Farbpflanzen

[326] Farbpflanzen (hierzu Tafel »Farbpflanzen« mit Text), Gewächse, deren Wurzeln, Holz (s. Farbhölzer), Rinde, Stengel, Blätter, Blüten oder Früchte einen technisch verwertbaren Farbstoff enthalten oder bei geeigneter Behandlung liefern. Die F. gehören sehr verschiedenen Familien an; die meisten und wichtigsten wachsen in heißern Ländern, und nur wenige bei uns. Am zahlreichsten sind Pflanzen, die rote und gelbe Farbstoffe liefern. Diese Farbstoffe sind chemisch von sehr verschiedener Beschaffenheit; manche rote stehen in nächster Beziehung zu violetten und blauen, aber derartige blaue Farbstoffe haben nur geringen praktischen Wert. Technische Bedeutung besitzen jetzt nur das Indigblau, das niemals fertig gebildet in den Pflanzen vorkommt, und der Farbstoff des Blauholzes. Grünen Farbstoff enthalten zwar die dei weitem meisten Pflanzen, aber das so allgemein verbreitete Chlorophyll hat für technische Zwecke wenig Wert; ein andrer grüner Farbstoff wird nur aus gewissen Rhamnus-Arten erhalten, der sich ähnlich wie Indigo als Zersetzungsprodukt eines Pflanzenbestandteils bil det. Endlich liefern mehrere Pflanzen braune Farbstoffe, und die an Gerbsäure reichen Gewächse gehören insofern zu den F., als die Gerbsäure zur Erzeugung schwarzer Farben benutzt wird. Rote Farbstoffe liefern ganz überwiegend Pflanzen aus den Familien der Leguminosen und Rubiazeen und zwar mehrere südamerikanische und westindische Arten der Gattung Caesalpinia, das Pernambukholz, Brasilienholz, St Marthen- und Nicaraguaholz und das Brasilienholz; die ostindische C. Sappan liefert das Sapanholz, der ostindische Pterocarpus santalinus das Sandelholz. Von Rubiazeen gibt Rubia tinctorum den Krapp, die ostindische R. Munjista das Munjeeth und die ostindische Oldenlandia umbellata die Chaywurzel. Die andern rote Farbstoffe liefernden Pflanzen sind von minderer Wichtigkeit: verschiedene Flechten aus den Gattungen Variolaria, Lecanora, Roccella. aus denen Orseille und Lackmus gewonnen werden; die Alkanna (Alcanna tinctoria) aus der Familie der Borraginazeen; die, Färberdistel (Carthamus tinctorius) aus der Familie der Kompositen; die Chika (Bignonia Chica) aus der Familie der Bignoniazeen; das Sorgho (Sorghum vulgare) aus der Familie der Gräser; die Stockmalve (Malva arborea) aus der Familie der Malvazeen; Soranjee (Morinda citrifolia) aus der Familie der Rubiazeen; der Drachenblutbaum (Dracaena Draco) aus der Familie der Liliazeen; Calamus Draco aus der Familie der Palmen. Für die gelben Farbstoffe sind besonders wichtig: die nordamerikanische Quercus tinctoria aus der Familie der Fagazeen, die Quercitronrinde liefert; dann die[326] westindische Chlorophora tinctoria aus der Familie der Morazeen, von der das Gelbholz stammt; Rhus cotinus aus der Familie der Anakardiazeen, die das Fisett- oder Fustikholz liefert; die chinesischen Gelbschoten von Gardenia grandiflora aus der Familie der Rubiazeen und der Wau (Reseda luteola) aus der Familie der Resedazeen. Von geringerer Wichtigkeit sind: mehrere Kreuzdorn-, Rhamnus-Arten aus der Familie der Rhamnazeen; Safran (Crocus sativus) aus der Familie der Iridazeen; Bixa orellana aus der Familie der Bixazeen, die Orlean liefert; Curcuma longa aus der Familie der Zingiberazeen und verschiedene Aloe-Arten aus der Familie der Liliazeen. Die Wandflechte (Parmelia parietina), Berberitze, Ginster, Bockshorn, Scharte, Walnuß, Buchweizen, Spargel u. a. haben gegenwärtig kaum noch irgend welche Bedeutung als F. Den einzigen grünen Farbstoff, der benutzt wird, liefern die chinesischen Rhamnus utilis und R. chlorophorus aus der Familie der Rhamnazeen. Als blaue Farbstoffe kamen namentlich in Betracht der Indigo und das Blauholz von Haematoxylon campechinanum (Leguminosen). Die wichtigsten Indigblau liefernden Pflanzen gehören zur Familie der Leguminosen und zur indischen Gattung Indigofera. Außerdem kommen in Betracht: der in Europa kultivierte Waid (Isatis tinctoria) aus der Familie der Kruziferen; der chinesische Färberknöterich (Polygonum tinctorium) aus der Familie der Polygonazeen; das indische Nerium tinctorium aus der Familie der Apocynazeen und indische Marsdenia- und Asclepias-Arten aus der Familie der Asklepiadazeen. Als braunen, Farbstoff benutzt man das Katechu, das aus der indischen Acacia Catechu, Familie der Leguminosen, stammt, und das Gambir aus der indischen Uncaria Gambir, Familie der Rubiazeen. Von den gerbsäurehaltigen Materialien kommen in Betracht: die Galläpfel und Ackerdoppen, die von Eichenarten stammen, die chinesischen Galläpfel von einer Sumach-Art, Dividivi von der südamerikanischen Caesalpinia coriaria, die Myrobalanen von der indischen Terminalia Chebula aus der Familie der Kombretazeen, der südeuropäische Sumach (Rhus coriaria) aus der Familie der Anakardiazeen. Außerdem werden auch, obwohl seltener, benutzt die Rinde der Roßkastanie, der edlen Kastanie, der Birke und Buche, die Wurzel der weißen Seerose (Nymphaea alba) und das Bablah, die Hülsen verschiedener Acacia-Arten. – Von den F. hatten ursprünglich fast nur die heimischen Bedeutung; sie wurden im großen Maßstab kultiviert, lieferten aber wenig brillante Farben und waren auch nicht sehr ausgiebig. Ihnen gegenüber konnten viele Pflanzen in der Färberei zur Geltung kommen, die man gegenwärtig nicht mehr benutzt. Mit der Ausdehnung des Handels wurden auch unsre wichtigern F. in den Hintergrund gedrängt, da sie mit den aus den tropischen Ländern eingeführten Farbmaterialien in keiner Weise konkurrieren konnten. Die Entwickelung der Chemie lehrte dann allmählich mehrere ausgezeichnete Farbstoffe kennen, die wieder gegen die besten, F. manche Vorteile boten, und als die Teerfarben auftraten, sank die Bedeutung der F. ungemein schnell. Als sogar das Alizarin des Krapps künstlich aus Steinkohlenteer dargestellt worden war, verlor der Krapp seine Bedeutung fast vollständig. Gleichem Schicksal gehen die Indigo liefernden Pflanzen entgegen, da auch das Indigblau künstlich dargestellt wird. Einige der wichtigsten F. sind auf beifolgender Tafel abgebildet und beschrieben. Vgl. Handelspflanzen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 326-327.
Lizenz:
Faksimiles:
326 | 327
Kategorien: