Dienste

[567] Dienste Dienstbarkeit, Knechtschaft, Sklaverei nennt man im Allgemeinen den Zustand gänzlicher Abhängigkeit eines Menschen von dem Willen eines Andern; in einer besondern Bedeutung spricht man aber auch von Dienstbarkeit und Dienstbarkeiten, denen eine Sache unterworfen ist und versteht darunter Beschränkungen der natürlichen Freiheit des Eigenthums derselben durch einem Andern an derselben Sache eingeräumte Rechte. Aber auch diese Rechte selbst, welche einem Dritten an meiner Sache zustehen und vermöge deren ich gehalten bin, etwas nicht zu thun, was ich sonst als Eigenthümer thun darf, oder zu leiden, was ich außerdem nicht zu leiden brauche, nennt man insbesondere im rechtlichen Verstande gewöhnlich Dienstbarkeiten oder lat. Servituten. Die Lehre von den Servituten gehört zu den ausgebildetsten und wichtigsten Materien des röm. Rechts und ist auch jetzt immer noch von großem praktischen Interesse, indem die Servitutenstreitigkeiten zu den häufigsten und verwickeltsten gehören. Wenngleich das röm. Recht auch persönliche Servituten, d.i. solche, die nur zum Vortheil einer Person bestimmt sind und mit dem Tode derselben erlöschen, kennt, so sind doch die Mehrzahl derselben dingliche Servituten, bei denen ein Grundstück das berechtigte Subject ist und welche daher auf jeden Besitzer desselben übergehen. Diese dinglichen, auch Real- oder Prädialservituten, Gerechtigkeiten eines Grundstücks oder Servituten schlechthin, welche noch heutiges Tages häufig vorkommen und beiweitem wichtiger sind als die persönlichen, sind städtische oder ländliche, jenachdem sie mit einem Gebäude in der Stadt oder mit irgend einem Grundstück auf dem Lande verbunden sind. Das berechtigte Grundstück heißt das herrschende und das verpflichtete oder belastete das dienende. Als städtische Servituten kommen in röm. Rechte hauptsächlich vor: das Recht, einen Theil unsers Gebäudes auf dem Gebäude, der Mauer oder der Säule des Nachbars ruhen zu lassen; das Recht, Balken in die Mauer des Nachbars einzulegen, oder einen Vorbau (Erker, Balkon) in den Luftraum des Nachbars hineinragen zu lassen; das Recht, das Regenwasser von meinem Hause auf das Grundstück eines Andern, oder umgekehrt, das Regenwasser von dem Hause eines Andern in mein Haus oder auf mein Grundstück zu leiten; das Verbot, daß man sein Haus, zum Vortheil eines benachbarten Hauses, nicht höher bauen darf; das Recht, zu verlangen, daß mir ein Anderer das Licht oder die Aussicht nicht verbaue, ja in einer fremden Wand Fenster, um Licht oder um Aussicht zu erhalten, anlegen zu dürfen; das Recht, an der Wand meines Nachbars eine Mistgrube anzulegen und den Rauch aus meinem Gebäude durch seinen Rauchfang zu leiten. Die vorzüglichsten ländlichen Servituten sind: die Fußsteigsgerechtigkeit, die Viehtriftsgerechtigkeit und die Fahrwegsgerechtigkeit, wovon die zweite die erste und die dritte beide in sich begreift; die Weidegerechtigkeit für dasjenige Vieh, was zu dem herrschenden Gute gehört; Wasserleitungsgerechtigkeiten unter, auf und über der Erde u.s.w. Das deutsche Recht kennt zwar noch andere, bei den Römern nicht gewöhnliche Servituten; allein auch bei diesen kommen die Grundsätze des röm. Rechts zur Anwendung, wenn sie nur in die bei den Römern üblichen Formen der Dienstbarkeit passen. Dahin gehören z.B. das Recht, in fremden Waldungen und Feldern die Jagd, das Beholzungsrecht, die Eichellese und Mastung auszuüben; ferner das Floßrecht, Fährrecht, die Fischereigerechtigkeit u.s.w. Viele von diesen Servituten sind durch die Nothwendigkeit herbeigeführt, weil ohne sie die Benutzung des berechtigten Grundstücks gar nicht möglich wäre, so z.B. die Wegegerechtigkeiten, wenn zu den Feldern des Einen kein anderer Weg führt, als über die Felder des Andern; Andere sind auf Billigkeit gegründet, auch durch gegenseitige Zugeständnisse vergütet und gegen das Bestehen solcher Servituten läßt sich nichts einwenden. Nur durch freiwillige Übereinkunft beider Theile oder dadurch, daß die Nothwendigkeit derselben aufhört, z.B. wenn bei der Zusammenlegung der Felder (s.d.) die Wegeservitut unnöthig wird, können sie wegfallen. Dagegen gibt es aber auch manche, welche gemeinschädlich und einer zweckmäßigen Bewirthschaftung hinderlich sind, und für solche Fälle gestatten neuere Gesetze vieler Staaten eine gezwungene Auflösung des Verhältnisses durch Ablösung (s.d.).

