Vincke

[598] Vincke, 1) Freiherr Ludwig von V., geb. 23. Decbr. 1774 in Minden, Sohn eines Osnabrückschen Oberstallmeisters u. Landdrostes, studirte seit 1792 Jura u. Cameralia in Marburg, Erlangen u. Göttingen, wurde 1797 preußischer Kammerassessor, 1798 Landrath für das Fürstenthum Minden u. machte 1800 auf des Ministers v. Heinitz Veranstaltung Reisen nach- Spanien, um Merinos zu kaufen u. die dortige Landwirthschaft kennen zu lernen; er wurde 1803 Präsident der ostfriesischen Kriegs- u. Domänenkammer in Aurich u. 1804 Kammerpräsident zu Münster u. Hamm. Nach der Schlacht von Jena behielt V. seine Stellung noch eine Zeit lang als Präsident des französischen Administrationscollegiums bei, ging dann nach England, um auf eigenes Risico für Preußens Wohl zu wirken, nach dem Tilsiter Frieden nach Memel u. 1808 in seine Heimath zu Stein, wurde aber 1809 Chefpräsident der kurmärkischen Kammer, deren Sitz von Berlin nach Potsdam verlegt wurde. Am 1. April 1810 verließ er den preußischen Dienst u. ging auf seine Güter in Westfalen, besuchte die Schweiz u. lebte dann auf Ickern bei Dortmund, dem Gute seiner Gattin, mit der Landwirthschaft beschäftigt. Hier wurde er beobachtet, im Frühjahr 1812 von den Franzosen verhaftet u. auf das linke Rheinufer exilirt. Als die Preußen nach Westfalen vordrangen, kehrte V. sogleich zurück, um als Generalgouverneur die Verwaltung des Landes zu übernehmen, rief hier Freiwillige auf, organisirte die Landwehr u. den Landsturm, wurde 1815 Oberpräsident in Westfalen u. organisirte als solcher die Regierungen zu Münster, Arensberg u. Minden. 1817 wurde er Mitglied des Staatsraths u. 1825 wirklicher Geheimer Rath. Als Oberpräsident schuf er Kunststraßen, trocknete Moräste aus, machte die Lippe bis Hamm schiffbar, richtete den Rheinhafen von Ruhrort ein, sorgte für die feste Bestimmung der Rechte der Gutsherren u. der Bauern in seiner Provinz, wirkte für die Landescultur durch die Gemeindetheilung, für den öffentlichen Unterricht durch Schulseminarien, für die Armen durch ein Landarmenhaus, sorgte thätig für wissenschaftliche Institute, Archive u. Bibliotheken. Er st. 2. Decbr. 1844, u. am 3. August 1857 wurde ihm bei Dortmund ein auf Hohensyburg errichteter 90 Fuß hoher Thurm (als Vincke's Denkmal) geweiht. Er schr.: Über die innere [598] Großbritanniens, herausgeg. von Niebuhr, Berl. 1816; Über die Gemeinheittheilung, ebd. 1825. Vgl. E. v. Bodelschwingh, Leben des Oberpräsidenten Freiherrn von V., Berl. 1853; V., Westfalens Oberpräsident, sein Leben u. seine Zeit, Lemgo 1858. 2) Georg Ernst Friedrich von V., ältester Sohn des Vor., geb. 15. Mai 1811 zu Buch bei Hagen in der Grafschaft Mark, studirte seit 1828 in Göttingen u. Berlin, worauf er 1832 als Auscultator beim Stadtgericht zu Berlin in den Staatsdienst trat; 1834 wurde er Referendar beim Land- u. Stadtgericht zu Minden u. 1837 Landrath des Kreises Hagen (Westfalen). Als Abgeordneter der Ritterschaft der Grafschaft Mark auf den westfälischen Landtagen machte er sich durch seine Anträge auf Einführung einer reichsständischen Verfassung, sowie durch seine Bevorwortung anderer freisinniger Maßregeln bemerklich; mehr in den Vordergrund aber trat er auf dem Vereinigten Landtage von 1847 in Berlin. Am 18. März 1848 kam er während des Barrikadenkampfes nach Berlin, u. seinem Einflüsse glaubte man theilweise das Aufhören des damaligen Straßenkampfes zuschreiben zu müssen. In der Deutschen Nationalversammlung zu Frankfurt, wo erden Kreis Hagen vertrat, gehörte er zwar der rechten Seite, aber doch der erbkaiserlichen Partei an; er war Mitbegründer der Reichsverfassung unter preußischer Hegemonie u. befürwortete nach der Ablehnung der Kaiserkrone Seitens des Königs von Preußen gleichmäßig das sogenannte Dreikönigsbündniß u. die Reichsverfassung vom 28. Mai 1849 als Mitglied des Volkshauses im Erfurter Parlament (wo er den Kreis Bochum vertrat). Als Mitglied der zweiten Kammer des preußischen Landtages (1850–52 für Aachen, 1852–54 für Hagen) gehörte er zur Opposition u. zeichnete sich auch dort durch seine große Schlagfertigkeit u. seinen kaustischen Witz aus. Zu dem im November 1861 gewählten (im März aufgelösten) Abgeordnetenhause nahm er kein Mandat an, weil er durch Familienrücksichten (Vormundschaftsverhältnisse) verhindert wurde; im Mai 1862 wurde er von Stargard gewählt; bei der Neuwahl im October 1863 wurde er nicht wieder gewählt. Aus seinen amtlichen Verhältnissen ist er geschieden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 598-599.
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