Erzĕrum

[878] Erzĕrum, 1) Paschalik im Osmanischen Asien, Theil Großarmeniens, grenzt an Iran u. das Russische Armenien, hat 1374 QM. u. ist zumeist ein Hochplateau, von 5–6000 Fuß Höhe, welches sich zwischen den beiden Quellflüssen des Euphrat, dem Kara- u. dem Murad-Su erstreckt, durchschnitten von hohen Gebirgsmassen, die zum Theil bis 15,000 Fuß ansteigend, mit ewigem Schnee bedeckt sind (Binghöl, Köschmer-, Duschik-, Mundsur-Dagh u.a.); Flüsse: Euphrat, Aras, Tschorak, einige Seen; der Boden ist nicht ganz ergiebig, das Klima ist rauh, da der Winter sehr hart ist u. oft noch im Juni Schnee fällt, der Sommer ist wiederum kurz, aber glühend heiß; die Eichenwälder liefern viele Galläpfel, die Gebirge etwas Kupfer u. Silber; Raubthiere (Löwen, Tiger, Bären, Wölfe, Luchse) sind nicht selten; Wild (Gemsen, Wildschweine, Hirsche), Gänse, Enten, Wachteln häufig; Einw.: nach Ein. nur 110,000, nach And. u. wahrscheinlicher 600,000, Osmanen, Turkmanen, Armenier, Kurden, Griechen, Juden, alle meist arm. Beschäftigung: wenig Ackerbau, zumeist Weizen u. Gerste, aber viel Viehzucht (Pferde schön, Ziegen, Schafe, Hunde). Das Paschalik ist in 9 Sandschaks od. Bezirke eingetheilt (And. geben deren 13, 12 od. 10 an). 2) Bezirk in dem Paschalik. 3) Hauptstadt des Paschaliks, liegt an der Nordseite des Plateaus in dem Thale des Kara-Su u. ist rings von hohen Bergen umgeben, ist Sitz eines Pascha, eines armenischen Patriarchen u. griechischen Bischofs; hat 24 Moscheen (die Ulajamoschee mit Raum für 8000 M.), mehreren christlichen Kirchen, Bazars, Bäder, ein Zollhaus, zum Theil steinerne Häuser (mit Dächern, die mit Rasen bedeckt sind, worauf Vieh weidet); im S. der Stadt liegt die Citadelle Isch-Kaleh, in welcher der Pascha residirt; schon von Alters her ist die Stadt mit doppelten Mauern u. Gräben umgeben u. in neuester Zeit sind noch weitere Befestigungen errichtet worden. Die Bevölkerung war in Folge der Einnahme der Stadt durch die Russen (1829) von 130,000 auf 15,000 herabgesunken, soll sich aber wieder auf 80,000 gehoben haben. Außer durch den lebhaften Handel mit eigenen Erzeugnissen: Kupfer-, Eisen- u. Stahlwaaren, bes. Trinkbecher, Lampen u. vorzügliche Säbelklingen, Maroquinwaaren, Teppiche, Seiden- u. Baumwollenzeuge, hat E. namentlich Bedeutung als Hauptort des lebhaften Transithandels zwischen Ost- u. Westasien, sowie als Hauptstapelplatz der türkischen Kriegsvorräthe in Asien. Hohe Wichtigkeit besitzt E. auch durch seine geographische Lage, da es als Knotenpunkt der 3 wichtigen Strassen von Achalzik über Ardahan, von Alexandropol über Kars u. von Eriwan über den Ararat u. Bajazet gewissermaßen der Schlüssel ist, mittelst dessen von Norden her der Weg in die reichsten türkischen Provinzen u. in das Herz Asiens geöffnet wird. In der Nähe der Berg Egerlitagh mit dem Riesengrabe des Balgam Ben Baur, schöne Gräber u. armenische Klöster. – E. ist das Arzes od. Arzen der Alten, war Hauptstadt von Großarmenien u. angeblich von einem armenischen Prinzen erbaut; es war stark befestigt u. galt als Schlüssel zu allen nördlicheren Gegenden. Nach der Zerstörung des Armenischen Reichs war E. Sitz eines der vielen armenischen Fürsten; wurde 1241 von den Mongolen erobert; kam 1472 mit Großarmenien an Persien u. 1522 an die Osmanen; 1627 empörte sich der Statthalter Abasi u. Chalil belagerte vergebens E. 70 Tage lang, erst 1628 übergab Abasi selbst E. an Chosrew; hier 11. Mai 1822 Schlacht zwischen Türken u. Persern, am 23. Juli 1823 hier Friede zwischen Türken u. Persern; am 9. Juli 1829 von den Russen unter Paskewitsch genommen; am 7. Juni 1847 hier abermaliger Friedensschluß zwischen Persien u. der Pforte.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 878.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: