Meteorsteine

[189] Meteorsteine (Meteorolithen, Aërolithen), die nach Zerplatzung der der Erde nahe genug kommenden größern Feuermeteore (s. Meteore) herabfallenden Körper. Sie fallen gewöhnlich unter Entwicklung von Licht- u. Schallphänomenen od. aus plötzlich sich bildendem dunklem Gewölk u. gelangen dabei heiß auf die Erde. Mehre davon haben Häuser entzündet (z.B. zu Belmont 13. Nov. 1835, zu St. Paul bei Baguère de Luchon 22. März 1846) u. Menschen getödtet (z.B. einen Mönch zu Crema 4. Sept. 1511, zwei schwedische Matrosen auf dem Schiffe 1674). Die meisten M. zeigen eine gewisse Grundform, welche sich auf ein ungleichseitiges, drei- od. vierseitiges Prisma u. eine verschobene Pyramide zurückbringen läßt. Von außen sind sie mit einer schwärzlichen, schlackenartigen Rinde überzogen, welche selten dicker als 1/4 Linie ist u. bald mehr bald weniger glänzt. Zuweilen ist sie so hart, daß sie am Stahle Funken gibt. Innerlich zeigen sie oft Adern u. eingesprengte Blättchen von einer der Rinde ähnlichen Substanz, welche übrigens, eben so wie die Rinde, durchaus keine Ähnlichkeit mit irgend einem vulkanischen Gesteine zeigt. Diese stark nickel- od. kobalthaltigen [189] Blättchen sind bei solchen M-n, welche sonst fast aus gediegenem Eisen bestehen, nach Fischer der Grund der sogenannten Widmannstätt'schen Figuren, d.i. linearer, farbiger Zeichnungen, welche beim Übergießen mit schwacher Salpetersäure od. Salzsäure hervortreten; es wird dann nämlich Eisen aufgelöst u. hinweggenommen, während Nickel od. Kobaltnickel entblößt hervortritt u. so seine Metallweiße sich verräth. Zu den merkwürdigsten Meteorsteinfällen (Steinregen) gehört der von Braunau in Böhmen. Hier fielen am 14. Juli 1847 Morgens 33/4 Uhr unter einem 8 Minuten anhaltenden Getöse aus einer zerstiebenden Wolke zwei Massen, von denen die eine 421/5 Pfund wog u. noch 6 Stunden nach dem Falle so heiß war, daß man sie nicht anfassen konnte. Sie ist ein unregelmäßig verschobenes Viereck mit Concavitäten besetzt, deren Einfassungen ziemlich deutliche sechseckige od. etwas ins Längliche gezogene Zellen bilden. Äußerlich ist die Masse eisengrau, in den Zellen ist ein gelbbrauner Überzug, auf welchem glimmerartige metallischglänzende Blättchen sitzen. Auf dem Bruche ist sie deutlich krystallinisch blättrig u. von einem Metallglanz, welcher zwischen Blei u. Zink steht. Das specifische Gewicht ist 7,7, die Härte sehr groß. Die zweite Masse von 301/2 Pfund schlug durch das Dach eines Hauses; sie unterscheidet sich von der ersten nur durch die Gestalt, indem sie einer kolossalen Austerschale ähnlich ist. Die Concavitäten sind hier deutlicher u. mit röthlich braunem Oxyd belegt; spaltbar erschien Einigen die Masse nicht, wohl aber hatte sie eine blättrige, den Flächen des Würfels parallele Structur; Andere dagegen erklären sie für vollkommen theilbar nach den drei Richtungen des Würfels u. glauben, daß das ganze Stück aus einem einzigen Krystallindividuum bestehe, welches einen sehr langen Bildungsproceß voraussetzen ließe. Seine Bestandtheile sind: Eisen 92 Proc., Nickel 51/2 Proc., Kobalt 1/2 Proc., Kupfer, Mangan, Arsen, Calcium, Magnesium, Silicium, Kohlenstoff, Chlor, Schwefel zusammen 2 Proc. Die Masse enthält kleine, dünne, grauweiße, sehr glänzende u. spröde Blättchen, welche stark magnetisch sind u. aus Eisen (561/2 Proc.), Nickel (25), Phosphor (111/2), Chrom (3), Kohlenstoff (11/5), Kieselsäure (1) bestehen. Ein anderer, genau beobachteter, von Biot beschriebener Meteorsteinfall ist der von Aigle vom 26. April 1803. Um 1 Uhr Nachmittags sah man zu Alençon u. Caen bei reinem Himmel eine große Feuerkugel von West nach Südwest sich bewegen u. kurz darauf stürzten zu Aigle aus einem kleinen dunklen Wölkchen nach einer fünf Minuten anhaltenden Explosion unter kanonenartigem Getöse über einem elliptisch geformten Raum von einer Meile Länge eine große Zahl M-e, deren größter 171/2 Pfund wog. Der älteste aufgezeichnete Meteorsteinfall ist vom Jahre 644 v. Chr. in einer chinesischen Chronologie. Berühmt ist ferner der Fall der großen Meteorsteinmasse (eine Wagenlast schwer) von Ägos Potamoi aus dem Jahre 468 v. Chr., dessen Material sich aber gegenwärtig nicht mehr vorfindet. In der neueren Zeit finden. sich Nachrichten von Meteorsteinfällen so häufig, daß die Erscheinung keine seltene genannt werden kann.

Was nun zunächst die chemischen Bestandtheile anlangt, so theilt man die M. im Allgemeinen in zwei Klassen: a) wo die übrigen Stoffe gegen das Eisen sehr zurücktreten, nennt man sie mit dem Namen Meteoreisen, welches immer seiner Hauptmasse nach eine Legirung (wohl nicht eine eigentliche chemische Verbindung) von Eisen u. durchschnittlich 10 Proc. Nickel enthält, u. in dem auch die bei Gelegenheit des Braunauer Meteorsteinfalles oben beschriebenen silberweißen Krystallblättchen nie fehlen. Während der Fall von Braunau, sowie der von Hradschina im Agramer Comitat vom 26. Mai 1751 zwei der sehr seltenen wirklich beobachteten Fälle solcher Meteoreisenmassen sind, so finden sich viele analoge Massen, welche schon seit langer Zeit in der Erde ruhen, unter ihnen die berühmte 1600 Pfund schwere Masse von Pallas (bei Krasnojarsk gefunden), die 17,000 Pfund schwere Masse am Flusse Bondego in Brasilien, die 300 Centner schwere von Olumba in Peru. b) Hiervon verschieden sind die eigentlichen viel häufiger vorkommenden u. zur Zeit ihres Falles beobachteten M., welche entweder in einer gleichartigen Grundmasse Körner von Meteoreisen enthalten, wie die Steine von Aigle, u. sich dem Meteoreisen desto mehr nähern, je reichlicher das gediegene Eisen vorhanden ist u. gleichsam ein zusammenhängendes Skelett für die übrige Masse bildet; od. von solchen metallischen Beimengungen frei sind u. ein krystallinisches Gemenge verschiedener Mineralsubstanzen darstellen, wie der von Gustav Rose untersuchte aus 36 Proc. Anorthit, 60 Proc. Augit, 11/2 Proc. Chromeisen, 1/4 Proc. Magnetkies bestehende M. von Juvenas. Als Gesammtresultat läßt sich sagen, daß bisher 18 einfache Stoffe in den M-n nachgewiesen wurden: Sauerstoff, Schwefel, Phosphor, Kohlenstoff, Kiesel, Aluminium, Magnesium, Calcium, Kalium, Natrium, Eisen, Nickel, Kobalt, Chrom, Mangan, Kupfer, Zinn u. Titan, u. als nähere Bestandtheile: Nickeleisen, eine Verbindung von Phosphor mit Eisen u. Nickel, Eisensulphuret, Magnetkies, Magneteisen, Chromeisen, Olivin, Anorthit, Labrador u. Augit. Was sodann das geographische Vorkommen anlangt, so beschränkt sich der Fall von M-en in Amerika hauptsächlich auf eine einigermaßen von Nordost nach Südwest laufende Zone zwischen 33° u. 44° nördlicher Breite von ungefähr 25° Länge, u. in Europa u. Asien auf eine ähnliche zwischen 43° u. 54° mit einer Längenausdehnung von 50°, in beiden Zonen aber meistentheils auf die dem Atlantischen Meere nahen Orte. Unter den 14 Orten der alten Welt, wo, soviel bis jetzt bekannt, Meteoreisen fiel, liegen 11 innerhalb 46° u. 52° nördlicher Breite, unter den 32 solchen Orten der neuen Welt 23 in oben bezeichneter Zone u. zwar meist auf der Parallele von 46°. Zur Erklärung der M. hat man vorzüglich vier Hypothesen aufgestellt: a) die vulkanische Hypothese, wornach die M. Producte der Vulkane unserer Erde sein sollen; aber schwerlich besitzen unsere Vulkane die nöthige Kraft, Steine bis zu so ansehnlichen Höhen zu schleudern; auch zeigen die M. mit den vulkanischen Producten fast gar keine Ähnlichkeit. b) Die lunarische Hypothese hält die M. für Producte der