Attika [2]

[68] Attika, eine der acht Landschaften von Mittelgriechenland (s. die Karten »Alt-Griechenland« und »Umgebung von Athen«), grenzte im N. an Böotien, im W. an Megaris, im S. an den Saronischen Meerbusen, im O. an das Ägäische Meer und umfaßte einen Flächeninhalt von nahezu 2200 qkm. Die Zahl der Einwohner betrug in der blühendsten Zeit, zu Beginn des Peloponnesischen Krieges, ca. 250,000 und war beim Ende desselben auf 130,000 gesunken. Das Land bildet eine nach S. in das Meer hinauslaufende Halbinsel, die mit weit ausgedehntem Küstengestade (daher A., »Küstenland«) an das von W. nach O. laufende Gebirge Kithäron (s. d., 1410 m) sich anschließt. Mit diesem hängt, gegen SO. ziehend, das attisch-megarische Grenzgebirge (jetzt Patera, im Altertum wahrscheinlich Ikarion genannt, 1144 m), zusammen; im O. reiht sich der Parnes (s. d., 1412 m) an den Kithäron an. Von ihm aus zieht sich ein felsiger Höhenzug nach SW., der sich der Insel Salamis gegenüber als Ägaleos zu 468 m erhebt (jetzt Skaramanga). Er scheidet die athenische Ebene (Pedion) von der eleusinischen. Südöstlich vom Parnes liegt der Brilettos (auch Pentelikon [s. d.] genannt, 1108 m), der das Pedion im NO. abschließt, durch seine unerschöpflichen Marmorbrüche eine Quelle des Glanzes und Reichtums für Athen. Ein 4 km breites Tal trennt den Brilettos von dem durch seinen Honig berühmten Hymettos (jetzt Trelovuni, 1027 m). Abgesondert von diesen Hügelreihen erheben sich nordöstlich vor Athen frei aus der Ebene zwei Berge, der Lykabettos im S. und der Anchesmos. Die Südspitze von A. endlich wird gebildet durch das Laurische Gebirge (s. Laurion), das in das Vorgebirge Sunion (jetzt Kap Kolonnäs) ausläuft. Besonders gegen W. dreiten sich mehrere Ebenen aus: das schon genannte Pedion, die getreide- und ölreiche Ebene zwischen dem Hymettos und Korydallos, in der Athen liegt, vom Kephisos und Ilissos spärlich bewässert, und eine zweite im NW. zwischen dem Parnes und dem Ikarion, das Gefilde von Eleusis oder die Thriasische Ebene, ebenso kornreich und wohlangebaut, wie die erste, und bewässert durch den eleusinischen Kephisos (jetzt Sarantaporos), der auf dem Kithäron entspringt. Beide Ebenen bildeten die Pedias oder Akte (Küstenstrich), der man die Paralia oder die Südküste und die Diakria im bergigen Norden des Landes mit der Ebene von Marathon entgegensetzte.

Attikas Boden besteht zumeist aus kristallinischen Schiefern und Marmorarten und ist leicht, etwas dürr und steinig. Dazu kommt Wassermangel, um das Land für den Ackerbau ziemlich ungeeignet zu machen. Der Hymettos und das Pentelikon lieferten den trefflichen Marmor, auch Serpentin; beim Vorgebirge Kolias, unweit Phaleron, grub man die feinste Töpfererde. Ein zu architektonischem Gebrauch vorzüglich geeigneter Kalkstein von blauer Farbe brach bei Eleusis; den größten Schatz aber barg das Lauriongebirge in seinen Silber- und Bleigruben, deren alte Schlacken gegenwärtig mit Gewinn von neuem verschmolzen werden. Die Bewohner Attikas zeichneten sich durch schlankere Gestalt, feinere Sinne und größere Beweglichkeit vor andern Stämmen Griechenlands aus. Die Bodenkultur ward mit größter Sorgfalt und Kunst gepflegt; doch konnte das kleine Land die unverhältnismäßig starke Bevölkerung (etwa 90 Menschen auf 1 qkm) nur mit Beihilfe einer Einfuhr von fast 1 Mill. Medimnen (zu 51,5 Lit.) ernähren. Von besonderer Vortrefflichkeit waren namentlich die Oliven und Feigen. Der attische Wein war nicht besonders geschätzt, desto köstlicher der Honig von Hymettos. Das Tierreich lieferte besonders Wolle und Käse. Die Zucht von Ziegen und Schafen war im Bergland bedeutend; Pferde wurden in A. wenig, Esel und Maultiere in großer Anzahl gehalten. Reichen Gewinn gewährte die Fischerei entlang der buchtigen Küste des Landes. Unter dem Geflügel werden Rebhühner und Frankoline gerühmt. Die tiefen Buchten und Ankerplätze weckten frühzeitig die Bewohner Attikas und der nahen Inseln zur Schiffahrt und Handel; der Hafen des Piräeus, der Athens Handelsschiffe wie seine starke Seemacht barg, war einer der belebtesten Seeplätze der Alten Welt. Auch die Industrie Attikas war ansehnlich, namentlich in Wollenstoffen, kunstreich bemalten Tongefäßen und Metallwaren.

Das alte A. zerfiel in Demen, d. h. Gemeinden. Ihre Zahl war wechselnd und betrug in römischer Zeit 174; von etwa 160 sind uns die Namen erhalten. Meist entsprachen den Demen zusammengebaute Dorfschaften, doch nicht immer, da einzelne Demen im Gebirge über große Räume sich ausbreiteten (vgl. Athen, Geschichte). Mehrere Demen, die nicht durchweg räumlich zusammenlagen, bildeten eine Phyle (Stamm), deren es anfänglich 4, seit Kleisthenes (um 510) bis 307 v. Chr. 10, später 12, zuletzt 13 gab. Die ältern 10 Phylen sind: Erechtheis, Ägeis, Pandionis, Leontis, Akamantis, Öneis, Kekropis, Hippothoontis, Äantis und Antiochis. Zu diesen kamen später die 2 Phylen Antigonis und Demetrias (nachher Ptolemais und Attalis genannt), endlich als 13. Phyle Hadrianis, welche die Inseln Attikas umfaßte. Hauptstadt war Athen. Nennenswerte andre Orte waren: Eleusis, Oropus, Rhamnus, das schlachtenberühmte Marathon, Brauron. Von den Inseln an Attikas Küste sind die bedeutendsten: Salamis, dem Piräeus gegenüber, Belbina (jetzt Hagios Georgios) am Eingang des Saronischen Meerbusens und Helena (jetzt Makronisi) an der Südostküste.

Die ältere Geschichte von A. s. Athen, S. 28 s. Im heutigen Königreich Griechenland bildet A. einen Nomos, zu dem bis vor kurzem auch Böotien gehörte, und der 1896: 313,069 Einw. umfaßte. Vgl. Bursian, Geographie von Griechenland, Bd. 1 (Leipz. 1862); Neumann und Partsch, Physikalische Geographie von Griechenland (Berl. 1885); Lolling, Hellenische Landeskunde (in I. Müllers »Handbuch der klassischen Altertumskunde«, Bd. 3, Nördling. 1889); die von der Association littéraire Parnasse herausgegebene »Description physique d'Attique« (Athen 1884 ff.); Curtius und Kaupert, Karten von A. (aufgenommen von Offizieren des preußischen Generalstabes, 34 Karten, mit Tert von Milchhöfer, Berl. 1881–1900); R. Lepsius, Geologie von A. (das. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 68.
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