Hexe

[386] Hexe bezeichnet nach den abergläubischen Vorstellungen der vergangenen Jahrhunderte ein Weib, welches mit dem Teufel im Bunde steht, sodaß es von demselben Reichthümer und die Macht, auf eine übernatürliche Weise Andern Böses zuzufügen, empfängt, wogegen es sich ihm zum Dienst verpflichtet. Personen männlichen Geschlechts, welche mit dem Teufel ein ähnliches Bündniß eingegangen haben sollten, wurden Hexenmeister genannt. Man glaubte namentlich, daß die Hexen im Stande seien, Menschen und Vieh krank, Männer unfähig zur Zeugung, Weiber unfruchtbar zu machen, Ungeziefer hervorzubringen, Gewitter und Hagelwetter zu erzeugen, sich in Katzen und andere Thiere zu verwandeln und dergl. Besonders hatte man alte Weiber wegen ihres oft häßlichen Äußern und wegen ihres menschenscheuen Wesens im Verdacht der Hexerei. Rothe triefige Augen galten für ein Kennzeichen einer Hexe. Es hieß, die Hexen kämen an gewissen schauerlichen Orten, an Kreuzwegen und dergl., wo man auch sonst den Einfluß böser Geister für am mächtigsten hielt, mit dem Teufel zusammen, hätten schändlichen Umgang mit ihm, und in der Walpurgisnacht sollten sich die Hexen nackend auf Besen, Ofengabeln, Schweinen, Böcken reitend auf dem Blocksberge versammeln, um dem Teufel ein großes Huldigungsfest zu feiern, wobei derselbe persönlich gegenwärtig wäre und alle Arten von Unflätereien begangen würden. Aus Leichnamen ungetaufter Kinder, hieß es, bereiteten sie eine Hexensalbe, welche zum Ritt auf den Blocksberg geschickt machte. Der Glaube an all diesen Unsinn war so verbreitet und haftete so fest, daß viele in der That halb wahnsinnige Menschen, die wahrscheinlich auch zu Zeiten durch künstliche Mittel ihre irregeleitete Phantasie in einen Zustand heftiger Aufregung versetzten, sich einbildeten, wirklich zu erleben, womit ihr Gemüth erfüllt war und daher selbst gestanden, daß sie Hexen wären und ausführliche Beschreibungen ihres Umgangs mit den höllischen Geistern gaben. Unter diesen Umständen kann man sich nicht wundern, daß die Hexenprocesse aufkamen und eine schaudererregende Ausbreitung gewannen. Durch den Papst Innocenz VIII. wurden sie 1484 in Deutschland förmlich eingeführt und bald erschien unter dem Titel Malleus maleficarum, d.h. der Hexenhammer, ein Buch, welches das Verfahren bei diesen Processen genau ordnete. Wie man das Hexenwesen als das Abscheulichste anerkannte, so waren auch die Mittel, welche man anwendete, um die für Hexen Gehaltenen zum Geständniß zu bringen, abscheulich, um so mehr, als man glaubte, mit den verstocktesten, durch die Hülfe des Satans unterstützten Personen zu thun zu haben. Auf die nichtswürdigsten Anzeichen wurden oft diese Processe eingeleitet und durch die gräßlichsten Martern zwang man die Unglücklichen zum Geständniß alles Unsinns, den man ihnen abfragte. Starben sie unter den Qualen, dann hieß es, der Teufel habe sie erwürgt, damit sie ihn nicht verriethen, und überlebten sie die Martern ohne Geständniß, so griff man oft noch zu dem letzten Mittel der Hexenprobe, einer Art Wasserprobe. (S. Gottesgerichte.) Man hat berechnet, daß in 1100 Jahren 9,442,994 Hexen und Zauberer hingerichtet worden seien. Die gewöhnliche Art der Strafe war der Feuertod. Ist auch jene Zahl wahrscheinlich übertrieben, so muß man es doch als einen der erfreulichsten Fortschritte des Menschengeschlechts freudig anerkennen, daß man allgemein zu der Überzeugung gekommen ist, daß der Glaube an Hexerei ebenso unsinnig als irreligiös ist. Die Lehre des Christenthums ist ihm ebenso wie die gesunde Vernunft entgegen, denn das Christenthum lehrt, daß Christus die Macht des Teufels über den Menschen gebrochen habe, und die Vernunft weiß, daß das Böse niemals zu einem selbständigen Dasein gegen den göttlichen Willen, welcher das Gute ist, gelangen könne. Geistvolle und gebildete Männer traten schon im 16. Jahrh. gegen den Glauben an Hexerei kräftig auf, dennoch wurde noch 1780 zu Glarus in der katholischen Schweiz eine Hexe hingerichtet und selbst in der neuesten Zeit sind noch einzelne Fälle vorgekommen, welche leider gezeigt haben, daß noch hier und da die Volksbildung so zurück ist, daß man an die Möglichkeit von Hexerei glaubt. Wenn sogar einzelne schein. bar gebildete Männer ähnlichen Aberglauben wieder aufzufrischen gesucht haben, so kann man sie nur wegen der an Wahnsinn grenzenden Verwirrung ihres Verstandes bedauern.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 386-387.
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