Isomorphīe

[62] Isomorphīe (Isomorphismus, aus dem griech. isos, »gleich«, und morphe, »Gestalt«, gebildet), die Erscheinung, daß Körper von ungleicher, aber analoger Zusammensetzung gleiche oder ähnliche Kristallform haben. Isomorphe Körper bilden oft ganze Reihen, innerhalb deren die Kristallform stets im wesentlichen dieselbe, also nicht nur demselben System, sondern auch derselben (holoedrischen oder hemiedrischen) Abteilung desselben angehörig ist und, wenn es Systeme mit ungleichen Achsen sind, nahezu das selbe Verhältnis der Achsen zeigt. Ein Kristall wächst in der Lösung eines isomorphen Körpers ebenso fort wie in einer Lösung seiner eignen Substanz und besteht dann aus zwei stofflich ganz verschiedenen Schichten. Isomorphe Körper besitzen aber auch die Fähigkeit dann, wenn sie sich zusammen in einer Lösung befinden, in beliebigen, nicht konstanten Verhältnissen in denselben Kristall einzutreten (isomorphe Vertretung) und homogene Mischkristalle zu bilden, deren physikalische Eigenschaften Funktionen der chemischen Zusammensetzung, resp. des Mischungsverhältnisses sind. So kristallisieren Kalkspat (CaCO3) und Magnesit (MgCO3), beide der allgemeinen Formel RCO3 sich unterordnend, im hexagonalen System und liefern bei der Spaltung Rhomboeder; für Kalkspat ist der stumpfe Winkel 105°5', für Magnesit 107°20'. Bei magnesiahaltigen Kalkspaten werden aber mit einem wachsenden Gehalt an Magnesium auch die Werte des Rhomboederwinkels größer, und ein als Mittelspezies zwischen Kalkspat und Magnesit aufzufassender Körper, der Bitterspat (Ca,Mg)CO3, spaltet in Rhomboedern von 106°17'. In dieselbe isomorphe Reihe gehören noch Eisenspat (FeCO3, Rhomboederwinkel 107°), Manganspat (MnCO3, Rhomboederwinkel 106°51') und Zinkspat (ZnCO3, Rhomboederwinkel 107°40') sowie die große Anzahl der diese Endglieder verknüpfenden Mittelspezies. Ebenso sind Apatit (Ca5P3O12Cl) und Pyromorphit (Pb5P3O12Cl) isomorph, und zu ihnen gehören auch Mimetesit (Pb5As3O12Cl), Kampylit (Pb5(As1P)3O12Cl), Hedyphan ((Pb, Ca)5(As,P)3O12Cl), Endlichit (Pb5,(As,V)3O12Cl), Vanadinit (Pb5V3O12Cl). Weitere Beispiele für I. sind: Witherit (BaCO3), Strontianit (SrCO3), Aragonit (CaCO3) u. Weißbleierz (PbCO3); Schwerspat (BaSO4), Cölestin (SrSO4), Anhydrit (CaSO4) und Bleivitriol (PbSO4). Isomorphe Körper geben oft, indem sie sich mit denselben andern Atomgruppen (oder Molekülen) verbinden, wieder isomorphe Substanzen; soz. B. sind Tonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd isomorph, sie verbinden sich sämtlich mit Eisenoxydul und geben dann die isomorphen Zeilanit, Chromeisen und Magneteisen, die, da Eisenoxydul (wie z. B. auch die Karbonate, Magnesit, Kalk- und Eisenspat u. a. zeigen) sich isomorph mit Magnesia, Kalk und Zinkoxyd vertreten kann, wieder mit dem edlen Spinell, dem Zinkspinell etc. isomorph sind. Keineswegs haben aber die Kristallformen der einfachern Ingredienzien Einfluß auf die der Mischungen; während z. B. Tonerde (Korund), Eisenoxyd (Eisenglanz) etc. rhomboedrisch sind, sind die Spinelle, das Magneteisen etc. regulär holoedrisch. Man nennt nun Elemente, deren entsprechende Verbindungen isomorph sind und isomorph in Mischungen eingehen, selbst isomorph, z. B. Chrom, Eisen, Aluminium, selbst wenn man deren Kristallform gar nicht kennt. In diesem Sinne stellt man die Elemente in folgende Gruppen zusammen: 1) Schwefel, Selen, Mangan, Chrom, die analog zusammengesetzten Verbindungen ihrer Säuren mit derselben Base sind gewöhnlich isomorph; 2) Magnesium, Calcium, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel, Zink, Kadmium, Kupfer, bilden isomorphe Doppelsalze von der allgemeinen Formel MSO4.K2SO4+SH2O; 3) Mangan, Eisen, Chrom, Aluminium, bilden isomorphe Oxyde und Alaune; 4) Calcium, Strontium, Baryum, Blei, deren Kohlensäuresalze isomorph sind; 5) Wolfram, Molybdän, deren Säuren isomorphe Bleisalze bilden; 6) Zinn und Titan, deren Oxyde (Zinnstein, Rutil) isomorph sind: 7) Palladium, Platin, Iridium, Osmium, bilden isomorphe