1. Auch Wunder ermüden zuletzt. – Altmann VI, 471.
2. Dâr wôrd ne mî vil Wunder wörken. (Lusdorf bei Böhmisch-Friedland.)
Der wird nicht mehr viel Wunder wirken. Von jemand, der dem Tode nahe ist.
3. Dass ist kein wunder, wenn ein Mensch irret; dass ist ein wunder, wenn ers trifft. – Lehmann, 408, 66.
4. Die Wunder dauern am besten in den kurzen Tagen.
It.: La maraviglia è figliuola dell' ignoranza. (Bohn II, 143.)
5. Die Wunder, die der Heilige thut, machen ihm erst einen Namen. – Altmann V, 88.
Oder erhöhen, wie es in einem andern Sprichwort heisst (Altmann VI, 451), ihr Ansehen. Die Geschicklichkeit des Popen kommt dabei nicht in Rechnung.
6. Die Wunder gerathen am besten im Finstern.
7. Die Wunder von heute hindern mich, an die Wunder von gestern zu glauben.
Wer zugegen ist, wenn, und weiss, wie Wunder gemacht werden, dem geht die Lust verloren, an frühere Wunder zu glauben. Die Wunder sind zu allen Zeiten auf dieselbe Grundweise, nur auf verschiedene Art fabricirt worden.
8. Ein Wunder lockt das andere.
Holl.: Wonderen trekken wonderen. (Harrebomée, II, 479a.)
9. Ein Wunder währt nicht länger als neun Tage. – Eiselein, 651.
Die Neugriechen sagen: Drei Tage währt das Wunder und drei auch das Mirakel. (Sanders, 223, 40.) – Von einem ausserordentlichen Vorgange sprechen Griechen, Italiener u.s.w. kaum drei, Deutsche und Engländer nicht über neun Tage.
Engl.: A wonder lasts but nine days. (Bohn II, 143.)
It.: Una maraviglia dura tre giorni. (Biber.)
10. Es ist kein Wunder, dass arme Leute nichts haben.
Holl.: Het is geen wonder, dat schamele lieden arm zijn. (Harrebomée, II, 479a.)
11. Es ist kein Wunder (in der That), dass das Schwein einen Rüssel hat. – Altmann V, 70.
12. Es ist kein Wunder, dass der Wolff ein Schaff frist. – Petri, II, 271.
13. Es ist kein Wunder, dass die Säue lieber Träber fressen, als Rosen; sie träumen auch nur von Koth.
14. Es ist kein Wunder, dass dessen Kühe frei grasen, der den Schulzen zum Freunde hat.
Holl.: Het is geen wonder, dat hij vrij raakt, hij heeft den schout te vriend. (Harrebomée, II, 479a.)
[449] 15. Es ist kein Wunder, dass einer hungert, wenn er lange nicht gegessen hat.
Holl.: Het is geen wonder, dat eene koe lagchen kan, zij heeft zulke verbruide lippen. – Het is geen wonder, dat hij honger krijgt, die lang gevast heeft. – Het is geen wonder, dat hij hoven kan, hij is in Frankrijk geweest. (Harrebomée, II, 479a.)
16. Es ist kein Wunder, wenn ein Mor schwarz ist. – Lehmann, 97, 11.
17. Es ist keyn wunder, das es theur ist, der Kayser ist also lang dagelegen. – Pauli, Schimpff, LXXXb; Eiselein, 357.
18. Es ist nicht gross Wunder, dass die Mäuse zu dem Heerde gehen, so die Katze davon kommt. – Abt Konrad von St. Gallen, 14. Jahrh.
19. Es ist vil Wunders in der Welt, gross Vbermuth vnd falsches Geld. – Petri, II, 278.
20. Es kann nicht jeder Wunder thun.
21. Es steckt viel Wunder im Weinfass. – Gruter, III, 36; Lehmann, II, 158, 191; Petri, II, 576.
22. Es wäre kein Wunder, es thäte einer, was ihn Gott niemals geheissen. – Simplicissimus, Vogelnest, 356.
23. Ist es ein Wunder, dass man stirbt, wenn der Tod ist angeerbt?
Die Russen: Ein neues Wunder: die Sonne leuchtet. (Altmann VI, 477.)
Holl.: Dien de dood is aangeërfd, is het wonder, dat hij sterft? (Harrebomée, II, 479a.)
24. Man kann sein blaues Wunder hören. – Marlitt, Goldelse, S. 101.
»Nun hört von grossem wunder sagen, man hat der älster ein ey entragen.«
Lat.: Res miranda, noua picae fur abstulit oua. (Loci comm., 74.)
25. Man kann viel Wunder in einer langen Winternacht machen.
26. 'T hät all's sîn Wunner, hät 'r Tohack, so hät 'r wedd 'r kên Tunner. (Altmark.) – Danneil, 275.
Hat der Arme das eine, so fehlt ihm wieder das andere Nothwendige.
27. Wer Wunder sucht und Zeichen will, bei St. Antoni findt er viel. – Hueber, 20.
28. Wunder hören niemals auf.
Sagt ein altes Sprichwort. So schreibt man aus Orwigsburg dem Friedensboten vom 26. Juni 1851. (Allentown, Pennsylvanien.)
*29. Blaues (graues) Wunder, die Kuh geht auf Stelzen. – Eiselein, 400.
Blau oder Grau ist beim Wunder gleich.
