Vorarlberg

[256] Vorarlberg (das Land »vor dem Arlberg«), österreich. Kronland, in administrativer Beziehung mit Tirol vereinigt (s. Karte »Tirol«), grenzt im N. an Bayern, im O. an Tirol, im S. an die Schweiz (Graubünden), im W. an das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz (St. Gallen) und hat einen Flächenraum von 2602 qkm (47,26 QM.). V. ist vorwiegend ein Gebirgsland und wird von den Algäuer Alpen mit dem Rätikon (2969 m, s. d.), den Lechtaler Alpen (Wildgrubenspitze 2756 m) und dem Bregenzer Wald (2232 m, s. d.), im südöstlichen Teile von den Rätischen (Silvretta-) Alpen mit der Fermuntgruppe und der Fervallgruppe erfüllt. Der Arlberg (1802 m) bildet die Verbindung zwischen den zu den Nördlichen Kalkalpen und den zur zentralen Gneiszone der Alpen gehörigen Gebirgsgruppen. Die größten Täler sind das Rheintal, die Täler der Ill (im obern Teil Montafon, im untern Walgau genannt), der Alfenz (Klostertal) und der Bregenzer Ache. Vom Bodensee gehören zu V. 34 qkm. Das Klima ist gemäßigt; die mittlere Jahrestemperatur beträgt zu Bregenz 8,2°. Sehr reichlich sind die Niederschläge (Bregenz 155 cm). Die Bevölkerung belief sich 1890 auf 116,073,1900 auf 129,237 Einw. (49 auf 1 qkm) und zeigt sonach eine jährliche Zunahme von 1,13 Proz.; sie verteilt sich auf 102 Gemeinden und 178 Ortschaften. Die Einwohner sind überwiegend Katholiken (1535 Protestanten, 117 Israeliten) und Deutsche (5884 Italiener). Von der Bodenfläche kommen auf Äcker nur 3 Proz., auf Wiesen 13,4, Gärten 0,4, Hutweiden 10,4, Alpen 34,8, Waldungen 25,9, auf unproduktives Land 12,1 Proz. Der Getreidebau reicht für den Bedarf nicht aus; 1906 betrug die Ernte 32,547 metr. Ztr. (hauptsächlich Mais). Außerdem baut man Hülsenfrüchte, Kartoffeln (106,980 metr. Ztr.), Futterrüben, Kraut, Kürbisse, Klee- und Grasheu und Obst (64,341 metr. Ztr.). Ein wichtiger Erwerbszweig ist die Viehzucht. 1900 wurden 3066 Pferde, 62,635 Rinder, 11,002 Ziegen, 7909 Schafe, 12,194 Schweine sowie 11,241 Bienenstöcke gezählt. Bergbau wird in V. nicht betrieben. Von Bedeutung ist dagegen die Industrie, die nach der gewerblichen Betriebszählung von 1902 in 686 Motorenbetrieben mit 18,227 Pferdekräften 10,186 Personen beschäftigte. Hiervon kamen auf die Textilindustrie (hauptsächlich Baumwollspinnerei und -Weberei, dann Stickerei) 137 Motorenbetriebe mit 7585 Personen und 11,798 Pferdekräften. Ein Teil der Bevölkerung wandert während des Sommers als Maurer, Tagelöhner etc. außer Landes. Die wichtigsten Verkehrswege sind: die Staatsbahnlinien Innsbruck-Bregenz, Feldkirch- [256] Buchs und Lautrach-St. Margarethen, dann die Bodensee-Dampfschiffahrt. An Unterrichtsanstalten besitzt das Land: 3 Gymnasien, eine Realschule, 3 Handelslehranstalten, 11 Gewerbeschulen, endlich 186 öffentliche und 15 private Volksschulen. Der Vorarlberger Landtag besteht aus dem Generalvikar in Feldkirch und 23 gewählten Abgeordneten (5 von den Städten und Industrieorten, 1 von der Handels- und Gewerbekammer in Feldkirch, 14 von den Landgemeinden, 3 von der allgemeinen Wählerklasse); er tritt in Bregenz zusammen. In den Reichsrat entsendet das Land vier Abgeordnete. V. zerfällt in drei Bezirkshauptmannschaften, nämlich:

Tabelle

Für die Rechtspflege bestehen ein Kreisgericht in Feldkirch und 6 Bezirksgerichte. In kirchlicher Beziehung gehört das Land zur Diözese des Fürstbischofs von Brixen, als dessen Stellvertreter der Generalvikar zu Feldkirch fungiert. Das Wappen zeigt nebenstehende Abbildung; Beschreibung s. die Textbeilage zu der Tafel »Österreichisch-Ungarische Länderwappen«. Landesfarben sind Rot und Weiß. –

Landeswappen von Voralberg.
Landeswappen von Voralberg.

Die römische Kultur des Landes ging in der Zeit der Völkerwanderung völlig zugrunde, bis auf Reste romanischer Bevölkerung und die vielen lokalen Bezeichnungen in romanischer Sprache. Die Neubesiedelung erfolgte durch Alemannen und Franken. Unter den Karolingern zerfiel V. in drei Teile, den Argengau, den Rheingau und Rätien. Seit 1043 nannten sich die Grafen des Rätischen Gaues nach ihrem Hauptsitz Grafen von Bregenz. Sie starben 1157 mit dem Grafen Rudolf aus; seine Erbtochter heiratete den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, dessen Sohn Hugo II. den Namen Graf Montfort annahm. Dieses Haus der Grafen von Montfort herrschte in V. bis 1400. Aber schon im letzten Viertel des 14. Jahrh. gelang es den Habsburgern, den größten Teil des Landes käuflich an sich zu bringen. Fortan hatte es seine Regierung zu Freiburg i. Br. und stand mit Tirol in keiner weitern Verbindung, bis Kaiser Joseph II. das Gebiet, aber unbeschadet seiner ständischen Verfassung, 1782 mit Tirol vereinigte. Durch den Preßburger Frieden 1805 kam es mit Nordtirol an Bayern, 1814 aber wieder an Österreich. Vgl. Bergmann, Landeskunde von V. (Innsbr. 1868) und dessen zahlreiche geschichtliche Arbeiten über V.; Werkowitsch, Das Land V. (das. 1888); Mooßmann, Geschichte Vorarlbergs (2. Aufl., das. 1874); Rapp, Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates V. (Brixen 1892 ff.); Höhl, Wanderungen durch V. (Würzb. 1880); Hörmann, Wanderungen in V. (2. Aufl., Innsbr. 1901); Heer, V. und Liechtenstein, Land und Leute (Feldkirch 1906); Reisehandbücher von Meurer, Waltenberger, in »Meyers Reisebüchern« (»Deutsche Alpen«, Bd. 1).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 256-257.
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