Libănon

[335] Libănon, 1) (a. Geogr.), Kalksteingebirg auf der Grenze von Palästina u. Syrien, zwei parallel u. fast in gleicher Entfernung von einander laufende Bergketten, die sich etwa eine halbe geographische Meile nördlich von Kyros, bei der Mündung des Flusses Tasmie erhebend, sich von Südwesten nach Nordosten ausdehnten. Die westliche Kette od. der eigentliche L. (j. Dschebel el Libnan) lief längs der Küste des Mittelmeeres (meist in einiger Entfernung davon) von Sidon 1500 Stadien bis Simyra, die östliche (Antilibanon [vgl. Karmel]) beugte Anfangs merklich gegen Osten, wendete sich aber dann ebenfalls nördlich. An sie schlossen sich südöstlich die Gileadschen u. Arabischen Gebirge an. Zwischen beiden Ketten lag Kölesyrien. Der L. zeichnete sich durch die großen u. schönen Cedern (Cedern auf L.), welche auf ihm wuchsen, aus; seine höchsten Gipfel sind zum Theil mit ewigem Schnee bedeckt, u. er soll daher den Namen haben (vom hebr. Laban, weiß sein). Die äußersten ins Meer auslaufenden Enden des L. bildeten mehre Vorgebirge, namentlich das Theuprosopon, jetzt Ras el Schakkah, etwas südlich von Tripolis, das Promontorium album, noch jetzt Cap Blanc, Prom. Carmelum, noch jetzt Karmel. Die Flüsse, welche vom L. dem Meere zuströmten, waren sämmtlich unbedeutend, so der Eleutherus, der Sabbathfluß, Adonis, Lykos, Magoras, Leo, Pagida u.a.; 2) (n. Geogr.), Gebirge in Syrien (Asien), den größten Theil des türkischen Liwa Trabolos im Ejalet Seïdeh umfassend, an der Küste des Mittelmeeres zwischen den Flüssen Nahr Kebir (Eleutheros) u. Nahr Kasmich od. el Thany (Leontes) etwa 5 deutsche Meilen breit u. gegen 24 Meilen lang. Das Gebirge bildet zwei Parallelketten, welche sich in nordsüdlicher Richtung erstrecken u. von denen die westliche der eigentliche L., die östliche der Antilibanon ist; zahlreiche Äste zweigen sich von der Kette des L. westlich ab u. reichen bis an die Meeresküste. Die hervorragendsten Punkte, welche zum Theil mit ewigem Schnee bedeckt sind, sind von Norden nach Süden der Dschebel el Akkar, Dschebel Makmel (12,000 Fuß), Dschebel Sanin (7209 Fuß), Dschebel Riehan u. der südliche Hauptrücken Dschebel el Drus. Das Gebirge ist vielfach durchklüftet, mit Steingerölle u. nackten Felsen bedeckt, wenig bewaldet, hat fruchtbare, doch enge Thäler u. zahllose, jähe Abgründe, fast überall ist es von den fleißigen Bewohnern mit künstlichen Terrassen versehen. Die Producte sind hauptsächlich Seide, Tabak, Oliven, Südfrüchte, Weizen; die einst berühmten Cedern sind bis auf kleine Reste auf dem Makmel, in der Nähe von Bischerre, gänzlich verschwunden (s.u. Ceder). Der L. sendet dem Meere eine ansehnliche Zahl von kleinen Flüssen u. Bergwassern zu: Nahrel Owely, Nahr Raschan, Nahrel Kelb (Hundefluß; Lykos) u. Nahr Beirut. Die Hauptstämme der auf 400,000 Seelen geschätzten Gebirgsbewohner[335] sind: die Ansarier (Anseiris), etwa 60,000 Seelen, wohnen im äußersten Norden des L., westlich bis an das Meer, östlich von den Anseiribergen begrenzt, sind unbekannter Abstammung, zahlen, im Übrigen unabhängig, blos einen Tribut an die Pforte, bekennen sich zu gar keiner bestimmten Religion, sondern üben eine jede nach den Umständen; die beiden herrschenden Stämme sind die Drusen (s.d.), bewohnen theils den Norden des L., etwa 70,000 Seelen, u. die Maroniten (s.d.). zu 140,000 Seelen angenommen, leben im südlichen Theile des L., aber auch