Prutz

[414] Prutz, 1) Robert Eduard, Dichter und Literarhistoriker, geb. 30. Mai 1816 in Stettin, gest. daselbst 21. Juni 1872, studierte in Berlin, Breslau und Halle Philologie und Geschichte, trat in letzterer Stadt mit A. Ruge und den von ihm gegründeten »Halleschen (später Deutschen) Jahrbüchern« in Verbindung, wodurch er in die liberale Bewegung hineingezogen wurde, und ließ sich 1841 in Jena nieder. Damals erschien seine erste größere Arbeit, die Monographie »Der Göttinger Dichterbund« (Leipz. 1841). Seine Hoffnung, an der Universität Jena eine Professur zu erhalten, erfüllte sich nicht, und auch in Halle, wohin er 1843 zurückkehrte, ward ihm die Habilitation an der Universität nicht gestattet. Er begann hier die Herausgabe des »Literarhistorischen Taschenbuches« (Leipz. 1843–44 u. Hannov. 1845–48, 6 Bde.), das er mit eignen Beiträgen zur Literaturgeschichte ausstattete, von denen später ein Teil in den »Kleinen Schriften zur Politik und Literatur« (Merseb. 1847, 2 Bde.) gesammelt erschien. Als Frucht seiner historischen Studien erschien zunächst die leider nie vollendete »Geschichte des deutschen Journalismus« (Hannov. 1845, Bd. 1). Daneben trat in seinen Dichtungen die politische Tendenz immer entschiedener hervor. Auf eine Sammlung lyrischer, zum großen Teil erotischer »Gedichte« (Leipz. 1841, 4. Aufl. 1857) folgten bald einzeln gedruckte politische Gedichte, wie: »Der Rhein« (das. 1840), »Ein Märchen« (das. 1841) etc., und die »Gedichte, neue Sammlung« (Zür. 1842; 3. Aufl., Mannh. 1846), dann die Komödie »Die politische Wochenstube« (Zür. 1843, 3. Aufl. 1845) sowie mehrere historische Dramen (»Karl von Bourbon«, »Moritz von Sachsen«, »Erich der Bauernkönig« u. a.) ohne Bedeutung (gesammelt in den »Dramatischen Werken«, Leipz. 1847–49, 4 Bde.). Die »Politische Wochenstube« zog dem Dichter eine Anklage auf Majestätsbeleidigung zu, die aber höchsten Orts niedergeschlagen wurde. P. erhielt sogar 1846, als er nach Berlin gezogen war, die Erlaubnis zu literarhistorischen Vorlesungen, doch wurden ihm solche über die neueste Literatur nach der ersten Vorlesung in Berlin polizeilich verboten. P. übernahm darauf (1847) auf kurze Zeit die dramaturgische Leitung des Hamburger Stadttheaters, wandte sich dann nach Dresden, wo er nach dem Ausbruch der Februarrevolution ungemein besuchte Vorträge über die neuesten Zeitereignisse hielt, und im März 1848 nach Berlin, wo er in der demokratisch-konstitutionellen Partei eine hervorragende Rolle spielte. Nach der Novemberkatastrophe lebte er in Stettin, bis er Ostern 1849 vom Minister v. Ladenberg als außerordentlicher Professor der Literaturgeschichte nach Halle berufen ward. Diese Stellung bekleidete er bis 1859, legte dann seine Professur freiwillig nieder und kehrte nach seiner Vaterstadt Stettin zurück, wo er fortan wohnen blieb. Von P. erschienen ferner: »Dramaturgische Blätter« (Hamb. 1846), »Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Theaters« (Berl. 1847) und »Vorlesungen über die deutsche Literatur der Gegenwart« (Leipz. 1847), das unvollendet gebliebene Werk »Zehn Jahre. 