Schüssel

1. A scheni Schissel gibt scheni Scherbe. (Wien.)

Schöne Mütter, schöne Kinder.


2. Aus Einer Schüssel können viele satt werden.


3. Aus hölzernen Schüsseln schmeckt das Essen auch.

»Auss höltzern Schüsseln das essen schmeckt so wol, das man die Finger leckt.« (Waldis, II, 3.)


4. Aus leeren Schüsseln kann sich niemand satt essen.

Poln.: Z próźnej choć pięknéj miski, nikt się nie nasyci. (Lompa, 36.)


5. Boass helft a hüsch Schüssel, bann niss dren ih's. (Henneberg.)

Was hilft eine hübsche Schüssel, wenn nichts darin ist!


6. De Schöttel was so grôt, as de Born hövder Döp. (Holst.)


7. Der erste in der Schüssel, der letzte heraus. Simrock, 9298; Braun, I, 4013.


8. Die am weitesten von der Schüssel sitzen, essen am meisten.

Weil jeder ihnen vorlegt, dass sie nicht zu kurz kommen.

Dän.: Den æder altid meest som sidder længst fra fadet, og drikker meest som er længst fra tønden. (Prov. dan., 9.)


9. Die erste Schüssel schmeckt am besten.

Weil dabei der Hunger oder Appetit am stärksten ist.


10. Die ersten Schüsseln sind die wärmsten.

Aehnlich die Chinesen, Cibot, 159; Cahier, 2069.


11. Die Schüssel, die mich nährt, wird von mir geehrt.


12. Drei Schüsseln leer und in der vierten nichts.Simrock, 9291; Körte, 5443; Braun, I, 4012.

Spott auf einen argen Knicker.


13. Fette Schüssel, mager Testament.


14. Für die Schüssel biete man die Flasche. Gaal, 847; Simrock, 9289.

Wer deinen Hunger stillte, dem lösche den Durst.

Frz.: Qui plaisir fait, plaisir attend. (Gaal, 847.)


15. Gute Schüsseln machen ein schlechtes Testament.


16. In Andermanns Schöttel is't altîd fetter.Bueren, 707; Eichwald, 1686; Frommann, VI, 284, 733.


17. Ist die Schüssel nicht rein, so verdirbt die Speise.

Dän.: Er ei fadet reent, faa fordærves alt det som i lades. (Prov. dan., 469.)


18. Jeder scheuere seine eigenen Schüsseln.

Frz.: Que chacun se mêle de son écuelle.


19. Kleine Schüsseln, kleine Löffel (Suppen). Winckler, XIX, 95.


20. Kleine Schüsseln, wenig Suppe.Chaos, 747.


21. Leere Schüsseln auf dem Tisch und drei Schneider zum Arschwisch.Fischart, Gesch.


22. Leere Schüsseln locken niemand (an den Tisch).

Böhm.: Z bánky suché, dĕvky hluché. (Čelakovsky, 129.)

23. Lieber eine Schüssel mehr und – bequem sitzen.Eiselein, 570; Simrock, 9555; Körte, 2450.


24. Man muss die Schüssel nach der Sauce nehmen.

Holl.: Men moet de schotels naar de sausen schikken. (Harrebomée, II, 260a.)


25. Schüsseln genug, aber nichts darin.


26. Viel Schüsseln machen krank.

Böhm.: Mnoho jídel, mnoho nemocí. (Čelakovsky, 295.)


27. Vngleiche schüssel macht schele augen (oder: schielende Brüder).Franck, II, 60a; Henisch, [395] 1644, 14; Tappius, 66a; Petri, II, 558; Schottel, 1124b; Lehmann, II, 791, 97; Eiselein, 557; Sailer, 38; Simrock, 9288; Sutor, 132; Körte, 5442; Braun, I, 4011.

Bei Tunnicius (805): Ungelyke schotteln maken schele ogen. (Lumina distorquet rerum divisio iniqua.)

Dän.: Ulige fad gjøre ulige syn. (Prov. dan., 150.)

Holl.: Gelijke schotels maken geen leep oog. – Ongelijke schotels maken schale oogen. (Harrebomée, II, 260a.) – Onghelike schottelen maken schele oghen. (Tunn., 20, 10 u. 805.)

Lat.: Luscos dissimiles faciunt oculos mihi tristes. (Sutor, 132.) – Luscos dissimiles oculos faciunt mihi lances. (Fallersleben, 566.)


28. Volle Schüssel findet viel Freunde.


29. Volle Schüssel stiftet Friede.

Frz.: Querelles de gueux, se raccomodent à l'écuelle. (Cahier, 1498.)