zerstreut durch den L. u. stehen unter einem eigenen Patriarchen (Patriarch von Antiochia), der im Kloster Kauobia am L. residirt. Beide leben in zwei von einander abgesonderten aristokratischen Staaten, deren jeder unter Leitung eines Kaimakam (Emir) steht, u. welche zusammen an die türkische Regierung, welche die Oberhoheit des Landes hat, jährlich 3500 Beutel (etwa 109,375 Thlr.) Tribut zahlen, sonst aber fast unabhängig sind. Der ganze L., d. h. beide Kaimakamate zusammengenommen, umfaßt 24 Districte od. Mukataa, deren jedem ein Mukatadschi (Vorsteher) unter Beistand eines Wekil, welcher die specielle Verwaltung besorgt, vorgesetzt ist. Diese Mukataa, deren nördlichstes in der Höhe des Akkar liegt, wonach also der ganze nördliche Abhang des L. nicht hierher gehört, sind von Norden nach Süden folgende: El Sawieh, Tultai el Kuav, El Kuwaiteh, Dschebel Bischerri, Bellad el Bathrun, Bellad Dschubail, El Fetuh, Kesrawan, Dschebel el Rehan, Kathi Beit Schebah, Sahil Beirut, Garb el tahtani, Garb el sokani, El Dschurd, Metn Beskunt, Garbi el Bekaa, Schahar, Arkub el tahtani, Arkub el sokani, Dair el Kamar u. Manastif, Aklim Charub, El Schuf, Aklim Dscheßin, Aklim Tussah. In diesen Districten befinden sich über 700 größere u. kleinere Ortschaften nebst einer großen Anzahl von Klöstern. Die wichtigsten Städte sind: Belrut, Trabolos (Tripoli), Seïdeh (Seïda, Sidon), Dair el Kamar u. Dscheßin (s.d. a.); feste Schlösser sind: Kalaal el Schkif auf dem Südende des Dschebel el Drus, Niha, in der Nähe von Dscheßin u.a. Außerdem befinden sich Befestigungen in den Händen der Türken bei Seedh u. Trabolos. Eine organisirte Militärmacht haben die beiden Staaten zwar nicht, doch sind immerhin von beiden Seiten nicht unbeträchtliche Streitkräfte vorhanden, wenn es zum Kriege kommt, indem dann ein Jeder, der als waffenfähig zu betrachten ist, in Folge eines Aufgebotes, sich mit Flinte, Pistolen u. langen Messern bewaffnet. Die übrigen Religionsparteien bestehen im Wesentlichen in Griechen, Griechischkatholischen, Muhammedanern u. Mutuali. Außer dem Seiden- u. Feldbau wird auch Jagd u. Fischerei, so wie Viehzucht (bes. Ziegen u. Schafe) betrieben, auch finden sich Seidenfabriken in Beirut, Betatir etc. Der Handel ist bes. nach den Küstenstädten u. nach Damask gerichtet, weshalb dahin auch ziemlich betretene, wenn gleich schlechte Wege führen, u. zwar einer von Trabolos über den Makmel nach Baalbek, einer von Beirut über Zahle (Sachle) u. einer von Seïdeh über Dscheßin. Die frequenteste Straße ist jedoch der Weg an der Meeresküste entlang, von wo aus man jede beliebige Seitenrichtung erreichen kann. An historischen u. sonstigen Merkwürdigkeiten hat der L. Vieles aufzuweisen, bes. an der Meeresküste entlang, wo sich Ruinen verfallener Städte u. fester Schlösser, Inschriften u. andere Überbleibsel aus den Zeiten der Römer u. Kreuzfahrer vorfinden. Im Inneren sind bemerkenswerth die noch gut gehaltenen Ruinen eines kolossalen Aquäducts aus der Römerzeit im Thale des Nahr Beirut; die bei Beirut im Meere liegenden Ruinen, sowie dieser Ort an sich Seïdeh, Batrun (das alte Bostrys), Dschebbehl od. Dschubail (Byblus) u.a.m. Über die Geschichte der beiden Staaten s.u. Drusen. 3) Die in Amerika liegenden Grafschaften u. Orte dieses Namens. s. Lebanon.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 335-336.
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