*30. Da kann man Wunder von erzählen.
Holl.: Daar wilde ik wel vel wonders van vertellen. (Harrebomée, II, 479a.)
Ausruf getäuschter, unbefriedigter Erwartung. »Wenn's weiter nichts ist, sagte er, dacht' ich doch Wunder!« (Eselsfresser, I, 62.)
*32. Das geht über ein czenstochauer Wunder.
Ist ein Wunder über alle Wunder, ist sehr wunderbar, geht über alle Begriffe hinaus. Die Mönche im czenstochauer Kloster machten nämlich mit den von ihnen fabricirten Wundern sehr starke Ansprüche an den Glauben.
Poln.: Cud większy nad Częstochowskie. (Čelakovsky, 482.)
*33. Der Wunder möcht een frassen. – Robinson, 79; Weinhold, 106; Gomolcke, 288.
Ausdruck des Erstaunens, der höchsten Verwunderung.
*34. Er hört sein blaues Wunder daran.
Wenn man einmal Wunder hört, muss man blaue hören, denn die Wunder sind alle blau. (Vgl. Breslauer Erzähler, 1803, S. 47.) Jüdisch-deutsch in Warschau: Dus is a milchdiger Ness (Wunder). Milchdig ist der Gegensatz von fleischig, und wird eine milchdige Mahlzeit, weil minder nahrhaft, auch weniger geschätzt: daher bedeutet die Redensart: »ein milchdiger Ness« ein geringfügiges, unbedeutendes Wunder.
*35. Er soll sein blaues Wunder sehen. – Klix, 122.
Sich über etwas ausserordentlich verwundern. »Sehet doch alle euren plauten (in andern Ausgaben blauen) Wunder.« (Simplicissimus, 846.)
*36. Er wird sein Wunder sehen.
»Sie sollen Ihr liebes Wunder sehen.« (H. Heine an Varnhagen; Nachlass Varnhagen's, Leipzig 1865, S. 158.)
[450] *37. Es ist ein Wunder, wie der goldne Zahn. (Schles.)
D.h. also gar keins. In Weigelsdorf, Kreis Reichenbach, unweit Langenbielau, wurde dem Bauer Christoph Müller am 22. December 1586 ein Knabe geboren, der ebenfalls Christoph genannt wurde. Als der Knabe sieben Jahre alt war, entdeckte ein Mönch bei ihm einen Zahn von purem Golde, der auf der linken Seite des Mundes unter den andern Zähnen stand. Im ganzen Lande erregte die Nachricht von diesem Wunder ein grosses Aufsehen. Der Zahn wurde für ein Wunder ausgeschrien, von Fürsten und Herren besehen, von Aerzten und Physikern in gelehrten Abhandlungen untersucht, von Theologen auf Krieg, Blutvergiessen und Theuerung gedeutet, und endlich 1595 als eine gemeine Betrügerei entlarvt. Der Vater des Knaben wurde bestraft, während die Mönche des nahen Klosters, die eigentlichen Anstifter, durch ihre geistliche Würde vor Verfolgung geschützt blieben. (Vgl. Breslauer Erzähler von Fülleborn, 1800, S. 470 und Schles. Provinzialblätter, 1863, S. 426.)
*38. Ich hâ ok mei blôscheckig Wunder gesahn hoite. (Schles.) – Frommann, III, 415, 587.
*39. Kei Wunder, macht de Hund Plunder, er he der Mueter d' Buchi g'frässe. – Sutermeister, 16.
*40. Man sihet den blawen wunder. – Nigrinus, Inquisition, 406.
*41. Nid e Wunder sch.eusi Chue Plunder; sie het gester e Bettzieche g'frässe. – Sutermeister, 16.
*42. Wunder aus einer Linse machen. – Körte, 7022; Masson, 138.
*43. Wunder glauben. – Frischbier, II, 2967.
Der glaubt Wunder, was er kann, wie klug er ist.
Frz.: Il en fait en relique. (Kritzinger, 597a.)
*44. Wunder über Wunder, dass die schwarze Kuh weisse Milch gibt. – Frischbier, 4124.
Wenn sich jemand über etwas ganz Gewöhnliches wundert.
*45. Wunder über Wunder, ein Kahn mit Löchern geht nicht unter. (Ostpr.)
Sprichwörtlicher Räthselwitz. Ein Kahn, in dem sich Frauenzimmer befinden. – Wenn man von einer gewöhnlichen Sache viel Aufhebens macht, sagt eine jüdisch-deutsche Redensart in Warschau: Derzählen nissim (Wunder) iwe. Nifluës (über Wunder), gefallen ün zerschlugen die Nûs (Nase).
46. Zwei seltene Wunder sind: wenn ein Esel flieht (läuft) und ein Bischof predigt. – Wirth, I, 45.
*47. Die sieben Wunder Manheims.
Es sind damit sieben Männer dieses Namens gemeint, welche in Manheim noch um die sechziger Jahre lebten.
Brockhaus-1809: Die Sieben Wunder der Welt
Brockhaus-1837: Wunder · Sieben Wunder
Brockhaus-1911: Wunder · Sieben Wunder der Welt
DamenConvLex-1834: Wunder der Welt
Herder-1854: Wunder [2] · Wunder [1] · Sieben Wunder der Welt
Kirchner-Michaelis-1907: Wunder
Meyers-1905: Wunder der Welt · Wunder · Sieben Wunder der Welt
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