Mondvulkane u. nennt die M. Mondsteine. Allerdings könnte ein vom Mond ausgeworfener Stein, wenn er mit einer Geschwindigkeit von wenigstens 8000 Fuß für die erste Secunde aufwärts geschleudert würde, nicht wieder zum Monde zurückkehren, sondern würde dann stärker von der Erde angezogen u. daselbst etwa nach drei Stunden ankommen, vorausgesetzt, daß die Richtung des Steins wegen gleichzeitiger Fortbewegung der Erde einen Winkel von etwa 20° mit der geraden [190] Linie zum Mittelpunkt der Erde macht. Allein die Feuerkugeln, wenn wir sie zu Gesicht bekommen, durchlaufen in der Secunde einen Weg von etwa 5 Meilen od. 114,000 Fuß, was als Endgeschwindigkeit angenommen, auf eine vom Mond aus in der ersten Secunde Statt findende Steiggeschwindigkeit von mehr als 100,000 Fuß u. bei den oft über 100 Centner schweren Massen auf eine fast undenkbare Wurfkraft schließen lassen würde. c) Nach der atmosphärischen Hypothese, welcher Egen, Fischer u. Ideler huldigen, sollen die Feuermeteore Producte unserer Atmosphäre sein. Demnach soll die Atmosphäre stets eine gewisse Menge durch verschiedentliche Ausdünstungen etc. auf der Erdoberfläche entwickelte Metalltheilchen in sich suspendirt enthalten, welche durch eine Naturkraft (wahrscheinlich die Elektricität), deren Wirksamkeit mit Licht verbunden ist, in den höheren Regionen condensirt werden, wobei zugleich Kräfte sich entwickeln, welche die so gebildeten Körper nach von der Schwere abweichenden Richtungen treiben. Aber man sieht nicht recht ein, wie diese so zerstreuten Dämpfe sich zu so ungeheueren Massen vereinigen u. woher sie ihre Geschwindigkeit erhalten sollen. d) Kosmische Hypothese, früher schon von Halley, Wellis, Bergmann u.a., später bes. von Chladni u. Humboldt vertheidigt. Nach dieser sind die M. im Weltraume herumziehende Körper, entweder Haufen von Materie, welche für sich bestanden u. noch keinem anderen Weltkörper angehört hatten, od. Trümmer eines zerstörten Weltkörpers. Es gehören dem zu Folge die Feuermeteorsteine jedenfalls zu den unzähligen kleinen Körpern, welche außer den Planeten u. Kometen um die Sonne laufen u. uns dann erst sichtbar werden, wenn sie in die Atmosphäre der Erde treten u. sich daselbst wegen stärkerer Compression od. vielleicht wegen Oxydirung der Anfangs elementaren Stoffe durch Zersetzung der nunmehr aufgenommenen wässerigen Dünste entzünden. Gewisse Gegenden des Weltenraums scheinen bes. reich an dergleichen Körpern zu sein, bes. die, durch welche sich die Erde um den 10. Aug. u. den 13. Nov. bewegt. Einige nehmen auch einen völligen Ring solcher Stoffe an, welche sich in gewissen Abständen von einander um die Sonne bewegen, u. meinen, daß die Erde eben jedesmal um den 10. Aug. u. um den 13. Nov. diesen Aërolithenring durchschneide u. diese Aërolithen daher anziehe. Da aber diese Aërolithen nach Olbers ihren Umlauf um die Sonne erst in fünf od. sechs Jahren vollenden, so müssen sich auch gewisse Jahre vor den anderen durch Häufigkeit an Feuermeteoren auszeichnen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 189-191.
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