Zweite Abtheilung

Mythen-Märchen


In vielen lappländischen Märchen treten übernatürliche Wesen auf, welche zum Theile noch recht frische, daher sehr interessante Reminiscenzen an den alten heidnischen Glauben der Lappländer bilden. Es dürfte daher nicht überflüssig erscheinen, den Mythen-Märchen einen ganz kurzen Ueberblick über die lappischen Götter, Halbgötter und übernatürlichen Wesen und Mächte vorauszuschicken. Die Hauptquellen für die lappische Mythologie (denen ich hiebei folge) sind: J.A. Friis, »Lappisk Mythologie« (Christiania 1871) und Gustav v. Düben, »Om Lappland och Lapparne« (Stockholm 1873), Capitel 9, S. 214–246.

Der ursprüngliche heidnische Glaube der Lappen hat sich nicht lange in seiner Reinheit bewahrt, sondern ist vielfach von nordisch-germanischen und später von christlichen Mythen und Vorstellungen beeinflußt worden; gar Manches davon ist auch von den Finnen und anderen verwandten Völkern entlehnt und dieses zumeist so innig mit den eigenen religiösen Vorstellungen der Lappen verschmolzen, daß es bei der Darstellung der lappischen Mythologie oft schwer wird, das Fremde von dem Indigenen zu scheiden.

Nach der Vorstellung der Lappländer war das ganze Universum mit göttlichen Wesen erfüllt. Ueber dem Himmel, im Himmel, unter dem Himmel, auf dem Monde und auf den Sternen, auf der Erde und unter der Erde befanden sich Götter und Göttinnen; ja jeder Berg, jeder Wald, jeder See, jeder Bach, jede Quelle hatte nach der Vorstellung der Lappländer[27] einen unsichtbaren Schutzgeist (Halde, finnisch Haltia). Ein großer Theil der lappischen und finnischen Götter waren sogenannte Elementargötter oder Götter für einzelne Naturkräfte. Die tägliche Erfahrung lehrte sie, daß in der Natur vieles vorging, was nicht von ihrem Willen abhing, sondern im Gegentheile oft gegen ihre Wünsche ausfiel. Die schäumenden Wogen des Meeres, die verzehrende Flamme des Feuers, die Erde mit ihren hohen Bergen, ihren dunklen Wäldern und wilden Thieren; all' dies und unzählige andere Gegenstände zeigten dem rohen Naturmenschen ihre Ueberlegenheit und mahnten ihn mit mächtiger Stimme, niederzufallen und anzubeten. Allmählich erweitert sich die Vorstellung von dem Göttlichen und die Anzahl der Gegenstände, die angebetet werden, kann auf dem gewöhnlichen Entwicklungswege der Naturreligion leicht eine unendliche werden, wie dies bei den Grönländern der Fall gewesen zu sein scheint, welche in diesem Glauben an die Beseeltheit aller Dinge so weit gingen, daß sie meinten, selbst die allerunbedeutendsten Theile der sichtbaren Welt: ein Boot, ein Pfeil, ein Löffel, eine Schuhsohle hätten ihren »Inua« oder einen innewohnenden Geist, der Einfluß auf das Wohl und Wehe des Menschen ausüben könne oder der bei des Menschen Thun und Lassen nicht ganz außer Betracht gelassen werden dürfe (Friis).

Die lappischen Gottheiten waren ursprünglich sämmtlich gute und man opferte ihnen anfangs auch nur aus Furcht vor ihrem möglichen Zorne; die Vorstellung von bösen Geistern und Trollen ist erst später durch die engere Berührung mit den übrigen nordischen Völkerschaften eingepflanzt und gepflegt worden.

