Teplitz

[387] Teplitz, einer der ältesten, berühmtesten und besuchtesten Badeorte, liegt im leitmeritzer Kreise des Königreichs Böhmen am nordwestl. Fuße des Mittelgebirges, 648 F. über dem Spiegel des Meeres, sieben Meilen von Dresden, zwölf von Prag entfernt, höchst malerisch in einem von zahlreichen Dörfern, Klöstern und Kapellen belebten, ebenso reizenden als fruchtbaren Thale, zählt mit dem nahe gelegenen, gewissermaßen zu ihm gehörigen Dorfe Schönau 366 Häuser und 2235 Einw., gehört gegenwärtig dem Fürsten Clary, zeichnet sich durch gut eingerichtete Badeanstalten aus und bietet überdies den von nah und fern Zuströmenden [387] Hülfe für ihre Leiden und den nur das Vergnügen suchenden Fremden eine große Auswahl bequemer und geschmackvoll eingerichteter Wohnungen dar. Seine heißen Mineralquellen sollen nach dem böhm. Geschichtschreiber Hayek zuerst im Jahre 762 unter der Regierung des Herzogs Przemisl entdeckt worden sein, als sich eine Viehheerde des in dem benachbarten Dorfe Settenz wohnenden Ritters Kolostug in diese damals dicht bewaldete unwegsame Gegend verirrt hatte. Dieser soll schon damals behufs ihrer Benutzung ein Schloß oder Badehaus erbaut haben, an das sich später noch andere Gebäude anschlossen, woher wahrscheinlich der Name: »Warme Gasse, Tepla vlice oder Teplice« entstand. Die eigentliche Geschichte der Heilquellen von Teplitz beginnt jedoch erst mit dem Jahre 1589, in welchem von Radislaw Chynitz das große Männerbad, die zwei Weiberbäder und das Frauenzimmerbad in der Stadt erbaut wurden. Seitdem hat die Zahl der Kurgäste fortwährend zugenommen, sodaß dieselbe im J. 1808 über 6000, im J. 1820 gegen 8000 Personen betrug. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Heilquellen von Teplitz vulkanischen Ursprungs, wofür außer den zahlreichen vulkanischen Producten, die sich in der Nähe der Stadt vorfinden, und außer der unverkennbar vulkanischen Beschaffenheit des Mittelgebirges auch noch besonders der Umstand spricht, daß am 1. Nov. 1755, an demselben Tage, an welchem das Erdbeben zu Lissabon statthatte, die Hauptquelle zu Teplitz sich trübte, eine halbe Stunde lang dunkelgelb floß, dann einige Minuten hindurch ganz ausblieb, hierauf wieder mit großer Gewalt dick und gelbgefärbt hervorbrach, nach Verlauf einer halben Stunde jedoch wieder klar wurde und nur noch einen gelbrothen Niederschlag absetzte, wie er sich noch jetzt an den Abflußröhren vorfindet. Die zahlreichen Mineralquellen nun, welche in und dicht bei Teplitz aus Syenitporphyr entspringen, gehören zu den reichhaltigsten und wirksamsten alkalisch-salinischen Quellen und weichen hinsichtlich des Mischungsverhältnisses ihrer Bestandtheile nur wenig, wesentlich dagegen rücksichtlich ihrer Temperatur von einander ab. Ihr Wasser ist farblos, krystallhell, im Badebecken von meergrüner Farbe und besitzt einen schwach salzigen, etwas laugenhaften Geschmack, aber keinen Geruch, selbst nicht das des sogenannten Schwefelbades. Nach Verschiedenheit ihrer Temperatur und Lage unterscheidet man die einzelnen Quellen von Teplitz in die der Stadt, der Vorstadt und des Dorfes Schönau, von denen die der Stadt die heißesten, die der Vorstadt die am wenigsten heißen sind, die des Dorfes Schönau aber zwischen beiden in der Mitte stehen. Die in der Stadt befindlichen Quellen zerfallen wieder: 1) in die Hauptquelle oder den Ursprung, die im Behälter, wo sie entspringt, eine Temperatur von 39,5° R., an der Abflußröhre von 39,2° R., im Badebecken von 28,5° R. hat, weil sie aber bei dieser Temperatur immer noch zu heiß ist, um zum Baden benutzt zu werden, behufs ihrer Abkühlung mittels eines Schöpfrads gehoben und in Rinnen ergossen wird, und die Bäder des Stadtbadehauses, dir