Simultānschule

[485] Simultānschule, s. Simultaneum und Gemeindeschule. Die Streitfrage, ob in konfessionell gemischten Staaten die Schulen richtiger nach den Konfessionen getrennt einzurichten seien oder als Simultanschulen (paritätische Schulen), in denen der Religionsunterricht den Schülern jedes anerkannten Bekenntnisses besonders, aller übrige Unterricht gemeinsam erteilt wird, beschäftigt seit langer Zeit die pädagogischen und politischen Kreise sehr lebhaft. Oft wird dabei die S. verwechselt mit der konfessionslosen Schule, die auf den Religionsunterricht ganz verzichtet; und diese wiederum wird von den Gegnern vielfach ohne weiteres auf Abneigung gegen die Religion überhaupt zurückgeführt. Dies trifft offenbar auf Großbritannien und Nordamerika nicht zu, wo vielmehr die Scheu, den zahlreichen Sonderkirchen und Parteien vorzugreifen, zum Ausschluß des religiösen Unterrichts geführt hat. Auch in Italien, Frankreich etc. hat zunächst nur die Absicht, die Schulen dem herrschenden Einflusse des katholischen Klerus zu entziehen, dafür den Ausschlag gegeben. In Deutschland haben Baden (1876) und Hessen (1874) sich für die S. entschieden. In Preußen bestehen die Simultanschulen allgemein gesetzlich im frühern Herzogtum Nassau. Im übrigen gilt für die Volksschule die Konfessionsschule hier als Regel nach Artikel 24 der Verfassung, nur in besondern Fällen ist auch für die S. die Möglichkeit geboten. Doch ist es offenkundiges Bestreben der Regierung, solche Ausnahmen, auch wo sie von den Gemeinden gewünscht werden, tunlichst zu erschweren. Ähnlich liegt die Sache der S. in Bayern und in den meisten deutschen Bundesstaaten. Nur kurze Zeit fand in Preußen unter dem Minister Falk (1872–79) und in Bayern unter dem Minister v. Lutz (1873–83) das Drängen der liberalen Parteien auf simultane Gestaltung des Schul-, besonders des Volksschulwesens etwas mehr, wenngleich immer nur vorsichtiges, Entgegenkommen unter lebhaftem Widerspruche der konservativen und konfessionellen Kreise. – In Österreich gilt gesetzlich seit 1869 die öffentliche Volksschule als paritätisch oder simultan. Allein die protestantische Minderheit ist mit dieser Neuerung, der viele ihrer gesonderten Schulen zum Opfer gefallen sind, wenig einverstanden, da tatsächlich das Vorwiegen des katholischen Elementes[485] in der Praxis das Prinzip meist nicht zum vollen Ausdrucke kommen läßt. Daher hier auf protestantischer Seite, wie in Frankreich, Belgien etc. auf katholischer, das Bestreben hervortritt, den öffentlichen Simultanschulen ein privates konfessionelles Schulwesen entgegenzustellen. – Die Literatur über diese Kontroverse ist geradezu unabsehbar. Vgl. Sander, Geschichte der Volksschule, besonders in Deutschland (in Schmids »Geschichte der Erziehung«, 5. Bd., 3. Abt., Stuttg. 1902), und Schneider, Ein halbes Jahrhundert im Dienste von Kirche und Schule, S. 365 ff. (2. Aufl., das. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 485-486.
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