Siegel

[191] Siegel sind in Metall oder Wachs, jetzt gewöhnlich in Siegellack ausgedrückte Zeichen, deren man sich theils bedient, um Gegenstände, z.B. Briefe, auf eine solche Weise zu verschließen, daß sie nicht ohne merkliche Verletzung jener Bezeichnung eröffnet werden können, theils dazu, eine urkundliche Schrift als echt zu beglaubigen. Zur Herstellung bedient man sich eingeschnittener Metallstücke oder Steine, auch Siegel oder Petschafte genannt, welche man zuweilen in Ringen, sogenannten Siegelringen, als Ringsteine anbringt. Im Mittelalter war das Siegel häufig auch in den Knopf des Schwertes oder Degens geschnitten. Die Siegel stellen das einer Familie angehörige Wappen oder den Namen des Inhabers andeutende Buchstaben, oder willkürlich gewählte symbolische Zeichen und Inschriften dar. Auf den alten Siegeln stand gewöhnlich eine den Inhaber oder dessen Würde bezeichnende Person, welche entweder zu Fuß oder zu Roß war, wonach man die Siegel selbst in sigilla pedestria und sigilla equestria unterschied. Schon in den ältesten Zeiten waren die Siegel gebräuchlich, besonders in Aufnahme kamen sie aber im Mittelalter, wo das Recht, ein Siegel zu führen, vorzugsweise den Fürsten und Herren, dem Adel, den Gemeinden, Kirchen und Klöstern zustand. Oft dienten die Siegel, um die Stelle der Unterschriften zu ersetzen, wie denn der Beschwerdeschrift, welche die böhm. Stände der Kirchenversammlung zu Konstanz übergaben, mit 350 Siegeln versehen war. An Urkunden sind die Siegel entweder untergedruckt oder mittels eines Bandes oder einer Schnur angehängt und in eine Kapsel (Bulle) geschlossen, um vor Beschädigung geschützt zu sein. Auf die Rückseite des großen Siegels wurde oft noch, um dasselbe vor Verfälschung zu bewahren, ein kleineres Siegel gedruckt, Gegensiegel, Secretsiegel genannt, und dieses kleinere Siegel wurde dann, bei minder wichtigen Sachen, auch allein angewendet. Besondere Wichtigkeit haben natürlich die Siegel regierender Fürsten, und schon im Mittelalter wurden daher die fürstlichen Siegel besondern Beamten, Siegelbewahrern, übergeben. Die Kanzler waren dann in der Regel zugleich Siegelbewahrer. So war der Kurfürst von Mainz als Erzkanzler des deutschen Reichs Verwahrer des Reichssiegels, welches, da er nicht selbst die Geschäfte als Kanzler besorgte, von ihm dem Reichsvicekanzler übergeben wurde. In England war früher das Amt des Großsiegelbewahrers gewöhnlich von dem des Lordkanzlers von England getrennt, seit der Königin Elisabeth sind jedoch beide Ämter in der Regel vereinigt. Außerdem haben aber noch das kleine königl. Siegel und das Handsiegel des Königs ihre eignen Beamten. In Frankreich führt der Justizminister den Namen eines Siegelbewahrers (Garde des sceaux). – Die Siegelkunde oder Sphragistik ist ein wichtiger Theil der Urkundenlehre oder Diplomatik (s. Diplom), indem es bei Prüfung von Urkunden namentlich auf Kenntniß der Siegel ankommt, welche zur Zeit der Ausstellung der Urkunde von den betreffenden Personen gebraucht wurden, und auf die Art, wie man damals die Siegel ausführte und anbrachte. Für die Geschichte ist die Siegelkunde auch dadurch wichtig, daß man aus den Figuren auf den Siegeln die Art der ehemals üblichen Bekleidung und Bewaffnung kennen lernt. Das älteste bekannte Siegel, welches in Lack abgedruckt wurde, ist auf einer Urkunde von 1554. – Das Siegellack ist ein Gemisch verschiedener harziger und färbender Substanzen. Zu den feinern Sorten nimmt man Gummilack, Pech und Harz und setzt, um es wohlriechend zu machen, Benzoe und Storax zu. Mit Mastix erhöht man den Glanz des Siegellacks und mit Zinnober gibt man ihm die rothe Farbe, wofür man bei den geringen Sorten wol auch rothe Erde nimmt. Unter den sogenannten Goldlack kommt gehackter Goldschaum. – Das in Kanzleien übliche Siegelwachs wird aus Wachs, Terpenthin und Baumöl zusammengekocht und durch eine Farbensubstanz beliebig gefärbt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 191.
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