drei an dieses angebauten Judenbäder, die drei obrigkeitlichen Bäder, das Gürtlerbad und zum Theil das Sandbad versorgt; 2) in die Frauen- und Weiberbadquellen, von denen die Temperatur der ersten an der Zuleitungsröhre 38,5° R., im Badebecken 36° R., die der zweiten an der Zuleitungsröhre 38,75° R., im Badebecken 37,35° R. beträgt. Zu den Bädern der Vorstadt gehören: 1) die Frauenzimmerbadquelle mit einer Temperatur von 37° R. an der Zuleitungsröhre und von 33,25° R. im Badebecken, welche das Frauenzimmerbad sowie einige fürstliche Bäder im Herrnhause versorgt; 2) die das für Männer bestimmte Gemeinbad, sowie zum Theil auch das Fürstenbad mit Wasser versehende Sandbadquelle von 38,5° R. an der Zuleitungsröhre und 36° R. im Badebecken und 3) die hinter dem Herrnhause im Spitalgarten befindliche, von einem tempelartigen Gebäude umgebene Gartenquelle, welche wieder in die Trinkquelle von 21,3° R., die Augenquelle von 20,75° R. und die Badequelle von 21° R. unterschieden und, was die zuletztgenannte anlangt, zur Abkühlung der heißern Quellen benutzt wird. Die Quellen des Dorfes Schönau: 1) die Quellen des Steinbades, welches ein Gemeinbad für Männer, sowie ein anderes für Frauen enthält und eine Temperatur von 30,5° R. hat; 2) und 3) die Tempelbad- und Wiesenquelle, welche letztere eine Wärme von 25,5° R. besitzt; 4) die zu Bädern für das Militair bestimmte und deshalb Militairbad genannte Gemeinsandbadquelle von 25,5° R.; 5) die Schlangenbäder von 30–32,75° R. und 6) endlich die Schwefelbadquelle von 31–34° R. Wärme. An milden Stiftungen besitzt Teplitz zunächst die John'sche Krankenanstalt, in welcher arme Kranke ohne Unterschied des Vaterlandes und der Religion unentgeldlich verpflegt und behandelt werden, ferner das Bürgerspital, das Militairbadehaus, das fürstliche Spital, das Armeninstitut und die von den Königen von Preußen und Sachsen zur Aufnahme und Verpflegung vaterländischer Krieger bestimmten Badeanstalten. Was nun die Heilwirkungen der teplitzer Mineralquellen anlangt, so sind dieselben je nach der Anwendungsart und dem Temperaturgrade der einzelnen Quellen verschieden. Die fast alleinige Anwendungsart derselben ist die in Form von Bädern. Nur selten wird die Trinkquelle bei dem gleichzeitigen Gebrauche der Bäder zur Unterstützung der Wirkung dieser getrunken. Von den Bädern wirken nun die heißern ungemein erregend und erhitzend, die kühlern dagegen mehr beruhigend, freilich aber auch weniger durchdringend. Erstere werden darum in allen den Krankheiten empfohlen, wo durchdringend reizend auf das Nerven-, Gefäß- und Muskelsystem, sowie eingreifend auf fehlerhafte Mischungsverhältnisse der Säfte eingewirkt werden soll. Daher bei veralteten rheumatischen und gichtischen Leiden oder auch nur der Anlage zu diesen (oft unter gleichzeitigem Trinken von marlenbader Kreuzbrunnen oder der eger Salzquelle oder nach vorherigem Gebrauche von Karlsbad), bei Lähmungen, besonders der Gliedmaßen, namentlich wenn sie gichtischen oder rheumatischen Ursprungs sind, bei langwierigen Hautausschlägen, namentlich Flechten und Geschwüren derselben Natur, bei Steifigkeiten oder nach Verwundungen entstandenen Verwachsungen der Gelenke, die kühlern dagegen vorzugsweise sehr reizbaren, schwächlichen Personen unter ähnlichen Umständen, aber auch bei leichten hysterischen und krampfhaften Beschwerden, bei manchen Unregelmäßigkeiten des Monatsflusses, die Trinkquelle als gelind auflösendes, eröffnendes Mittel bei Verdauungsbeschwerden, Verschleimungen, leichten Hämorrhoidalzufällen, Hypochondrie, Schleimflüssen der Harnblase, Steinbeschwerden u.s.w.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 387-389.
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