Die Gottheiten der Lappländer lassen sich am besten in vier Classen eintheilen, und zwar:

1. Ueberhimmlische Götter,

2. Götter des Himmels und der Luft,

3. Irdische Götter,

4. Unterirdische Götter.[28]

Die überhimmlischen Götter »leben zu alleroberst oben im Sternenhimmel«. Der höchste und größte derselben war ursprünglich Jubmel (d.h. Himmel), an dessen Stelle aber später Radien (d.h. Gewalt, Macht) gesetzt wurde, welcher, wie Jubmel, als Gott im Allgemeinen aufgefaßt, doch oft auch als Radien Attje (attje = Vater), der allgewaltige Beherrscher der Welt, und als Radien Kiedde (kiedde oder kidda = Frühling, Zeugungskraft), des Ersteren Sohn, der Alles leitet und ausführt, unterschieden wurde. Radien hatte auch eine Frau, Radien akka, d.h. Radiens Frau (akka = Frau) oder auch Tjårve (d.h. Horn), Radien genannt, welche die Fortpflanzung der Renthiere beschützte. Radien-Attje erschafft nichts selbst, sondern wirkt auf seinen Sohn ein, daß dieser Alles hervorbringe; vgl. unten. Die ganze Götterfamilie Radien erweist sich indessen nach Friis u.A. nicht als ursprünglich lappisch, sondern ist erst in die lappische Götterlehre aufgenommen worden, als das Volk schon ziemlich genauen Bescheid über die christliche Lehre von Gott-Vaters Verhältniß zu Gottes Sohn erhalten hatte.

Es folgen die Götter des Himmels und der Luft; unter diesen nimmt Beive oder Peive (finnisch: Päivä), d.h. die Sonne, den ersten Rang ein. Die Sonne wurde von den Lappen seit uralter Zeit verehrt als göttliche Macht, welche die Erde erleuchtet und erwärmt und das Gras für die Renthiere wachsen läßt. Eigentlich galt jedoch nicht die Sonne selbst für diejenige, welche das Gras wachsen ließ, sondern Sola-neita d.h. die Tochter der Sonne, durch welche auch Frost und Schneefall aufhörten. Die Tochter der Sonne, von der ein großer Gesang oder vielmehr eine Serie von Sagen allegorischen und mythischen Inhalts handelt, heirathete einen Mann Namens Njavvis und tritt deshalb in der Sage und im Märchen gewöhnlich unter dem Namen Njavvis-ene (oder N.-edne), d.h. Frau des Njavvis auf. Sie wird im Märchen stets als ein sehr gutmüthiges, aber auch einfältiges Wesen dargestellt, das sich[29] von Attjis-ene (vgl. unten) leicht zum Besten halten läßt. Beive hatte auch einen Sohn, Beive-bardne, von dessen Freierfahrt das einzige größere epische Gedicht lappischen Ursprungs, das noch ganz erhalten ist, handelt. Von zwei »Schwestern der Sonne« (Beiveoabak), nämlich der Morgenröthe und der Abendröthe erzählt ein Märchen. Die Familienmitglieder der Sonne scheinen übrigens, mit Ausnahme von Sola-neita, nur als Halbgötter oder Heroen betrachtet worden zu sein, die ihren Aufenthaltsort auf der Erde hatten. Auch ein irdisches Geschlecht leitete ja seine Abkunft von Beive ab, nämlich eine große Familie von Torneå Lappmark, das Beive-Geschlecht.

Gegenstand der Verehrung war bei den Lappländern auch der Mond (Manno) und einige Sterne (Nastek); Manno hatte eine Tochter, welche an Attjis verheirathet war und als Attjis-ene (oder A.-edne), d.h. Frau des Attjis, noch in den Märchen auftritt, wo sie als ein boshaftes, schlaues Trollweib erscheint, das durch allerlei List sich an die Stelle anderer Frauen zu setzen sucht und in jeder Beziehung der finnischen Syöjäter (d.h. Fresserin) entspricht. Beive und Manno werden auch als Ehepaar (!) oder die Sonne als Feindin des Mondes dargestellt.

Zu den Göttern des Himmels und der Luft werden ferner die drei sogenannten Ailekes oder Ailekes-olmak d.h. Heilige-Tage-Männer gezählt, nämlich der Ailekes olmai, der Sonntagsmann; Nubbe (d.h. der zweite) Ailekes, der Samstagsmann und Gulman (d.i. goalmad, der dritte) Ailekes, der Freitagsmann. Sie wurden als Untergötter angesehen, die geschaffen waren, den Lappen stets bei der Hand zu sein und ihre Gebete den großen Göttern zu überbringen. Man rief sie besonders an den ihnen geweihten Tagen an. Wie schon der Name Ailekes zu erkennen gibt, der unzweifelhaft identisch ist mit dem altnordischen heilagr (vgl. Thomsen, Ueber den Einfluß der germanischen Sprachen auf die finnisch-lappischen. Halle, 1870. S. 49,[30] 57, 63, 69, 75 und 129), sind diese göttlichen Wesen nicht lappischen Ursprungs, sondern dem katholischen Heiligencultus entlehnt.

