Schutzgeister

[486] Schutzgeister (Schutzgötter, Dii tutelares). höhere Wesen, unter deren Leitung u. Schutz irgend Etwas gestellt ist. Nach dem Glauben der alten Ägyptier waren die S. der Menschen die Gottheiten vor Sterne (Chebs), namentlich der Dekane (s.d.), deren erste Vorsteherin die göttliche Sothis (s.d.) war. Nach der altitalischen Ansicht hatte jedes lebende Wesen seinen S. (Genius), welcher demselben das Leben gab, ihn durch das ganze Leben begleitete u. sein Thun u. Lassen bestimmte; auch jedes Volk u. jede Gemeinde od. Stadt hatte einen Genius (s.d. 1), daher suchte man bei Städtebelagerungen diesen S. durch Anrufungen, Beschwörungen u. Versprechungen zu sich zu locken, damit die Einnahme erleichtert würde. Um sich gegen diese Abwendung des Genius zu schützen, hielt man den Namen desselben geheim, u. gewöhnlich war er nur den Priestern bekannt. Auch jedes Schiff hatte seinen S., dessen Bild am Hintertheil angebracht war (s. Schiff), welchen Gebrauch schon die Phönicier hatten u. dann alle schifffahrenden Völker annahmen. Bei den Griechen galten in alter Zeit nach Hesiodos als S. der Menschen die Dämonen, d.h. die abgeschiedenen Seelen der Menschen aus dem Goldenen Zeitalter, welche in Luft gehüllt auf der Erde lebten u. auf die Thaten der Menschen achteten u. dieselben beschirmten; später, bei Sokrates u. den Platonikern, galt der S. (Dämonion) als in dem Menschen wohnend u. denselben vom Bösen abmahnend u. zum Guten ermahnend. Wo sich der Gebrauch, Städten einen S. zu geben, auch bei den Griechen findet, gehört er späterer Zeit an u. ist von den Römern entlehnt od. vielmehr nur in solchen außer-italischen Städten gewöhnlich, welche römische Gründungen waren. Nach dem Glauben der Juden hatte sowohl jeder Mensch seinen S. (Schutzengel), welcher den Menschen Gottes Willen deutete u. in dem Menschen die Rechtschaffenheit u. Buße wirkte, daher er als Bote Gottes zu den Menschen u. der Menschen zu Gott erschien; als auch jedes Volk, u. der S. Israels war Michael u. als Metatron der S. desselben bei dem Zuge durch die Wüste. In der christlichen Kirche, welche die S. seit dem 5. Jahrh. n.Chr. aus der Neuplatonischen Philosophie annahm, hat sich der Gebrauch Ländern, Städten, Corporationen, Gesellschaften, einzelnen Menschen, Wissenschaften, Künsten, Handwerken etc., S. (Schutzheilige, Schutzpatrone) beizugeben, nur bei den Römischkatholischen erhalten, z.B. die Schutzheiligen Deutschlands sind die 14 Nothhelfer, Spaniens St. Jacob, Frankreichs St. Dionysius, Neapels St. Januarius, Calabriens St. Ignatius, Mai 1ands St. Ambrosius, Venedigs St. Marcus, Palermos Sta. Rosalia, Nürnbergs St. Sebaldus etc.; der der Studenten St. Aloysius, der Chirurgie St. Cosmas u.st. Damianus, der Bauleute in England Johannes der Täufer, in Schottland seit 1738 St. Andreas, der Musik Sta. Cäcilia, der Malerei St. Lucas, der Schuster St. Crispinus, der Tichler Sta. Anna, der Schützengesellschaften St. Sebastian, der Artillerie Sta. Barbara, der Jäger St. Hubert u.st. Eusebius, der Lissaboner historischen Akademie die heilige Jungfrau; sogar die Pferde haben an den St. Kollmann u.st. Stephan S. etc. Diese Schutzheiligen erhalten Verehrung, Kapellen u. Altäre, Festtage etc. Das Schutzengelfest wurde zuerst im 16. Jahrh. in Spanien eingeführt u. wird am 1. März gefeiert; dann nahm es Frankreich an, wo es am 25. September begangen wurde; jetzt ist es auf den ersten Sonntag im September gelegt. Gewöhnlich prägten die Städte die Bilder ihrer Schutzpatrone auf ihre Münzen u. führten deren Bilder in ihren Stadtwappen u. Siegeln. Vgl. A. Macedo, De diis tutelaribus orbis christiani 1687.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 486.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: