Goslar

[147] Goslar, Kreisstadt im preuß. Regbez. Hildesheim, am Rande des Nordharzes, am Fuß des Rammelsbergs und an der Gose, einem Nebenfluß der Oker, 260 m ü. M., Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Vienenburg-Neuekrug und G.-Grauhof, hat mit seinen zahlreichen Kirch- und Befestigungstürmen von außen ein sehr altertümliches Aussehen. Unter diesen Türmen ist der aus ca. 7 m dicken Mauern und drei übereinanderliegenden Sälen bestehende sogen. Zwinger (von 1510, jetzt Restaurant) besonders bemerkenswert. Die meisten der früher vorhandenen Kirchen und Klöster (Chorherrenstift St. Peter und Augustinerstift St. Georg) sind verschwunden oder dienen andern Zwecken, auch der altehrwürdige, vom Kaiser Heinrich III. erbaute Dom wurde 1820 auf Abbruch verkauft. In der noch vorhandenen kleinen Kapelle werden Überreste der alten Ausschmückung des Doms aufbewahrt, darunter der sogen. Krodoaltar (ein Reliquienschrein aus dem 12. Jahrh.; Abbildung s. Krodo). Unter den gottesdienstlichen Gebäuden (4 evangelische und eine kath. Kirche sowie eine Synagoge) sind noch zu nennen: die spätromanische Benediktiner-Klosterkirche St. Marien oder Neuwerk aus dem Ende des 12. Jahrh., mit Decken- und Wandgemälden aus dem 13. Jahrh., und die Frankenberger Kirche, eine überwölbte Pfeilerbasilika, 1108 eingeweiht und 1880 restauriert, ebenfalls mit alten Wandgemälden. Auf der dem ehemaligen Dom benachbarten Höhe, dem »Kaiserbleek«, steht das Kaiserhaus, ebenfalls von Heinrich III. um 1050 gegründet, das bis zur Mitte des 13. Jahrh. von den Kaisern als Wohnung benutzt wurde, Geburtsstätte Heinrichs IV. ist und 23 Reichsversammlungen gesehen hat. 1867–80 ist das Kaiserhaus restauriert und durch Wislicenus aus Düsseldorf mit großartigen Fresken aus der deutschen Sage und Geschichte geziert worden.

Wappen von Goslar.
Wappen von Goslar.

Die Ulrichskapelle, einst die kaiserliche Hauskapelle, ist eine merkwürdige Doppelkapelle in zierlich romanischem Stil. Vor dem Kaiserhause sind die in Kupfer getriebenen Reiterstandbilder Kaiser Friedrich Barbarossas (von Toberentz) und Kaiser Wilhelms I. (von Schott) sowie zwei Löwen (Nachbildungen des Burglöwen in Braunschweig) aufgestellt. Unter den übrigen Bauwerken sind bemerkenswert: das Rathaus (aus dem 15. Jahrh., mit Überresten eines ältern aus dem 12.), enthält Wandmalereien und interessante Altertümer; die Kaiserworth, ein von sieben Bogen getragenes, mit acht Kaiserstatuen geschmücktes Gebäude (1494 als Gildehaus der Gewandschneider erbaut, jetzt Gasthof); ferner das Bäckergildehaus (1501–51, jetzt Gasthof), das Geburtshaus des Marschalls Moritz von Sachsen, das Breite Tor von 1447, das sogen. Brusttuch, ein 1527 erbautes Haus mit meisterhaft ausgeführten satirischen Holzschnitzbildern (darunter die »Butterhanne«, irrtümlich als Wahrzeichen von G. bekannt), und auf dem Markte das uralte bronzene Brunnenbecken (11. Jahrh.), an das sich seltsame Sagen knüpfen. 1903 ist dem Geheimen Legationsrat v. Dohm ein Denkmal errichtet worden. Die Bevölkerung beträgt (1900) mit der Garnison (ein Bataillon Infanterie Nr. 165) 16,403 Seelen, davon 1264 Katholiken und 65 Juden. Die Haupterwerbsquelle bildet seit alten Zeiten der Bergbau. Die reichen Erzlager des Rammelsbergs, der, 636 m hoch, im S. der Stadt liegt, werden seit 968 bearbeitet, zuerst durch Franken, die sich die Peter-Paulskirche bauten, und nach denen noch heute der obere Teil von G. der Frankenberg heißt. Außer Silber und etwas Gold, werden Kupfer, Blei, Zink, Alaun, Schwefel, Vitriol, vor allem viel Schwefelsäure gewonnen. Außerdem betreibt die Bevölkerung Fabrikation von Chemikalien, Spielkarten, Hüten, Farben, Stärke u. Zigarren, Glasschleiferei, [147] Branntweinbrennerei und Bierbrauerei. Berühmt war ehedem die Goslarer Gose (s. d.), ein ebenso nahrhaftes wie wohlschmeckendes Weizenbier. G. hat ein Gymnasium und Realgymnasium, eine technische Lehranstalt für Bau- und Maschinenwesen, Nervenheilanstalt, Kräuterkuranstalt, zahlreiche milde Stiftungen etc.; ferner ein Amtsgericht, Bergamt, Bergrevier, 2 Oberförstereien und eine Handelskammer. Westlich von der Stadt erheben sich der Georgenberg, ein Villenviertel mit Bismarckdenkmal, und der Steinberg mit Turm und prächtiger Aussicht.

G. soll von König Heinrich I. um 920 durch Zusammenlegung mehrerer Dörfer am Rammelsberg (Bergdorf, Warsleben, Sudburg) gegründet worden sein. Unter Otto d. Gr. wurden die Schätze des Rammelsbergs entdeckt. G. wurde ein Lieblingsaufenthalt der sächsischen und noch mehr der salischen Kaiser. 1039 wurde das Domstift St. Simonis und Judä, das den Titel Capella imperii führte, von der Harzburg nach G. verlegt und dann von Heinrichs III. Gemahlin Agnes das Stift zum Petersberg gegründet. Ein Rangstreit zwischen dem Bischof Hezilo von Hildesheim, in dessen Sprengel G. lag, und dem Abt Widerad von Fulda, als Erzkanzler der Kaiserin, artete 1063 bei der Anwesenheit Kaiser Heinrichs IV. in der Domkirche in offene Fehde aus und veranlaßte ein Blutbad, wobei selbst der Kaiser fliehen mußte. 1180 schlug G. den Angriff Heinrichs des Löwen ab, wurde aber 1206 von der welfischen Partei erobert und geplündert. Der letzte deutsche König, der in G. weilte, war Wilhelm von Holland. Von Rudolf I. wurde G. mit der Reichsvogtei betraut und trat der Hansa bei; von Karl IV. wurde es zur Reichsstadt erhoben. Aus der Mitte des 14. Jahrh. stammen die goslarischen Statuten, ein Gesetzbuch, das von mehreren Städten angenommen wurde (hrsg. von Goschen, Berl. 1840). Der Reformation wendete sich G. schon 1521 zu, 1528 war sie durchgeführt. 1552 büßte die Stadt ihre Bergwerke und Forsten an Herzog Heinrich den jüngern von Braunschweig, ihren »Erbschutzherrn«, ein und wurde im Dreißigjährigen Kriege von den Schweden erobert und gebrandschatzt. 1802 verlor G. die Reichsunmittelbarkeit und fiel an Preußen; 1807 kam es an Westfalen, 1816 an Hannover und 1866 wieder an Preußen. Vgl. Crusius, Geschichte der vormals kaiserlichen freien Reichsstadt G. (Gosl. 1842–43); Mithoff, Kunstdenkmale und Altertümer im Hannoverschen, Bd. 3 (Hannov. 1874); Wolfstieg, Verfassungsgeschichte von G. (Berl. 1885); Erdmann, Die alte Kaiserstadt G. und ihre Umgebung in Geschichte, Sage und Bild (Gosl. 1891); Asche, Die Kaiserpfalz zu G. (das. 1892); Neuburg, Goslars Bergbau bis 1552 (Hannov. 1892); Steinacker, Die Holzbaukunst Goslars (Gosl. 1899); Hölscher, Geschichte der Reformation in G. (Hannover 1902); Behme, Geologischer Führer durch die Umgebung der Stadt G. (3. Aufl., das. 1903); »Urkundenbuch der Stadt G.« (bearbeitet von Bode, bisher 3 Bde., Halle 1893–1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 147-148.
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