Die irdischen oder unterhimmlischen Götter leben theils in der Luft, und zwar entweder in der obersten, in der mittleren oder in der untersten Region, theils auf der Erde.

Die oberste Luftschichte, gleich unter dem Himmel, bewohnt allein Mader-attje (von mad, madar = Herkunft und attje = Vater). Radien-kidda erhielt von Radien-attje die Macht und Gnade, Seelen und Geister zu erschaffen. Sowie er eine Seele erschaffen hat, schickt er sie Mader-attje, der seinen zu diesem Zwecke eingerichteten Bauch öffnet, die Seele in denselben hineingibt und um die Sonne herum zu seiner Frau Mader-akka, die in der mittleren Region wohnt, reist. Diese empfängt nun die Seele von ihm, nimmt sie in sich auf und schafft um dieselbe einen Körper. Soll nun aus diesem Körper ein Knabe werden, so schickt Maderakka denselben weiter an die Uks-oder Juks-akka (uks oder juks = Thür); soll aus dem Körper ein Mädchen werden, so wird er der Sar-akka (von saret = schaffen, formen) übergeben, damit sie demselben die weibliche Natur verleihe. Hierauf nimmt Maderakka das Kind neuerdings in ihren Leib, um ihm eine vollkommene Ausbildung zu geben und erst dann, wenn dies geschehen, überbringt sie es dem Weibe, welches dasselbe gebären soll. Die Lappen glaubten, daß auch die Renthiere und andere Thiere auf gleiche Weise geschaffen würden, schrieben daher diesen drei Göttinnen die Fürsorge um alle Fruchtbarkeit bei Menschen und Thieren zu und verehrten dieselben, besonders aber Sarakka, in hohem Grade.

Nach einer anderen Version erscheint Maderakka als die Mutter von Sarakka, Juksakka und Uksakka (die beiden letzteren werden also nicht als identisch angesehen und Juks in Juks-akka ist als juoks = ein Bogen aufzufassen), und Sarakka ist es, welche eigentlich dem Kinde im Mutterleibe den Körper, das Aussehen, die leiblichen Vorzüge und Gebrechen gibt – daher man auch[31] die Redensart gebrauchte: Nuft lae Sarakka muo sarram! d.h. Sarakka hat mich so geschaffen! – und auch die Geburtsschmerzen ebenso fühlt, wie die eigentliche Mutter. Juksakka schafft eine weibliche Frucht in eine männliche um und Uksakka empfängt die Kinder, wenn sie geboren sind, um sie vor Stoß und Fall zu bewahren. Am meisten wurde von diesen »Frauen« oder »Akak«, wie schon oben bemerkt, Sarakka verehrt, und zwar besonders von dem weiblichen Geschlechte. Man glaubte, daß sie sich gewöhnlich bei der Feuerstätte in der Hütte aufhalte. »Diese Gottheit,« schreibt Jessen, »hatten die Lappen beständig im Munde und im Herzen. An sie richteten sie ihre Gebete, zu ihr flehten sie in allen ihren Geschäften und Angelegenheiten und sie betrachteten sie als ihren Trost und ihre Zuflucht ... Was sie auch aßen und tranken, ihrer erinnerte man sich stets ... Besonders aber wurde sie von schwangeren und in Kindesnöthen liegenden Frauen angerufen. Diese tranken ›Sarakkawein‹, wenn die Stunde der Niederkunft nahte, und waren sie erlöst, so aßen sie mit den anwesenden Weibern ›Sarakkabrei1 und veranstalteten hierauf zu Ehren Sarakka's ein Gastgebot.« Sonst bestanden die Opfer, die Sarakka dargebracht wurden, in Hähnen, Hühnern, Renthierkälbern und Hunden (letztere weiblichen Geschlechtes). – Während die meisten übrigen Götter den Lappen selbst heute nicht einmal mehr dem Namen nach in Erinnerung geblieben sind, spielt Sarakka unter dem Namen Gieddagäts-galgjo oder Gieddagäts-akka noch eine wichtige Rolle in den lappländischen Märchen, in denen sie als ein sehr altes, kluges, dabei immer wohlwollendes Weib dargestellt wird, das Alles weiß, was auf der Erde vergeht, und in Bedrängnissen mit Rath und Hilfe beisteht. Sie hält sich jedoch nicht mehr wie früher bei der[32] Feuerstätte auf, sondern an »giedda-gätje«, d.h. an der Grenze des bewohnten Landes, daher der Name »Gieddagäts-galgjo«. Sie spielt ganz dieselbe Rolle in den lappländischen Märchen, wie Leskiakka (d.h. Witwen-Hausfrau) in den finnischen. Gleich dieser war auch sie einmal verheirathet, lebte aber nach dem Tode ihres Mannes ganz allein und abgeschieden. v. Düben bezweifelt die Identität von Gieddegäts-galgjo und Sarakka (Friis nennt dafür in »Lappiske Evertyr og Folkesagn«, S. 14 – abweichend von »Lappisk Mythologi«, S. 93 – Maderakka) und hält die erstere für eine »von den nordischen Nachbarn geholte Fee«.

