Varnhagen von Ense

[367] Varnhagen von Ense, ein altsächsisches Rittergeschlecht, welches sich schon früher in zwei Linien theilte, von denen sich die eine nach der bei Arnsberg in Westfalen gelegenen u. in der Soester Fehde zerstörten Burg Varnhagen nannte. Diese Linie wandte sich später vorzugsweise dem gelehrten u. geistlichen Stande zu. Bes. berühmt ist; 1) Karl August Ludwig Philipp, geb. 21. Febr. 1785 in Düsseldorf, wo sein Vater praktischer Arzt war, siedelte 1794 mit diesem nach Hamburg über, studirte seit 1800 Medicin in der Pepinière zu Berlin, wendete sich aber bald der Philosophie u. alten Literatur zu, privatisirte in Hamburg, studirte seit 1806 in Halle, seit 1807 in Berlin u. seit 1808 in Tübingen, trat 1809 nach der Schlacht von Aspern in österreichische Militärdienste als Fähndrich, wurde dann bei dem Grafen Bentheim Adjutant, begleitete diesen 1810 auf Reisen, auch nach Paris u. nahm 1812 seinen Abschied; 1813 trat er als Hauptmann u. Adjutant des Generals Tettenborn in russische Dienste u. nahm an den Feldzügen in Norddeutschland u. Frankreich Theil; 1814 trat er in preußische Civildienste, begleitete den Staatskanzler Fürsten Hardenberg zum Congreß nach Wien, dann 1815 nach Paris u. wurde preußischer Ministerresident am Badischen Hofe. Hier war er bei der baierisch-badischen Frage sehr thätig, wurde 1819 abberufen u. zum Ministerresidenten in Nordamerika bestimmt, trat aber diesen Posten nicht an, sondern lebte ohne Anstellung unter dem Titel Geheimer Legationsrath in Berlin; er erhielt 1829 eine Sendung nach Kassel u. Bonn, um die Spaltung in dem kurfürstlichen Hause auszugleichen, was ihm jedoch nicht gelangter st. 10. Oct. 1858 in Berlin. Er gab mit A. von Chamisso einen Musenalmanach, Berl. 1804, heraus u. schr.: Geschichte der Hamburgischen Ereignisse, Lond. 1813; Gedichte des Feldzugs 1813, Friedrichsst. 1813; Geschichte der Kriegszüge des Generals v. Tettenborn, Stuttg. 1814; Deutsche Erzählungen, ebd. 1815; Vermischte Gedichte, ebd. 1816; Geistliche Sprüche des Angelus Silesius, Hamb. 1822, 3. A. als Angelus Silesius u. St. Martin, Berl. 1849; Goethe in den Zeugnissen der Mitlebenden, ebd. 1823; Biographische Denkmale, ebd. 1824–30, 5 Bde., 2. A. 1845 f.; Leben des Generals von Seidlitz, Beil. 1834; Zur Geschichtsschreibung u. Literatur (seine gesammelten Kritiken aus den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik), Hamb. 1833; Rahel, ein Buch des Andenkens für ihre Freunde, Berl. 1833, 3 Bde., n. A. 1834, 3 Bde.; Leben des Generals von Winterfeld, Berl. 1836; Gallerie von Bildnissen aus Nabels Umgange, Lpz. 1836, 2 Thle.; Leben der Königin Sophie Charlotte von Preußen Berl. 1837; Lebendes Feldmarschalls Grafen von Schwerin, ebd. 1841; Leben des Feldmarschalls Keith. ebd. 1844; Hans von Held, Lpz. 1845; Denkwürdigkeiten u. vermischte Schriften, ebd. 1842–59, 9 Bde. (in verschiedenen Auflagen erschienen); die beiden letzten Bände von seiner Nichte, Ludmilla Assing, herausgegeben. Das Leben Karl Müchlers, ebd. 1847; Schlichter Vortrag an die Deutschen über die Aufgabe des Tages, ebd. 1848; Leben des Grafen Bülow von Dennewitz, ebd. 1853. Nach seinem Tode erschienen: Briefe von Alexander von Humboldt an V. v, E. nebst Auszügen aus V-s Tagebüchern u. Briefen, Lpz. 1.–5. Aufl. 1860; Briefe an eine Freundin, aus den Jahren 1844–53, Hamb. 1860. Ebenso erschienen nach seinem Tode: Tagebücher von V. v. E., herausgegeben von Ludmilla Assing, Lpz. 1860, 2 Bde. 2) Rahel Antonie Friederike, geb. im Juni 1771 in Berlin, Jüdin, geborne Levin (Robert), Schwester des Dichters Ludwig Robert, wurde Christin u. vermählte sich 1814 mit dem Vorigen; sie war im Kriege 1813 sehr thätig für die Verwundeten u. gab zuerst die Idee eines Frauenvereins; gleiche Thätigkeit entwickelte sie zur Cholerazeit u. st. 7. März 1833 in Berlin. Über sie schrieb ihr Gatte, s. oben. Vgl. Z. Funck, Rahel, Geistes- u. Charaktergemälde dieser großen Frau, Bamb. 1835; Über Rahels Religiosität, Lpz. 1836; Schmidt-Weißenfels, Rahel u. ihre Zeit, ebd. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 367.
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