Nordischer Krieg

[763] Nordischer Krieg, der im Norden und Osten Europas 1700–21 geführte Krieg, der Schwedens im Dreißigjährigen Krieg erworbene Großmachtstellung vernichtete und die politischen Verhältnisse Europas nachhaltig beeinflußt hat. Kaum hatte (1697) der erst 15jährige Karl XIl. den Thron bestiegen, so vereinigten sich (1699) Friedrich IV. von Dänemark, August II. von Sachsen-Polen und Peter I. von Rußland zu einem Bündnis gegen Sch weden. Friedrich hoffte die im Kopenhagener Frieden (1660) verlornen Gebiete und das im Vergleich von Altona (1689) an Holstein-Gottorp abgetretene Schleswig wiederzugewinnen, August Livland und Esthland zu erobern, Peter d. Gr. die schwedischen Lande am Finnischen Meerbusen in seine Gewalt zu bringen. 1700 fiel August in Livland, Friedrich in Schleswig, Peter in Ingermanland ein. Durch ein Bündnis mit England und Holland gedeckt, erschien jedoch Karl plötzlich auf Seeland und nötigte die Dänen 28. Aug. zum Frieden von Travendal (s. d.). Hierauf in Livland gelandet, schlug er 30. Nov. (20. a. St.) bei Narwa die Russen. 1701 wandte er sich gegen die Sachsen, die durch die Niederlagen bei Klissow (19. Juli 1702) und Pultusk (1. Mai 1703) aus Polen vertrieben wurden. 1704 mußte der polnische Reichstag seinen Schützling Stanislaus Leszczynski zum König wählen, 1706, nach einem Einfall der Schweden in Sachsen, August im Frieden von Altranstädt (24. Sept.) auf die polnische Krone verzichten. Erst 1707 nahm Karl von neuem den Kampf gegen Peter auf, der inzwischen die Ostseeprovinzen größtenteils besetzt und dort 1703 Petersburg gegründet hatte. Er vertrieb ihn aus Litauen und unternahm 1708 auf Rat Mazeppas (s. d.) den bekannten Zug nach der Ukraine, der am 8. Juli 1709 zur Katastrophe bei Poltawa (s. d.) führte. Während der nach der Türkei geflüchtete Schwedenkönig den Sultan immer wieder zum Kriege gegen Rußland zu bewegen suchte, bemächtigte sich August von neuem des polnischen Throns, eroberte Peter den Rest der baltischen Provinzen und Finnlands, besetzte Friedrich, nach einem ergebnislosen Einfall in Schonen, Bremen-Verden und Schleswig, wurde ganz Pommern, mit Ausnahme Stralsunds, durch Preußen okkupiert. Die Weigerung Karls nach seiner Ankunft in Stralsund (im November 1714), Stettin an Preußen und Bremen-Verden an England-Hannover als Pfand zu überlassen, hatte 1715 die Kriegserklärung dieser beiden Mächte zur Folge. Von Friedrich Wilhelm I. aus Stralsund und Rügen vertrieben, ließ er seit 1716 durch Görtz (s. d. 1) Friedensverhandlungen mit Georg I. und Peter beginnen, um mit ungeteilten Kräften die Eroberung Norwegens[763] ausführen zu können. Nach seinem Tode bei Frederikshald (11. Dez. 1718) erfolgten sofort der Sturz Görtz' und der Abbruch der russischen Unterhandlungen. Nunmehr schlossen die neuen schwedischen Machthaber, die eine englische Allianz zur Wiedereroberung der Ostseeprovinzen erstrebten, unter französisch-englischer Vermittelung mit Hannover, Preußen und Dänemark Frieden. Hannover erhielt (20. Nov. 1719) Bremen-Verden gegen 1 Mill. Tlr., Preußen (31. Jan. 1720) Vorpommern bis an die Peene gegen 2 Mill. Tlr., Dänemark (14. Juli 1720) den holsteingottorpschen Anteil an Schleswig und 2/3 Mill. Tlr. Die an die Allianz mit England (1. Febr. 1720) geknüpften Hoffnungen erfüllten sich aber nicht, da dieses sich seinen vertragsmäßigen Verpflichtungen entzog, obwohl die Russen 1719–21 die schwedische Küste wiederholt verheerten. Schließlich mußte Schweden im Nystader Frieden (10. Sept. 1721) gegen 2 Mill Tlr. Livland, Esthland, Ingermanland, Kexholm und die finnländische Provinz Wiborg an Rußland abtreten und sank so zu einer Macht zweiten Ranges herab. An seine Stelle trat Rußland als nordische Großmacht. Vgl. v. Noorden, Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert, Bd. 2 (Düsseld 1874); Hallendorff, Bidrag till det stora nordiska krigets förhistoria (Upsala 1897); »Bidrag til den store nordiske Krigs Historie« (hrsg. vom dänischen Generalstab, Kopenh. 1899–1903, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 763-764.
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