Barthelemy

[357] Barthelemy, 1) Jean Jacques, geb. 1716 zu Cassis bei Aubagne (Provence); studirte zu Marseille, wurde 1744. Aufseher des königlichen Münzcabinets, begleitete 1748 den Minister. Choiseul nach Rom u. durchwanderte bis 1757 ganz Italien; nach seiner Rückkehr nach Frankreich lebte er ganz den Studien. Beim Ausbruche der Revolution ward er als Aristokrat 1793 verhaftet, jedoch bald wieder in Freiheit gesetzt; er st. 1795. Er entdeckte das palmyrenische Alphabet u. schr.: Voyage du jeune Anacharsis en Grèce, Par. 1788, später 7 Bde. (deutsch von Biester, Berl. 1790–93, 7 Bde.); Amours de Carite et Polydore, Par. 1760; Oeuvres diverses, 1798, 2 Bde. (deutsch Lpz. 1799); Voyage en Italie, Par. 1802 (deutsch Mainz 1802). 2) François, Marquis de B.,[357] des Vorigen Neffe, geb. 1758 zu Aubagne, war als Secretär bei der Gesandtschaft in Schweden u. der Schweiz, wurde 1789 französischer Gesandter in England u. 1791 in der Schweiz; er schloß 1795 zu Basel im Namen Frankreichs den Frieden mit Preußen, Spanien u. Hessen; wurde dann Mitglied des Directoriums u. 1797 mit Pichegru u. Anderen nach Cayenne deportirt, entfloh aber nach England u. kehrte nach dem 18. Brumaire nach Frankreich zurück, wo er unter der Napoleonischen Regierung Senator u. Reichsgraf wurde; 1802 trug er als Sprecher der Senatsdeputation Napoleon das Consulat auf Lebenszeit an, erklärte sich aber 1814 für die Absetzung des Kaisers u. wurde von diesem 1815 aus der Pairsliste gestrichen, erhielt jedoch Rang u. Titel unter Ludwig XVIII. zurück u. trat, zum Marquis ernannt, ins Ministerium. Seit 1819, wo er vergebliche Anstrengungen machte, das Wahlrecht zu beschränken, zog er sich ins Privatleben zurück u. st. 1830. 3) August Marseille, geb. 1796 zu Marseille, kam 1822 mit Méry nach Paris, wo sich beide bald einen literarischen Ruf als Satyriker mit mehreren, durch die politischen Ereignisse hervorgerufenen Gedichten erwarben: Les Sidiennes, epitres-satyres sur le XIX. siècle; La Villéliade; Les Jésuites; Rome à Paris; La Peyronnéide; La Corbièréïde; Le congrès des ministres; Une soirée chez Peyronnet; La censure u.a.m., sämmtlich in den Jahren 1825–1828 verfaßt. 1828 erschien von ihnen ein historisches Epos: Napoléon en Egypte (deutsch von G. Schwab, Stuttg. 1829). Während Méry eine Reise nach Griechenland unternahm, ging B. nach Wien, um sein Gedicht dem Herzog von Reichstadt zu überreichen. Als ihm dies fehlschlug, rächte er sich durch das bald nachher confiscirte Gedicht: Le fils de l'homme, ou Souvenirs de Vienne, Par. 1829, deshalb traf ihn eine 3monatliche Hast u. eine Geldbuße von 10,000 Franken. An der Julirevolution nahm er mit Méry thätigen Antheil u. dichtete einen Triumphgesang, L'insurrection; La Dupinade, 1831. Seit der Julirevolution befreite sich B. von den strengen Regeln des Classicismus u. wendete sich dem Romanticismus zu. 1832 schrieb er sein XII journées de la révolution u. Le peuple-roi, ein Gedicht auf den 10. August 1792; trat 1832, wie man sagt, durch Anstellung als Director der Königlichen Druckerei, von der äußersten Linken zur ministeriellen Partei über u. schr. zu seiner Rechtfertigung das Gedicht: Ma justification. Da er aber alle Popularität verloren, auch das von ihm herausgegebene Journal Nemesis aufgehört hatte, so verließ er Paris u. machte eine Reise nach Amerika. In der Februarrevolution trat er als Republikaner auf. Er schrieb noch Revue satirique, 1838; La Bouillotte, 1839; Tauride (ein Epos auf die Krimexpedition) 1856 (deutsch, Berlin 1856). Méry, Bibliothekar in Marseille, hat noch 2 Romane geschrieben: Le bonnet vert u. L'assassinat, beide Par. 1832. Von Mérys u. B-s poetischen Werken erschien eine Gesammtausgabe: Oeuvres complètes de B. et M., Par. 1833, 6 Bde. 4) Jules B.-St. Hilaire, geb. 1805 zu Paris, Professor der Philosophie am College de France, unterzeichnete 1830 die Protestation der Journalisten gegen die Juliordonnanzen. Am 25. Febr. 1848 ernannte ihn die Provisorische Regierung zum 1. Secretär u. zum Administrator am College de France. In die Nationalversammlung vom Seine- u. Oisedepartement gewählt, ward er Mitglied der Commission des öffentlichen Unterrichts u. bald darauf Präsident dieser Commission; bei der Wahl der Executivcommission ward er ebenfalls erster Secretär, Am 23, Nov. 1848 trat er vergebens in der Nationalversammlung als öffentlicher Ankläger gegen General Cavaignac auf, weil derselbe gegen den Juniaufstand nicht ausreichende Vorsichtsmaßregeln getroffen habe u. beim Ausbruch des Aufstandes nicht energisch genug eingeschritten sei. In seinen politischen Ansichten gehörte er zum linken Centrum. Er stimmte 1851 gegen die Verfassungsrevision u. für den Quästorenantrag, u. verweigerte im Mai 1852 den Eid auf die Verfassung vom 14. Januar d.i. Er schrieb: De la logique d'Aristote, 1837, 2 Bde. (Preisschrift); De l'école d'Alexandrie, 1845; Psychologie d'Aristote; übersetzte auch die Politica des Aristoteles, 1837, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 357-358.
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