30. Was hilft eine schöne Schüssel, wenn nichts darin ist.Birlinger, 463; Frischbier2, 3427.

Wird zu denen gesagt, die ein armes, aber schönes Mädchen heirathen wollen.


31. Was man zuerst in die Schüssel thut, danach riecht sie.


32. Wer auf die Schüssel anderer wartet, isst übel.

Am besten berathen ist, wer selbst für sich sorgt. Man soll nur auf das rechnen, was von uns selbst abhängt, nicht aber auf Dinge, die man von andern erwarten muss. Das Sprichwort soll folgende Entstehung haben. Richelieu hatte durch eine kühne Idee und eine gelungene Ausführung derselben Rochelle, die seither allen Angriffen widerstandene Vormauer der Calvinisten, genommen, wofür ihn Ludwig XIII. mit einem goldenen Tischgeschirr beschenkte, das einzig in seiner Art war, und dem Künstler bei strenger Ahndung befahl, niemand die Form davon zu erlauben. Die Königin von Spanien hätte nun gern davon ein Muster gehabt. Sie wandte sich daher an die Königin von Frankreich, welche ihrerseits dem Cardinal Richelieu das Gesuch mittheilte, der aber im alten Groll auf Spanien die obige, zum Sprichwort gewordene Antwort gab. (Vgl. Lendroy, 119, 70.)

Frz.: Qui s'attend à l'écuelle d'autrui, est souvent mal diné. (Gaal, 62; Lendroy, 70; Bohn I, 52; Kritzinger, 237a.)

Holl.: Die op eens anders schotel wacht, eet dikwijls kwalijk. (Harrebomée, II, 260a.)

Span.: Qui escudella daltri espera, freda la menja. (Bohn I, 254.)


33. Wer eigene Schüsseln hat, muss die Beine nicht unter des Nachbars Tisch stecken.


34. Wer mault (trotzt) mit der Schüssel, dem fehlt's (schadet's) am Rüssel.Körte, 5440.


35. Wer sich auf die Schüssel anderer verlässt, geht hungrig zu Bette.Masson, 195.


36. Wer sich zur vollen Schüssel setzen kann, der hat bequem (leicht) essen.

Jüdisch-deutsch in Warschau: Wojl dem was kümmt zä-n-a gereiter (fertigen, vollen) Schüssel.

Poln.: Dobrze tém co do gotowéj miski przychodzą. (Lompa, 11.)


37. Wie Schüssel, so Löffel.Winckler, XVIII, 92.


38. Wo die Schüssel leer und die Küche kalt, verlieren sich die Freunde bald.


39. Zu viel Schüsseln zerbrechen den Tisch.

Nicht blos diesen, sie zerrütten die ganze Hauswirthschaft, sie verderben Magen, Beutel und Menschen.


*40. Aus Einer Schüssel essen.

Gleiches Schicksal haben.

Lat.: Eodem bibere poculo. (Suringar, LXVI; Philippi, I, 133.)


*41. Aus zwei Schüsseln zugleich essen.

Aus zwei Stellungen Gehalt beziehen.


*42. Das ist eine Schüssel aus seiner Küche.

Das hat er gemacht, das ist ein Streich von ihm.

Frz.: C'est un plat de son métier. (Lendroy, 1008.)

*43. Dat get van der Schüetel oppen Küetel. (Iserlohn.) – Woeste, 89, 173.


*44. Den mot man kene leddige Schötteln vörsetten.Dähnert, 411a.

Er hat guten Appetit, und es gehört etwas dazu, ihn zu stillen.


*45. Dir hab' ich schon lang' was auf der Schüssel.Wurth, 256.

Mit dir hab' ich was abzurechnen.


*46. Drî Schöäteln leer un in de vêrte is nischt drin.Schlingmann, 1259.


*47. Eine ganze Schüssel mit drei Bissen verzehren.

In aller Eile, in der Kürze, wie man sagt, etwas mit zwei oder drei Worten sagen.


[396] *48. Eine reine Schüssel und nichts drin haben. (Niederlausitz.)

So sagt der Bauer, wenn die Hausfrau mehr Zeit auf die Reinlichkeit im Innern des Hauses, als auf die Landwirthschaft verwendet.


*49. Eine Schüssel voll guten Willen.

So sagen treuherzige Baiern zu ihren Gästen, ehe sie sich zu Tische setzen. Mit einer Schüssel voll guten Willens fürlieb nehmen. (Parömiakon, 511.)


*50. Einem die grosse Schüssel vorsetzen.

Ihn bevorzugen, ihm die grössten Vortheile zuwenden.


*51. Einem etwas in die Schüssel bieten (bringen, legen, werfen).

Engl.: To lay a thing in one's dish. (Bohn II, 156.)

Holl.: Iemand iets in zijn' schotel schaffen. (Harrebomée, II, 260b.)


*52. Er darf sich nur zur vollen Schüssel setzen.

Poln.: Dobrze tém co do gotowéj miski przychodzą. (Lompa, 11.)


*53. Er ist immer der erste in der Schüssel.Eiselein, 557.

In Pommern: He is de êrste in de Schöttel. (Dähnert, 410b.)


*54. Er mag mitten in die Schüssel greiffen.Eyering, II, 405.


*55. Er wird nur leere Schüsseln finden.

Lat.: Ne bolus quidem relictus. (Erasm., 517; Tappius, 41a.)


*56. Es hat ihm gut in die Schüssel geregnet.

Er hat eine fette Erbschaft gethan; er ist im Schlafe reich geworden.

Holl.: Het heeft veel geregend in zijne kom. (Harrebomée, I, 430b.)


*57. Hal e Schettel, de Darmels kame. (Memel.)

Komischer Schrecktrost, wenn sich ein Kind in den Finger geschnitten hat.


*58. In der Schüssel der erste, aus dem Bett der letzte.


*59. In die Schüssel spucken, um andern den Appetit zu verderben.


*60. Kôle Schüttle on warm Tellre.Frischbier2, 3428.

Scherzhafte Antwort auf die Frage: Was gab's? wenn man von einem Besuch zurückkommt und schlecht oder gar nicht bewirthet worden ist.


*61. Schau in die eigene Schüssel.Sailer, 77.

In dem Sinne von: Guck in dein eigen Häfelein, greif in deinen eigenen Busen, sieh in dein eigen Spiel, sieh in deiner Küche nach, sieh zuerst in dein Haus.


*62. Seine Schüssel wird nicht so gross sein, als der Topf, der am Feuer steht. (Surinam.)

Die Portion hängt nicht von der Grösse des Topfes ab. Die Wirklichkeit richtet sich nicht nach unsern Wünschen.


*63. Sie essen alle aus Einer Schüssel.

Holl.: Zij eten uit éénen schotel. (Harrebomée, II, 260a.)


*64. Sie haben wieder miteinander aus Einer Schüssel gegessen.


*65. Sie hat viel Schüsseln zu waschen.

Holl.: Hij heeft veel schotels te wasschen. (Harrebomée, II, 260b.)


*66. Sie ist aus der zehnten Schüssel. (Wien.)

Sehr entfernte Verwandte. (S. Gebäck 2, Morgen 87 und Mutter 120 u. 245.)


*67. Stürze deine Schüssel um.Tendlau, 679.

Abfallen, abtrünnig werden. Hiob wollte die Schüssel umstürzen, von Gott abfallen.


*68. Uf annermanns Schöttels smeckt 't alltid beter.Kern, 113.

Namentlich schmeckt es Kindern aus fremden Schüsseln gut.


*69. Verdeckte Schüsseln auftragen.

Holl.: Met gedekte schotels opdisschen. (Harrebomée, II, 260b.)


*70. Von der Schüttel op den Küttel. (Sauerland.)


*71. Wenn er ihn in einer hölzernen Schüssel ertränken könnte, er nähme kein Fass.

Holl.: Kan hij hem in een' houten schotel verdrinken, hij zal er geene wasschtobbe vor gebruiken. (Harrebomée, II, 260b.)


[Zusätze und Ergänzungen]

72. An einer nassen Schüssel haftet kein Pech.J. Grimm, Reineke Fuchs, XCIII.


73. De Schötteln lopen öwer.Plattdütscher Husfründ, Leipzig 1877, II, 5.


74. Fette Schüsseln, steter Schmauss, schweift zuletzt in Armuth aus.

It.: A grassa cucina, povertà vicina. (Giani, 445.)


75. Nicht jede Schüssel taugt zur Suppe.Schuller, 51.


76. Was nützt mir eine Schüssel, wenn nichts darin ist!


77. Weit von der Schüssel, schlimm für den Rüssel.


78. Wenn die Schüssel leer gemacht, gibt man umsonst auf die Katze Acht.

It.: Leccato il piatto, inutil badare il gatto. (Giani, 1329.)


*79. Grosse Schüsseln und nichts zu essen darin.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon