Kolowrat

[671] Kolowrat, ein der Katholischen Confession folgendes, in Böhmen u. Österreich begütertes Grafengeschlecht, welches seinen Ursprung von Wladislaw, Fürsten des Luker (Saatzer) Gebiets, herleitet u. sich unter Cechs Anführung in Böhmen niederließ. 1) Jaroslaw, der älteste bekannte Ahn des Geschlechts, lebte um 1000, war Verweser des Kaurzimer Kreises u. vertrieb 1013 den Polenherzog Boleslaw Chobri aus Mähren. 2) Jaroslaw der Jüngere, war Befehlshaber des böhmischen Heeres, siegte 3. Juli 1307 unter König Heinrich von Kärnten über Kaiser Albrecht, wohnte auch im böhmischen Heere, welches sich mit Kaiser Ludwig von Baiern verbunden hatte, der Schlacht bei Mühldorf gegen Kaiser Friedrich von Österreich bei u. wurde 1322 vom Kaiser Ludwig zum Ritter geschlagen. 3) Albert, Sohn des Vor., war Oberstlandeshofmeister u. Statthalter im Königreich Böhmen; von ihm stammte Herbart ab, dessen vier Söhne, Albert, Heinrich, Johann der Jüngere u. Benedict, das Geschlecht in viele Linien theilten, von welchen nur noch zwei fortblühen; der älteste dieser Söhne: 4) Albert, welcher mit andern Landständen 1452 die Wahl Georgs von Podiebrad zum Könige von Böhmen unterzeichnete u. mit Barbara geb. Gräfin von Schlik vermählt war, stiftete I. die Linie: K.-Krakowsky, welche diese Benennung von dem, eine der ältesten Besitzungen der Familie bildenden (schon 1147) Schlosse Krakowec in Böhmen Rakonitzer Kreises erhielt u. 1590 in den Freiherrn-, 1671 in den böhmischen Grafen- u. 1674 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde. 5) Graf Albert Wilhelm, Sohn Alexanders, Urenkel von K. 4), geb. 1600, war wirklicher Geheimerrath u. Oberstburggraf im Königreich Böhmen u. erhielt 1671 den Grafenstand, er war in zweiter Ehe mit Barbara geb. Gräfin von Rozdrazow vermählt u. st. 1689; seine beiden Söhne Johann Franz u. Maximilian Norbert Ignaz theilten die Linie in zwei Speciallinien: A) Ältere Speciallinie, Stifter: 6) Graf Johann Franz, Sohn des Vor., geb. 1647, war Geheimerrath u. böhmischer Kanzler, vermählt mit Eleonore Claudia geb. Gräfin von Anquissola u. st. 1723; durch seine beiden Söhne Wilhelm Albert II. u. Philipp zerfiel diese Speciallinie in einen älteren u. jüngeren Ast: a) Älterer Ast zu Brzeznitz, Stifter: 7) Graf Wilhelm Albert II., Sohn des Vor., geb. 1678, war österreichischer wirklicher Geheimerrath, Kämmerer u. Obersthofkanzler, seit 1716 mit Maria Franziska geb. Gräfin von Waldstein vermählt u. st. 1738. Jetziger Chef ist: 8) Graf Johann, Urenkel des Vorigen u. Sohn des österreichischen Hauptmanns a. D. Grafen Joseph Maria, geb. 1795, ist österreichischer Kämmerer u. unvermählt. b) Jüngerer Ast zu Radenin: Stifter: 9) Graf Philipp, Bruder von K. 7), geb. 1688, war österreichischer wirklicher Geheimerrath u. Kämmerer, Oberstburggraf in Prag u. Präsident des Landesgouvernements im Königreich Böhmen, seit 1725 mit Maria Barbara geb. Gräfin Michna von Waizenhof vermählt u. st. 1773. 10) Graf Leopold, Sohn des Vor., geb. 1727, war österreichischer wirklicher Geheimerrath, dirigirender Staats- u. Conferenzminister, erlangte 1783 die Aufnahme unter die niederösterreichischen Stände, war seit 1750 mit Maria Theresia geb. Gräfin von Millesimo vermählt u. starb zu Anfang des jetzigen Jahrh. Jetziger Chef ist: 11) Graf Philipp, Enkel des Vor. u. Sohn des 1838 verstorbenen Grafen Philipp Franz, geb. 1786, ist seit 1810 mit Franciska geb. Herzig von Herzfeld vermählt; sein älterer Sohn Philipp, geb. 1811, ist österreichischer pensionirter Oberst. B) Jüngere Speciallinie zu Teinitzl, Stifter: 12) Graf Maximilian Norbert Ignaz, Sohn von K. 5) u. dessen dritter Gemahlin Elisabetha Apollonia geb. Gräfin Tserclaes von Tilly, geb. 1658, war österreichischer wirklicher Geheimerrath, Oberstlandkämmerer u. Appellationsgerichtspräsident in Böhmen, seit 1686 mit Maria Barbara geb. Gräfin von Wrbna vermählt u. st. 1721. 13) Ferdinand Aloys, geb. 1682, Geheimerrath, 1721 Präsident der Kameral- u. Militärcommissionen, st. 1751 als Präsident der Siebenbürgischen u. Illyrischen Lande in Wien. 14) Cajetan Franz Xaver, Bruder des Vor., geb. 1689; trat 1706 als Fähnrich in österreichische Dienste, stieg 1759 bis zum Generalfeldmarschall u. st. 1769 in Brünn als Generalgouverneur dieser Stadt u. Generalcommandant von Schlesien u. Mähren. 15) Philipp, Bruder des Vor., geb. 1686; war Statthalter u. Vicekammerpräsident in Böhmen, als Karl VII. sich Böhmens bemächtigte. K. huldigte ihm, wurde darauf Geheimerrath u. Präsident bei der Hofdeputation, jedoch beim Abzug der Franzosen aus Prag als Geisel mitgenommen u. kam erst 1743 wieder in Freiheit. Von der Kaiserin Maria Theresia begnadigt u. in seinem vorigen Amte bestätigt, wurde er 1747 Oberstlandrichter u. später Oberstburggraf u. Präsident bei der Landesregierung u. starb als solcher 1753 in Prag. Jetziger Chef ist: 16) Graf Joseph Ernst, Sohn des 1830 verstorbenen Grafen Joseph Ernst Nepomuk, geb. 1795, ist seit 1834 mit Ernestine geb. Freiin Schrindinger von Schrinding vermählt. C) Linie K.-Liebsteinsky, welche um 1570 den Freiherrn- u. 1660 den Grafenstand erlangte, deren letzter Sproß der jetzige Chef ist: 11) Franz Anton, Graf von K., geb. 31. Jan. 1778 in Prag, war Stadthauptmann von Prag, wurde 1810 Oberstburggraf von Böhmen u. Präsident der böhmischen Stände. Er that sehr viel für Belebung des Nationalgefühls der Böhmen, für Fortbildung der Böhmischen Sprache, Cultur, der Landesgeschichte etc., auch für die Verschönerung Prags. Das dasige Nationalmuseum ist sein Werk. Er wurde 1826 Staats- u. Conferenzminister, machte sich um die Finanzen sehr verdient u. seinen Einfluß auf eine versöhnlichere Politik seit dem Regierungsantritt des Kaisers Ferdinand I. geltend; die Amnestie bei der Krönung in Mailand war bes. sein Werk. Im März 1848 trat er aus dem Staatsdienst. Seine Ehe mit Marie Gräfin von Kinsky (gest. 16. März 1842) blieb kinderlos.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 671.
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