Eiserne Maske

[592] Eiserne Maske. Unter Ludwig XIV. wurde 1662 (1664) ein Gefangener von hoher Gestalt in das Schloß Pignerol gebracht; er trug eine eiserne, mit Sammt überzogene Maske, die so eingerichtet war, daß er essen konnte, aber der Gefangenwärter hatte Befehl, wenn er diese Maske abnähme, ihn sogleich zu tödten. St. Mars, Commandant von Pignerol, nahm ihn bei seiner Versetzung mit auf die Insel Ste. Marguerite, behandelte ihn aber mit der größten Achtung, ließ jedoch Niemand zu ihm u. trug ihm das Essen selbst auf. Auch Louvois bezeigte ihm bei einem Besuche Hochachtung. 1698 zog er mit St. Mars, welcher Commandant der Bastille geworden war, nach dieser; den 19. Novbr. 1703 starb er, erkrankt, nach wenig Stunden, wurde unter dem Namen Marchiali, 48 Jahr alt, in die Todtenliste eingetragen u. den folgenden Tag, nachdem sein Gesicht durch Messerschnitte unkenntlich gemacht worden war, begraben, sein Zimmer aber aufs Genaueste durchsucht, die Wände aufgekratzt u. die Dielen aufgerissen, um zu verhüten, daß irgend geschriebene Nachrichten von demselben versteckt wären. Das Geheimnißvolle beschäftigte die Phantasie der Menschen damaliger u. späterer Zeit ungemein; jedoch hat man bis jetzt noch nicht evident ausgemittelt, wer es gewesen. Offenbar irrige Meinungen sind, daß es der Graf von Vermandois der Sohn Ludwigs XIV. u. der Herzogin la Vallière, welcher dem Dauphin eine Ohrfeige gegeben habe u. dafür mit ewiger Haft bestraft worden sei; od. Fouquet, der Herzog von Monmouth, der Herzog von Beaufort u. A. gewesen seien. Andere meinen, daß es ein Bruder Ludwigs XIV. gewesen sei, der von Anna von Österreich außer der Ehe (mit dem Herzog von Buckingham od. mit Mazarin) gezeugt u. noch so bald nach dem Tode Ludwigs XIII. zur Welt gekommen sei, daß er, als rechtmäßiger Sohn desselben, Ludwig XIV. habe gefährlich werden können; od. daß er ein ehelicher Zwillingsbruder Ludwigs gewesen; Andere glauben, daß derselbe ein Graf Mattioli, Minister des Herzogs von Mantua, gewesen sei, welchen Ludwig XIV., weil er einen Courier an den französischen Gesandten in Rom wegen der Papstwahl auffing, unter dem Vorwand, ihm die Depeschen wieder abzukaufen, 1677 auf die savoyische Grenze lockte u. dort aufhob. Um Reclamation des Herzogs von Savoyen, den man schonen wollte, zu vermeiden, nahm man die Sache so geheimnißvoll. Andere geben auch an, daß Mattioli ein Project, nach welchem sein Herr französische Truppen in die Festung Casale aufnehmen, auch ein Commando über französische Truppen in Italien erhalten sollte, im Augenblick der Ausführung[592] an Spanien verrathen habe. Zuerst wird die Geschichte erzählt in Mémoires secrets pour servir à l'histoire de Perse, Amst. 1745 f., 2 Bde. Voltaire stellte Untersuchungen über die E. M. an, u. seitdem sind sehr viele Schriften über diesen Mann erschienen. Delort, Histoire de l'homme au masque de fer, Par. 1825; de Taules, Du masque de fer, ebd. 1825; Dover, The hist. of the State prisoner commonly called the Iron mask, Lond. 1826; Roux-Fazillac, Recherches hist. et crit. sur l'homme au masque de fer; Chev. Mouhy, L'homme au masque de fer, Haag 1746, ist ein Roman. Dumas benutzte den Stoff zu einem Drama.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 592-593.
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