Quäker

Quäker

[604] Quäker, ein engl. Ausdruck, welcher Zitterer bedeutet, ist der Name der Anhänger einer um 1650 in England entstandenen und außerdem vorzüglich in Nordamerika zahlreichen Religionssekte, deren Stifter ein gewisser Georg Fox, geb. 1624, war.

In seinem 19. Jahre faßte dieser, ohne eine wissenschaftliche Bildung genossen zu haben, den Vorsatz, die Menschen auf den Weg der Tugend zurückzuführen, studirte deshalb eifrig in der Bibel und fing darüber an zu glauben, daß er gleich den Aposteln und Propheten göttliche Offenbarungen empfange. Seit 1649 begann er, diese mitzutheilen und gewann, trotz der über ihn ergehenden Verfolgungen, bald zahlreiche Anhänger. Mehrmals eingekerkert, eine Zeit lang ins Irrenhaus gebracht und dann gepeitscht, hielt er fest an seinen Meinungen, zu denen sich bei seinem 1690 erfolgten Tode schon eine Anzahl Gemeinden bekannten. Die ersten bildeten sich in Wales und der Grafschaft Leicester, der Heimat von Fox, und 1654 entstand eine zu London. Die Benennung Quäker wird ursprünglich im spöttischen Sinne davon hergeleitet, daß sie in der ersten Zeit die bei ihren Andachtsübungen gehaltenen und von innerer Begeisterung eingegebenen Reden mit Zuckungen begleiteten, oder weil Fox vor Gericht einst in die Worte ausgebrochen sein soll: »Zittert vor dem Worte des Herrn!« Erst nachdem mehre Gelehrte von Ruf der neuen Sekte sich angeschlossen hatten, wurden die unklaren Ideen und verworrenen Ansichten ihres Stifters wissenschaftlich geordnet und die Verbreitung derselben durch das große Ansehen wesentlich befördert, in welchem z.B. William Penn (s.d.), welcher für die Quäker eine Freistätte in Amerika gründete, sowie Robert Barclay, geb. 1648, standen. Letzterer war aus Schottland, wurde in Paris erzogen und war zur Annahme des katholischen Glaubens verleitet worden, weshalb er von seinen Ältern zurückgerufen wurde und sich nun nach dem Vorgange seines Vaters den Quäkern anschloß, deren Glaubensmeinungen er gleich geschickt darstellte und vertheidigte, auch mit Penn zu ihrer Verbreitung Reisen nach Holland und Deutschland unternahm und 1690 starb. Die Quäker selbst nennen sich die christliche Gesellschaft der Freunde, weil gleiche Gesinnung und Freundschaft die ersten Anhänger ihres Stifters zu besondern Gemeinden verband, und nehmen an, daß Jedem, der den h. Geist sucht, außerordentliche göttliche Offenbarungen zu Theil werden, wozu die Fähigkeit jedem Menschen angeboren sei, was sie den innern Christus, das innere Licht nennen und solche Eingebungen über die Bibel stellen, welche sie als unvollständig und keineswegs für die neuere Zeit durchgängig anwendbar betrachten. In der Erlösung sehen sie eine geistige Thatsache, welche sich in jedem Menschen wiederholen muß, wenn er selig werden soll, und die Sacramente gelten ihnen auch blos für innere, geistige Handlungen, daher sie weder Taufe noch Abendmahl, sowie überhaupt keine äußern bestimmten kirchlichen Gebräuche begehen. Sie versammeln sich schweigend in ihren Bethäusern oder Sälen, die jeden Schmuckes entbehren und weder Kanzel noch Altar oder Statuen und Bilder enthalten. Kein Gesang, keine Musik, keine Glocke ertönt hier, sondern es harren alle Anwesende mit bedecktem Haupte, ob der Geist Jemand unter ihnen, gleichviel ob Mann oder Weib, zum Reden weckt, dessen Vortrag oder Gebet dann Alle stehend, die Männer mit entblößtem Haupte, anhören. Fühlen mehre den Drang zum Reden, so sprechen sie nacheinander, doch trennt sich auch die Versammlung nach mehren Stunden schweigsamer Betrachtung, ohne daß Jemand ein Wort gesprochen. Pfarrer und einen geistlichen Stand gibt es daher unter ihnen nicht, und erst in neuerer Zeit sind hin und wieder besonders befähigte Redner zu Dienern der Gemeinden ernannt und beauftragt worden, zu predigen, jedoch ohne dafür eine Besoldung zu erhalten oder dadurch der Jedem zustehenden Freiheit, zu reden, Eintrag zu thun. Die eigenthümliche Strenge ihrer Moral erlaubt ihnen keine Theilnahme an weltlichen und öffentlichen Vergnügungen, sie dürfen keinen Eid leisten, keine Kriegsdienste leisten, wovon jedoch eine in Nordamerika zur Zeit des Freiheitskrieges entstandene, besondere Sekte abging, welche davon die der fechtenden oder freien[604] Quäker heißt. Selbst die Leistung von Kriegssteuern, der Handel mit Luxus- und Kriegsbedürfnissen gilt für unerlaubt und die. Ausübung und Beförderung der schönen Künste wird mindestens für gefährlich angesehen. Im Äußern schon kündigt den Quäker seine vorschriftmäßige und auf das Nothwendige beschränkte Kleidung an, welche für die Männer dunkelfarbige Röcke mit einer Reihe Knöpfe und breitkrämpige Hüte, für die Frauen grüne Schürzen und eine schwarze Kopfbedeckung verlangt. Nach den Worten der Schrift: »Achte nicht das Ansehen der Person«, halten sie sich von der Beobachtung der üblichen unterscheidenden Höflichkeitsformeln entbunden, nennen Jedermann du und nehmen vor Niemand den Hut ab. Monatlich einmal versammelt sich jede Gemeinde wegen Verwaltung ihrer Schul- und Wohlthätigkeitsanstalten, um über Aufnahme neuer Mitglieder, Tadel und Bestrafung Derjenigen, welche sich vergangen haben, über die Erlaubniß zu Heirathen, welche einfach durch ein vor den Ältesten gegebenes Eheversprechen geschlossen werden, über die Wahl der weder besoldeten noch durch Vorrechte ausgezeichneten Beamten und der Abgeordneten zu den vierteljährlichen Versammlungen aller Gemeinden eines Bezirks zu berathen. Diese haben über die ersten, sowie die jährlichen Versammlungen in jeder der sieben Provinzen, in welche die ganze Religionsgesellschaft sich theilt, über alle Gemeinden einer Provinz hinsichtlich Verfassung und Sitte die höchste gesetzgebende Gewalt, beaufsichtigen die Kassen der Gemeinde, aus denen von freiwilligen Beisteuern die Kosten für Bethäuser, Schulen und milde Anstalten bestritten werden, und unterhalten zugleich mittels gegenseitiger Mittheilung und Unterstützung den Zusammenhang der ganzen Sekte. In England gibt es jetzt über 60,000 Quäker, welche in London allein 32 Bethäuser haben, in Nordamerika über 300,000, außerdem Quäkergemeinden in den Niederlanden, in den norweg. Handelsstädten und eine in Deutschland seit 1786 in Friedensthal bei Pyrmont. Wo sie geduldet sind, genießen sie auch völlige Glaubensfreiheit und ihr Versprechen gilt vor Gericht an Eidesstatt, für die verweigerten Militairdienste aber zahlen sie gewisse Abgaben. Die sittliche Würde des Charakters der Quäker, ihr Fleiß und ihre Ordnungsliebe, die Einfachheit der Lebensweise und häusliche Tugenden, welche ihnen fast durchgängig eigen sind, verdienen gewiß hohe Achtung, und von ihnen vorzüglich wurde in einem Theile der Vereinigten Staaten von Nordamerika die Aufhebung des Negerhandels und die Befreiung der Neger betrieben. Die meisten betreiben Gewerbe und Handel, und die Wissenschaften im strengern Sinne, die Medicin ausgenommen, genießen wenig Aufmunterung. In neuerer Zeit gehen jedoch viele, und besonders wohlhabende, von der alten Strenge ihrer Grundsätze ab und nähern sich dem geselligen und öffentlichen Leben. Sie werden aber in Folge dessen von den monatlichen Versammlungen der Gemeinde ausgeschlossen und nasse Quäker genannt, während die streng an ihren Satzungen haltenden trockne heißen. Verschieden von ihnen ist die Sekte der sogenannten Schütter-Quäker (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 604-605.
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