An Uksakka (das Thürweib) erinnert noch die abergläubische Redensart: Uksakka bläst das Licht aus.

In der mittleren Luftschicht wohnt auch Horagalles, welcher nicht allein über Donner und Blitz, sondern auch über den Regenbogen, über Wind und Wetter, über das Meer und die Gewässer, sowie über des Menschen Wohl und Wehe, Leben und Gesundheit herrscht. Ihm durfte kein weibliches oder verschnittenes männliches Thier geopfert werden. Das Urbild von Horagalles ist – leicht erkenntlich – der nordische Thor.

Hieher gehören ferner: der Jagdgott Laeibolmai, der über alle wilden Thiere des Waldes herrschte und unter dessen Schutz ganz besonders der König des Waldes, der Bär, stand, der nicht nur den Lappen, sondern den meisten mit ihnen verwandten Völkerschaften für ein heiliges Thier galt; die Göttin der Zugvögel, Barbmo-akka, und die sogenannten »Großjunker« oder »Statthalter Gottes«, Steingötzen, die im Gebirge oder am Meere gefunden werden und in ihrer Gestalt entweder dem Menschen oder einem Thiere ähnlich sind. Diesen Großjunkern schreiben die Lappländer Macht zu über alle Thiere, als: Bären, Wölfe, Füchse, Ottern, Renthiere, Fische und Vögel; sie waren die Gottheiten der Jagd und des Thierfanges. Fast identisch mit den Großjunkern sind die Seiteh (Sing. Seite), große Steine,[33] aber auch Baumstämme und Baumstümpfe, welche als Götzen verehrt wurden, besonders wenn dieselben eine menschen- oder thierähnliche Gestalt oder sonst etwas Besonderes an sich hatten. »Wenn der Lappe auf seinen einsamen Wanderungen auf einen Fels oder einen Stein von ungewöhnlicher Beschaffenheit stieß, wurde seine lebendige Einbildungskraft sogleich beeinflußt. Er konnte nicht annehmen oder verstand nicht, daß eine solche, bisweilen beinahe menschenähnliche Form durch gewöhnliche Naturkräfte, z.B. durch Verwitterung, gebildet sei; sondern er glaubte, daß dieselbe durch die Einwirkung übernatürlicher Wesen entstanden und ein Zeichen sei, daß die eine oder andere Gottheit im Himmel, auf der Erde oder unter der Erde sich hier vorzugsweise aufhalte und hier durch den betreffenden Naturgegenstand mit Opfern verehrt zu werden wünsche«. Einen Ort von solcher Beschaffenheit nannten die Lappen ein » Passe«, d.h. einen heiligen Ort, und hier opferten sie auch der Gottheit, zu der es sie zunächst am meisten drängte oder von der sie zunächst Grund hatten, zu glauben, daß sie diese Stätte zu ihrem Aufenthaltsort gewählt habe. Der Anlaß, daß ein Ort für ein Passe angesehen wurde, konnte auch wohl sein, daß es wegen irgend eines Naturhindernisses, z.B. eines Wasserfalles, eines Gletschers u. dgl. schwierig war, denselben mit der Renthierherde zu passiren, oder daß sich dort Unglücksfälle ereignet hatten. Ein solches Passe konnte mehr oder weniger bekannt und anerkannt, für mehrere Familien oder ganze Districte gemeinsam sein oder auch nur einer Familie allein gehören. Während also das Passe in der Regel nur eine heilige Stätte bezeichnet, sind die Seiteh die eigentlichen Götzen, die oft erst an einen solchen Platz geschafft wurden.

