Pozzo di Borgo

[447] Pozzo di Borgo, Karl Andreas, Graf P. di B., geb. 8. Mai 1768 in Alala auf Corsica, aus einer adeligen Fgmilie, wurde Advocat, war beim Ausbruch der Revolution mit der Familie Bonaparte auf derselben Partei; er trat 1791 als Mitglied in die Nationalversammlung, hielt sich zu den Girondisten, wurde 1791 durch einige bei Ludwig XVl. gefundene Papiere compromittirt u. mußte fliehen Nach Corsica zurückgekehrt, trat er 1792 zu Paolis Partei u. wurde 1793 durch englischen Einfluß Präsident des Staatsraths auf Corsica. 1794 verließ er mit den Engländern Corsica u. wurde ein Gegner Bonaparte's u. der Revolution; er ging in geheimer Sendung nach Wien, machte 1799 Suwarows Feldzug gegen Frankreich mit u. trat, als der Feldzug mißlang, 1802 als Staatsrath in russische Dienste, wurde Oberst im Gefolge des Kaisers u. sollte 1803 seinen Monarchen als Commissär bei der englisch-russisch-neapolitanischen Armee in Süditalien repräsentiren, kam jedoch erst an, als das Heer sich eben auflöste; 1806 ging er in gleicher Eigenschaft zur preußischen Armee, verließ aber nach der Verbindung Rußlands mit Napoleon den russischen Dienst u. ging 1809 nach Wien, wo er viel zur Aufregung des österreichischen Cabinets u. daher zum neuen Krieg 1809 beitrug; nach dem Frieden verlangte Napoleon vergebens seine Auslieferung. P. ging nun wieder nach Constantinopel u. von hier, nachdem er eine Reise durch Asien gemacht hatte, 1810 nach England. 1812 überredete er Bernadotte zum Anschluß an die Alliirten gegen Napoleon u. ging 1813 nach Kalisch zu Kaiser Alexander, welchen er zur Fortsetzung des Kriegs aufforderte. Er begab sich nach dem Waffenstillstande in das Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden u. Anfangs 1814 nach London, um die Eifersucht Englands auf Rußland zu beschwichtigen, kehrte dann zur Armee zurück u. hatte bedeutenden Antheil an dem Entschluß der Alliirten sich kühn auf Paris zu wenden. Nach London zu Ludwig XVIIl. gesendet, bewog er diesen, Frankreich eine liberale Constitution zu geben; er wurde nun russischer außerordentlicher Commissär bei dem provisorischen Gouvernement u. später Gesandter bei der königlich französischen Regierung, 1815 war er als russischer Commissar im Hauptquartier Wellingtons u. unterzeichnete nach dem zweiten Einrücken der Alliirten in Paris den Vertrag im November. 1817 wurde er Generallieutenant, wohnte wie früher dem Wiener Congreß u. 1822 dem Congreß von Verona bei. 1825, bei der Krönung des Kaisers Nicolaus I., erhielt er den Grafentitel u. eine Dotation, wurde General der Infanterie u. Generaladjutant des Kaisers. Die Polnische Insurrection 1830 brachte ihn in Paris in große Verlegenheit, am 17. Sept. 1831 hätte der Pariser Pöbel fast sein Hotel gestürmt. Seitdem war er zwei Mal in London, um den Conferenzen über die orientalische u. belgische Frage beizuwohnen. 1834–35 wurde er wieder Gesandter in London; dann nahm er seinen Abschied u. lebte seitdem als Privatmann in Paris, wo er 15. Februar 1842 starb. Vgl. Uwarow, Stein et P. di B., Petersb. 1846.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 447.
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