Hersfeld

[292] Hersfeld, 1) sonst Reichsabtei, nachher eignes Fürstenthum, 10,2 QM.; 37,000 Ew.; dann 2) Provinz im Kurfürstenthum Hessen, seit 1821 Kreis zur Provinz Fulda gehörig; 71/2 QM., 30,000 Ew. Das Fürstenthum H. entstand aus der Benedictinerabtei; diese wurde gestiftet schon 736 von Winfried, aber erst von seinem Schüler Lullus 769 durch erlangte Dotationen zu Stande gebracht u. dem Schutze Karls des Großen übergeben. Lullus wurde auch erster Abt bis 785, den Dom baute der vierte Abt Bruno, 831. Unter dem Abt Hagano (936–959) erhielt die Abtei das Münzregal; Gozbert (970–985) gründete die (ehemals sehr berühmte) Bibliothek; unter Meginher (1036–1059) brannte der alte Dom ab, u. der neue wurde erst 1144 unter dem Abt Heinrich I. beendigt. Unter des Letzteren Vorfahren Adelmann (1124–1127) wurden durch die, den Äbten freigelassene Wahl ihrer Schirmvögte, die Grafen von Gudensberg Schirmvögte des. Hochstifts. Nach dem Aussterben der Fränkischen Kaiser, unter denen das Hochstift so herabgekommen war, daß der Abt Hartwig (1072–1088) Bettelbriefe ausschicken mußte, kam es unter den Hohenstaufen wieder sehr empor, so daß unter Sigfried (1180 bis 1200) 1190 dem Landgrafen von Thüringen die Schirmvogtei über das Hochstift entzogen u. nur noch die Advocatie gelassen wurde. Seit dem 13. Jahrh. minderte sich die Macht des Stifts wieder. Unter Abt Volpert (1493–1514) machte der Abt von Fulda einen vergeblichen Versuch, das Stift H. mit dem seinigen zu verbinden, aber hierbei wurde die Bibliothek von dem Fuldaer Kanzler um die schönsten Handschriften gebracht. Abt Hrato I. (1517–56) verlor 1544 zu Speier die reichsfürstliche Würde, doch erhielt er sie 1548 zu Augsburg zurück u. zwar den Rang nach dem Abte von Fulda. Er u. sein Nachfolger waren sehr evangelisch gesinnt, ohne die katholische Confession zu verlassen, ja Michael (1556 bis 1571) hielt sich sogar einen evangelischen Hofprediger. Nach dem Tode Joachims (1592–1606) wurde Otto, Sohn des Landgrafen Ludwig Moritz von Hessen, Coadjutor u. Administrator, u. da dieser 1617 starb, dessen Bruder Wilhelm. Vergebens versuchte der einzige katholische Domherr die Restitution der schon durch Otto gestürzten Abtei, 1648 fiel sie definitiv an Hessen u. 1651 wurde dem Lande der Titel eines Fürstenthums verliehen. Von 1807–14 war es District des westfälischen Departements Werra; 1815 wurde Frauensee an Weimar abgetreten, dann wurde es hessische Provinz u. endlich Kreis der Provinz Fulda; zu ihm gehören gegen 30,000 Ew.; 4) Hauptstadt darin an der Geiß u. Fulda, die unterhalb der Stadt die Hanne aufnimmt u. schiffbar wird; Schloß, Hospital, Waisenhaus, reformirtes Gymnasium, Handwerksschule, Tuchfabriken, Gerbereien u. Seifensiedereien; Freimaurerloge: Edler Verein; 6800 Ew. – H. entstand um die Abtei; es wurde um 1080 von den Magdeburgern u. Halberstädtern u. 1262 von dem Abt von Fulda belagert; durch kaiserliche Privilegien u. Tuchfabriken wohlhabend geworden, lehnte. sich H. gegen die Äbte auf u. schloß sich an Hessen an. 1414 kam das Öffnungs- u. 1430 das Beschirmungsrecht an Hessen. Im Bauernkrieg wurde H. von den Bauern genommen, aber vom Landgrafen wieder befreit u. die Reformation hier eingeführt; 1628 von dem Abt von Fulda genommen, aber von den Schweden wieder erobert, kam es mit der Abtei an Hessen. 1761 ließ Broglio die Stiftskirche verbrennen. 1807 wurden bei einem Tumult gegen die Franzosen mehrere italienische Soldaten verwundet u. einer getödtet, Napoleons Befehl, deshalb die Stadt an den vier Ecken anzuzünden, wurde durch den Generalgouverneur v. Lagrange dahin gemildert, daß nur vier einzelne Häuser niedergebrannt wurden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 292.
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