Die unterirdischen Götter oder Mächte wohnen theils nahe der Oberfläche, theils tief im Innern der Erde. Dicht an der Erdoberfläche, im Saivo (Plur. Saivok) oder Saiv-aimo (saiv = heilig, aimo = Heim), hielten sich die Saivo-olmak (d.h. die Saivo-Leute) auf, welche ich zwar mit v. Düben nicht[34] eigentlich für Götter ansehe, wie z.B. Castrén (Nordiska resor och forskningar, III. Band, Helsingfors 1870, S. 142–143) dies thut, die aber im alten religiösen Glauben der Lappländer doch eine wichtige Rolle spielten. Die Saivo-olmak sind nach v. Düben nichts anderes als die glücklich verstorbenen, durch den Tod vervollkommneten Vorfahren, welche ihre Nachkommen beschützten und dieselben beeinflußten; sie wohnten jedoch nicht wie die Einherjer der Valhöll an einem einzigen, Allen gemeinsamen Orte, sondern jeder an seiner besonderen ausgezeichneten Stätte in der Gegend, wo er gelebt und gewirkt, auf dem Landstück, das er besessen hatte; jedoch auch sie befanden sich, gleich den Einherjern, in einem vollkommeneren und glücklicheren Zustande als da sie lebten. Es gab aber im Saivo nicht nur Saivo-olmak (Saivo-Leute), sondern auch alle Arten von Thieren, welche auf der Erde lebten; dieselben waren, wie Alles im Saivo, von ausgezeichneter Beschaffenheit, so besonders drei Thiere, nämlich: ein Vogel = saivo-lådde, ein Fisch oder Wurm = saivo-quele oder gärmats (schwed.-lapp. kärbma) und ein Renthier = saivo-sarva; alle drei zusammen werden saivo-vuoigenes (Saivo-Geister) oder saivo-gadze (Saivo-Gefolge, Gesellschaft) genannt. Diese Thiere waren von verschiedenen Gestalten und Farben und erwiesen verschiedene Dienste auch den Menschen, welche einen Saivo-olmai zum Schutzgeiste hatten. –

Im Innern der Erde hatte sein Heim: Rutu; von ihm rührte alles Böse, besonders auch Krankheiten her; er ist das vornehmste böse Wesen, an das die Lappländer glaubten; sein Wohnort ist Rut-aimo = das Heim der Pest, die Hölle. Außer Rutu nennt die lappische Mythologie noch andere böse Geister, als: Fudno in Fudnos-aimo (dem schlechten Heim) und Mubben in Mubben-aimo (der zweiten Welt). Das Reich des Todes heißt allgemein Jabmek-aimo; die Herrschaft über dasselbe führt Rutu in Gemeinschaft mit seinem Weibe Jabmi-akka, Mutter des Todes.[35]

Wie schon oben erwähnt, sind böse Geister und Mächte dem älteren Götterglauben der Lappen fremd und die genannten Wesen daher erst später demselben einverleibt worden.

Von anderen unterirdischen Wesen, die sich weder unter die Salvo-almak, noch unter die bösen Mächte einreihen lassen, seien noch genannt:

Die Gufitarak (Sing. Gufitar), Unterirdische oder Wesen, die unter der Erde, auf einem ganz flachen Lande oder im Meere, d.h. auf dem Meeresgrunde lebten; im letzteren Falle wurden sie Tjatse-olmak oder -haldek, Wasserleute, Wassergötter genannt. Sie treten oft unter den Menschen auf und spielen eine Rolle in den Märchen.

Eine andere Art unterirdischer Wesen, die sich bisweilen den Menschen zeigen, sind die Kadnihak; sie haben langes Haar, das bis zur Taille reicht und grünem Lein ähnlich ist, und tragen rothe Gewänder. Gleich den Menschen besitzen auch sie Renthiere, Hunde u.s.w. Ihre Sprache, ihr Gesang und ihre Tracht ist lappisch.

Eine interessante Gestalt des Volksglaubens, die in den Märchen und Sagen aus Schwedisch-Lappland häufig eine Rolle spielt, ist Vitra oder Vittra, ein weiblicher Berg- und Wassergeist, über den die betreffenden Märchen und Sagen selbst näheren Aufschluß geben.

Wesen, die keine »richtigen Menschen« – »Albma-olbmuk« –, sondern von irgendwo aus der Unterwelt, dem Meeresgrunde u. dgl. waren, nannte man allgemein Ulta-Leute.

Dem Volksglauben der Lappländer sind auch Gespenster sowie sonstige über- oder unnatürliche Wesen anderer Völker bekannt; so haben sie auch längst ihre Trollweiber oder Hexen, ihre Riesen u. dgl. Sie besitzen insbesondere viele Erzählungen von einem furchtbar großen Ungeheuer in Menschengestalt, welches sie Jetanas oder Jetanis nennen. Der Schilderung nach ist[36] es eins mit dem skandinavischen »Jaette« oder Riese und dem finnischen »Jatoni« (oder in der Mythologie »Kalevan pojat«). Ein lappischer Jetanas war so viel größer als ein gewöhnlicher Mensch, daß er mit Leichtigkeit einen Lappen zwischen die Finger nehmen und in die Westentasche stecken konnte; ja, eine Kalevatochter nahm sogar einen Bauer zugleich mit seinem Pferde und Pflug in die Schürze, trug sie zu ihrer Mutter und fragte: »Was ist das für ein Käfer, den ich da draußen auf dem Felde fand, wie er in der Erde wühlte?« (Vgl. Grimm D.M. 505 ff.) Wie im südlichen Skandinavien, so zeigt man auch in Lappmarken ungeheuer große Steine, die durch Riesen von weit entfernten Bergen sollen herabgeschleudert worden sein. In Torneå Lappmark haben mehrere Stellen noch ihren Jetanisnamen behalten; so findet man dort ein Jetanis-tschielgge (Riesenrücken), Jetanisjänkä (Riesenmoor) u.s.w. Ungefähr eine Meile nördlich von Karasuando befindet sich eine große Felsenplatte, die weit in den Fluß hineingeht und wie eine steinerne Brücke aussieht. Diese Platte soll von einem Riesen, der sich eine Brücke über den Fluß machen wollte, dahin gelegt sein und daher hat auch jene Stelle ihren Namen Jatuni-niva (Riesenstrom) erhalten. Die sogenannten Riesentöpfe (Jaettegryder), kleinere oder größere vom Wasser gebildete Löcher in den Bergfelsen, finden sich auch in Lappmarken. In Betreff dieser glaubt man aber nicht, daß sie von Riesen herrühren oder von ihnen benützt wurden. Man nennt sie Kadnika basatam garre (der Unterirdischen oder Bergweiber Waschfässer).


Ueber Stalo soll später ausführlich gehandelt werden.


Gleich den Norwegern und Schweden haben die Lappen und Finnen endlich auch Erzählungen von einem Wesen, das jene Trynetyrk oder Hundetyrk (Rüssel- oder Hundetürk), die Lappen aber Baednag-njudne, Hundenase, die Finnen Koiran-kuona-lainen nennen, was dieselbe Bedeutung hat. Diese Ungeheuer[37] waren Menschen, deren Nase wie eine Hundsschnauze geformt war, so daß sie wie der Hund auf weite Entfernung Menschen wittern und ihrer Spur folgen konnten. Sie waren nicht nur schrecklich groß und häßlich, sondern hatten auch nur ein Auge, das mitten auf der Stirne saß. Baednag-njudne aß Menschen und es war daher sehr gefährlich, mit ihm in Berührung zu kommen.

1

v. Düben erinnert passend an den »norna-greytur« (Nornen-Brei), welchen die Frauen auf den Faröern als erste Speise nach ihrer Entbindung essen. Vgl. Antikvarisk Tidsskrift, 1849–51, S. 308.

Quelle:
Poestion, J. C.: Lappländische Märchen, Volkssagen, Räthsel und Sprichwörter. Wien: Verlag von Carl Gerolds Sohn, 1886, S. 24-38.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon