Dubois [2]

[242] Dubois (spr dübŭá), 1) Guillaume, Kardinal und franz. Minister unter der Regentschaft, geb. 6. Sept. 1656 zu Brives-la-Gaillarde in Limousin als Sohn eines Arztes, gest. 10. Aug. 1723, kam 1669 in das Collège St.-Michel zu Paris und ward, nachdem er an verschiedenen Orten Hauslehrer gewesen und Abbé geworden, infolge seines Geistes und seiner eleganten Gelehrsamkeit Erzieher des Herzogs Philipp von Chartres, spätern Herzogs von Orléans. Der König verlieh ihm die Abtei von St.-Iust. Den Genüssen des Hoflebens gab er sich rückhaltlos hin, bewahrte indes eine große Kraft und Elastizität des Geistes und war auch auf seine Weise seinem Zögling treu ergeben. Nach Ernennung des Herzogs von Orléans zum Prinz-Regenten 1715 zum Staatsrat erhoben, brachte er 1717 das Bündnis mit England zuwege, das nach Anschluß Deutschlands (1718) und unter dem vorausgesetzten (1719 erfolgten) Beitritte Hollands den Namen Quadrupelallianz erhielt. Zum Minister des Auswärtigen erhoben, vereitelte er die Verschwörung von Cellamare und stürzte den spanischen Minister Alberoni. Dem Papst Innocenz XIII. bewies er sich so gefällig, daß er 1720 Erzbischof von Cambrai und 1721 zugleich Kardinal wurde. 1722 zum ersten Staatsminister erhoben, entwickelte er eine bedeutende Tätigkeit, benutzte aber auch seine Macht, um sich ungeheure Reichtümer zu sammeln. Die unter D.' Namen herausgegebenen »Mémoires« (Par. 1829, 4 Bde.; neue Ausg. 1857) sind unecht. Vgl. Seilhac, L 'abbé D. (Par. 1862, 2 Bde.); Aubertin in der »Revue des Deux Mondes«, 1. Mai 1872; Fontaine de Rambouillet, La Régence et le cardinal D. (Par. 1886); Wiesener, Le Régent, l'abbé D. et les Anglais (das. 1891–1900, 3 Bde.); Bliard, D., cardinal et premier ministre (das. 1900–1902, 2 Bde.).

2) Edmond Paulin, Hydrograph, geb. 12. Juli 1822 in Brest, gest. daselbst 11. Nov. 1891, besuchte die dortige Marineschule, fuhr als Marineaspirant zur See, widmete sich seit 1846 den Wissenschaften und wurde 1851 Professor der École navale seiner Vaterstadt. Er schrieb: »Cours d'astronomie« (1858; 3. Aufl., Par. 1876); »Cours de navigation et d'hydrographie« (1859, 2. Ausg. 1869); »Étude historique et philosophique sur le mouvement du globe« (1861); »Cours élémentaire d'astronomie et de navigation« (1880); »Cercle nautique« (1888); »Le surmenage intellectuel à l'École navale et l'instruction des officiers de vaisseau« (1890).

3) Paul, franz. Bildhauer, geb. 18. Juli 1829 in Nogent-sur-Seine, studierte erst die Rechte und widmete sich dann 1856–58 der Bildhauerkunst unter A. Toussaint in Paris. Hierauf ging er nach Italien, wo die Bildhauer der italienischen Frührenaissance entscheidenden Einfluß auf ihn gewannen. Seine erste von dieser naturalistischen Stilrichtung beeinflußte Schöpfung war ein kleiner Johannes (Salon von 1861, Bronzeausführung von 1864 im Luxembourg-Museum). In dem Gipsmodell eines Narcissus (Salon von 1863, Marmorausführung von 1874 im Luxembourg) neigte er sich wieder mehr der Antike zu, folgte aber mit der Statue eines florentinischen Sängers (1865, in versilberter Bronze im Luxembourg) wieder einem maßvollen und vornehmen Naturalismus. Dieselbe Tendenz zeigt sich auch in einer Madonna mit dem Kind (1867), der Statue des Gesanges (1869) an der Fassade der Neuen Oper in Paris, an einer zum Leben erwachenden Eva (1873), in zahlreichen Büsten, von denen die von P. Baudry, Bonnat, Gounod und Pasteur die geistvollsten und lebendigsten sind, und besonders in seinem Hauptwerk, dem Grabmal für den General Lamoricière in der Kathedrale zu Nantes (1879), an dem die vier den Sarkophag umgebenden Bronzefiguren, die den kriegerischen Mut und das Nachdenken, den Glauben und die christliche Liebe (s. Tafel »Bildhauerkunst XVII«, Fig. 10) versinnlichen, zu den edelsten und technisch vollendetsten Erzeugnissen der französischen Plastik gehören. Die letztere Figur ist in zahlreichen Bronzekopien kleinen Maßstabes verbreitet. Von seinen spätern Schöpfungen sind noch die Reiterstandbilder der Jeanne d'Arc für Domremy (1889) und Reims (1896, ein zweites Exemplar vor der Kirche St.-Augustin in Paris) und die Reiterstatue des Connetable von Montmorency für das Schloß Chantilly zu nennen. D. hat zweimal die Ehrenmedaille des Salons und 1878 die der Weltausstellung erhalten und ist seit 1878 Direktor der Kunstschule in Paris.

4) Louis, belg. Maler, geb. 1830 in Brüssel, gest. daselbst 28. April 1880, war ein Vertreter der naturalistischen Richtung. Seine Porträte, Landschaften, Mariuen, Genrebilder und Stilleben schließen sich in der Leuchtkraft des Kolorits an Jordaens an. Hervorzuheben sind: ein sich zum Meßopfer bereitender Priester, die Störche (Museum zu Brüssel), der Chorknabe, die Einsamkeit, die Billardspielerin, die Schelde, Herbst in den Ardennen, Kraniche u. Enten, Sonnenaufgang auf einem Sumpf, die Maas bei Dordrecht.

5) François Clément Théodore, franz. Komponist, geb. 23. Aug. 1837 in Rosnay (Marne), Schüler des Pariser Konservatoriums, wurde 1871 Professor der Harmonie und Organist an der Madeleinekirche, in der Folge Kompositionsprofessor und Mitglied der Studienkommission und 1896 Nachfolger von Ambr. Thomas als Direktor des Konservatoriums. D. genießt als Komponist in Frankreich Ansehen, erhielt für das Oratorium »Das verlorne Paradies« 1878 den Preis der Stadt Paris und brachte einige Opern zur Ausführung (»La guzla de l'Emir«, 1873; »Le pain bis«, 1879; »Aben Hamet«, 1884; »Xavière«, 1895); auch schrieb er mehrere Oratorien, Messen, Motetten und Orchesterwerke (symphonische Dichtung »Notre Dame de la mer«, 1897) sowie ein Ballett: »La Farandole«, u.a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 242.
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