1840–1850. Geschichte der neuesten Zeit« (das. 1850–57, 2 Bde.), »Neue Schriften. Zur deutschen Literatur- und Kulturgeschichte« (Halle 1854, 2 Bde.) u. a. folgten. Mit Wolfsohn hatte er 1851 die Wochenschrift »Deutsches Museum« gegründet, die von ihm bis 1866 redigiert wurde (fortgesetzt von K. Frenzel). Als Lyriker trat er noch mit den Sammlungen: »Aus der Heimat« (Leipz. 1858), »Aus goldenen Tagen« (Prag 1861), »Herbstrosen« (Münch. 1864, 6. Aufl. 1879) und dem »Buch der Liebe« (Leipz. 1869, 5. Aufl. 1883) hervor, und gerade diese spätern Sammlungen brachten noch eine Reihe innig und kräftig empfundener Gedichte. Seine Laufbahn als politischer Poet schloß P. mit den Gedichten: »Mai 1866« und »Juli 1866«, von denen das erstere ihm einen Prozeß wegen Majestätsbeleidigung zuzog, während das zweite gewissermaßen als Symbol des großen, inzwischen durch die preußischen Siege in Böhmen herbeigeführten Umschwungs der öffentlichen Meinung gelten durfte. Mit dem Roman »Das Engelchen« (Leipz. 1851, 3 Bde.) hatte sich P. erfolgreich auch der erzählenden Dichtung zugewandt, erhob sich aber in seinen spätern RomanenFelix«, 1851; »Der Musikantenturm«, 1855; »Oberndorf«, 1862, u. a.) nur in einzelnen Szenen und Stellen über die Tagesschriftstellerei. Weit erfreulicher war seine literarhistorische und kritische Tätigkeit während des letzten Jahrzehnts seines Lebens, aus der die Werke: »Die deutsche Literatur der Gegenwart« (Leipz. 1859, 2 Bde.; 2. Aufl. 1860), »Ludwig Holberg, sein Leben und seine Schriften« (Stuttg. 1857), »Menschen und Bücher, biographische Beiträge zur deutschen Literatur- und Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts« (Leipz.[414] 1862) sowie seine Übertragung von »Holbergs ausgewählten Komödien« (Hildburgh. 1868, 4 Bde.) hervorgingen.

2) Hans, Geschichtsforscher, Sohn des vorigen, geb. 20. Mai 1843 in Jena, ward 1863 Lehrer am Gymnasium in Danzig, 1872 an der Friedrichwerderschen Gewerbeschule in Berlin, habilitierte sich dort 1873 und war 1877–1902 Professor der Geschichte an der Universität Königsberg. Wegen eines schweren Augenleidens vom Lehramt zurückgetreten, lebt er seitdem in München. Er schrieb: »Heinrich der Löwe« (Leipz. 1865); »Kaiser Friedrich I.« (Danz. 1871–1874, 3 Bde.); »Aus Phönicien, geographische Skizzen und historische Studien« (das. 1876), die Frucht einer wissenschaftlichen Orientreise, die er 1874 im Auftrag des Deutschen Reiches mit Sepp unternommen hatte; »Die Besitzungen des Deutschen Ordens im Heiligen Lande« (Leipz. 1877); »Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge« (Danz. 1876); »Geheimlehre und Geheimstatuten des Tempelherrenordens« (das. 1879); »Malteser Urkunden und Regesten« (Münch. 1883); »Kulturgeschichte der Kreuzzüge« (Berl. 1883); »Staatengeschichte des Abendlandes im Mittelalter« (in Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen«, das. 1885–87, 2 Bde.); »Entwickelung und Untergang des Tempelherrenordens« (Berl. 1888); »Die königliche Albertus-Universität zu Königsberg i. Pr. im 19. Jahrhundert« (Königsb. 1894); »Aus des Großen Kurfürsten letzten Jahren« (Berl. 1897); »Preußische Geschichte« (Stuttg. 1900–02, 4 Bde.); »Bismarcks Bildung, ihre Quellen und ihre Äußerungen« (Berl. 1904). In Grotes »Allgemeiner Weltgeschichte« bearbeitete P. einen Teil des Mittelalters (Bd. 5 u. 6, Berl. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 414-415.
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