichverzierte Tempel, welche sich pyramidenförmig bis 360 F. erheben, unten mit hunderten kleiner Pyramiden umgeben oder mit Schnitzwerk seltsam prächtig geschmückt sind. Vor 1824 war Umerapura Haupt- und Residenzstadt des Reichs und zählte zu Anfange dieses Jahrhunderts 175,000 Einw., wovon es aber seit 1810, wo es fast ganz abbrannte und später durch die Verlegung der Residenz, mehr als die Hälfte verloren hat. Es wird auf drei Seiten vom Irawady umflossen, ist die stärkste Festung im Lande und hat grade, einander rechtwinklig durchschneidende Straßen. Außerdem sind zu bemerken die wichtigen Handelsstädte Paai Mew oder Prome mit 40,000 und Rangun mit 20,000 Einw., beide am Irawady und letzteres an einer Mündung desselben gelegen, daher es Europäer häufig besuchen, von denen auch viele sich dort niedergelassen haben. In der Nähe liegt Scho Dagon mit einem berühmten, 338 F. hohen, kegelförmigen Tempel ohne Thüren und Fenster und nur [255] mit einer Öffnung an der Spitze, durch welche die Geschenke für den Gott hineingeworfen wurden. Die Engländer entdeckten jedoch 1824 einen unterirdischen Gang, durch welchen die Priester dieselben heimlich wegschafften. Pegu, am gleichnamigen Flusse, die alte Hauptstadt der Peguer, besitzt nur noch 7000 Einw. und Reste seines ehemaligen Glanzes.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 254-256.
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