Bei den sämmtlichen bisher erwähnten Verpflichtungen verhielt sich der Besitzer des dienenden Grundstücks stets leidend, und es gehört zu den charakteristischen Merkmalen der Servituten, daß sie nie im Handeln bestehen können. Es gibt aber auch Verhältnisse, in welchen der Besitzer eines Grundstücks als solcher, von andern Grundstückbesitzern als solchen persönliche Leistungen und Arbeiten fodern kann, welche Dienste, Frohnen, Schaarwerk genannt werden und ein Hauptunterscheidungszeichen der meist damit belasteten Bauerngüter von andern Gütern sind. Ihren Ursprung haben sie in einer gewissen Unterthänigkeit der kleinern Grundbesitzer gegen die [567] Größern, der Bewohner der Dörfer gegen die der Rittersitze, und dies den Römern unbekannte Verhältniß kommt seit den frühesten Zeiten des Mittelalters durch ganz Deutschland vor und mag zum Theil auf Eroberung, zum Theil auf freiwilliger Unterwerfung beruhen. Aber auch der Landesherr fodert vermöge der Landeshoheit gewisse Dienste, welche man zum Unterschiede von den gewöhnlichen: Landfrohnen oder Landfolge nennt, dahin gehören die Kriegsfuhren, Burg- oder Hofdienste bei der Hofhaltung, die Wegebaudienste und die Amts- oder Gerichtsfolge zur Aufsuchung, Verhaftung und Bewachung von Verbrechern. Diesen Staatsfrohnen müssen in Collisionsfällen die Gutsfrohnen nachstehen, zu welchen man, außer den Bau- und Jagdfrohnen, die auch der Landesherr fodern kann, alle Arten von Ackerdiensten, Botenlaufen und Vorspann zählt. In der Regel können nur solche Dienste verlangt werden, die keine besondere Kunstfertigkeit voraussetzen, auch sind sie nur an Werkeltagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu leisten; ist der Verpflichtete oder Fröhner an den hergebrachten Diensttagen nicht bestellt, so können die Dienste nicht nachgefodert werden, ebenso müssen sie als gethan betrachtet werden, wenn er auf Bestellung erschienen, aber wieder entlassen worden ist. Jeder Dienst und dessen Beschaffenheit muß vom Dienstherrn erwiesen werden, und ist es zweifelhaft, wem die Dienste zustehen, so ist für den Gutsherrn zu entscheiden, da sie in der Regel als Vergütung für verliehenes Land und Gut geleistet wurden. Nach der Größe der Bauergüter sind auch die zu leistenden Dienste verschieden; so unterscheidet man zwischen Spann- und Handdiensten, welche erstere die Bauern leisten, welche Pferde besitzen und von denen die letztern Männer- oder Weiberdienste sein können; Geschirr und Arbeitsgeräthschaften müssen von den Fröhnern mitgebracht werden und sich in brauchbarem Stande befinden. Es gibt ferner ordentliche und außerordentliche Dienste, je nachdem sie alljährlich zu einer bestimmten Zeit und für gewöhnliche Bedürfnisse oder bei ungewöhnlichen Vorfällen zu leisten sind, und gemessene und ungemessene Frohnen, die durch Dienstverträge, Dienstordnungen oder Herkommen in Hinsicht auf Zeit, Ort, Zahl und Art derselben bestimmt sind oder nicht. Die ungemessenen Dienste sind aber keineswegs ohne alle Beschränkung, sondern ebenfalls an ein gewisses Herkommen gebunden, können nicht willkürlich vermehrt werden und gegen unbillige Anfoderungen tritt gerichtliche Hülfe ohne Weiteres ein; auch können sie zur Abwendung fernerer Streitigkeiten Gerichtswegen in gemessene verwandelt werden, haben aber gleichwol häufig Misbrauch veranlaßt; deshalb wurden auch in neuern Zeiten von durchgreifenden Gesetzgebungen mitunter alle ungemessenen Dienste, selbst ohne Entschädigung, aufgehoben. – Dienstgeld ist eine Vergütung an Geld, welche der Dienstpflichtige statt der Dienstleistung an den Dienstherrn bezahlt, beruht auf der freien Übereinkunft beider Theile und kann daher jederzeit einseitig wieder aufgehoben werden, wenn nicht ausdrücklich der Vertrag für unwiderruflich erklärt ist. Ganz andere Grundsätze gelten bei der in neuern Zeiten gewöhnlich gewordenen Ablösung (s.d.) der Dienste.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 567-568.
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