Doppelchloride mit Chlorkalium; 8) Kalium, Ammonium, Rubidium, Cäsium, bilden zahlreiche isomorphe Verbindungen; 9) Natrium, Silber, bilden isomorphe Sulfate, Selenate und Chlorverbindungen; 10) Silber, Gold, Kupfer, Blei; 11) Phosphor, Arsen, Antimon; die analogen Salze der gewöhnlichen Phosphor- und Arsensäure sind isomorph, während Arsen und Antimon isomorphe Oxyde und Schwefelverbindungen bilden; 12) Jod, Brom, Chlor, für manche Fälle auch Fluor und Cyan, zeigen in einfachen Verbindungen I. (vgl. Entropie). – Sehr wichtig ist hierbei der Dimorphismus oder, da es auch trimorphe und polymorphe Körper gibt, besser gesagt der Heteromorphismus,[62] und erst nach Zuziehung dieser Eigenschaft, vermöge welcher ein und derselbe Körper in Kristallform. Härte, Gewicht etc. ganz verschieden auftreten kann, wird es verständlich, wie Körper, die an sich nicht isomorph erscheinen (Magnesia als Periklas regulär, Zinkoxyd hexagonal), sich doch isomorph vertreten können; sie sind, auch wenn man sie nicht in zwei oder mehr Gestalten kennt, doch mit Sicherheit als dimorph (heteromorph) anzunehmen. Körper, die in denselben zwei oder drei verschiedenen Formen kristallisieren, nennt man isodimorph oder isotrimorph (s. Heteromorphie). – In der Kristallographie (und auch Mineralogie) hat die I. eine besondere Wichtigkeit, weil isomorphe Spezies durch die vikarierende Vertretung der in den Grenzspezies verschiedenen Elemente vermittelst einer ununterbrochenen Reihe von Mittelspezies verbunden sind. Dabei zeigt sich, daß, wenn in einer dieser Verbindungen ein Atom (oder eine Atomgruppe) durch ein andres Atom (oder eine andre Atomgruppe) ganz oder teilweise ersetzt (substituiert) wird, auch in der äußern Form der Kristalle, und zumal in den Flächenwinkeln, eine gewisse Änderung entsteht (vorausgesetzt, daß die Verbindungen nicht regulär kristallisieren); man nennt diese Änderung die morphotropische Wirkung und die Erscheinung Morphotropie. Die Änderungen sind abhängig einmal von der chemischen Natur der Verbindung, in der die Substitution vor sich geht, dann von der relativen Stellung des neu eintretenden Atoms zu den andern des Moleküls, von dem Kristallsystem der zu verändernden Verbindung und schließlich von den spezifischen, morphotropischen Eigenschaften des substitutierenden Atoms (oder der Atomgruppe); indessen kann dasselbe Atom (oder dieselbe Atomgruppe, dasselbe Radikal), je nach der Größe des zu verändernden Moleküls, bald beträchtliche, bald nur geringe Formänderungen hervorrufen. Sind die Formänderungen nur sehr klein, sind insbes. die Kristalle isosymmetrisch, d. h. gehören sie nach ihren Symmetrieverhältnissen in dasselbe Kristallsystem, so nennt man die Substanzen homöomorph. Sind dagegen die Formänderungen größer, findet sich etwa nur noch in einzelnen Zonen die gleiche Symmetrie, während in andern derartige Verschiedenheiten obwalten, daß sogar das Kristallsystem nicht mehr das gleiche ist (sind also die Kristalle nicht mehr isosymmetrisch, sondern nur noch homöosymmetrisch, d. h. ähnlich symmetrisch), so nennt man die Verbindungen partiell homöomorph. Ist endlich die morphotropische Wirkung derart, daß keine Ähnlichkeit mehr zwischen den Kristallformen der verschiedenen Verbindungen besteht, dann heißen die nur noch chemisch analogen Substanzen allomorph. So sind z. B. die oben genannten rhomboedrischen Karbonate CaCO3, MgCO3, FeCO3, MnCO3 homöomorph und, da sie zugleich homogene Mischkristalle bilden, auch isomorph. Ebenso sind Diaspor (H2Al2O4), Pyrrhosiderit (H2Fe2O4) u. Manganit (H2Mn2O4) bei ganz ähnlicher rhombischer Kristallform und gleicher Spaltbarkeit homöomorph; aber da sie nicht die Fähigkeit besitzen, homogene Mischungen miteinander zu bilden, deren physikalische Eigenschaften denen der Einzelverbindungen entsprechen, sind sie nicht als isomorph (im strengen Sinne des Wortes), sondern eben nur als symmorph (d. h. in Gestalt ähnlich), nach Form und Zusammensetzung entfernter verwandt als isomorphe Verbindungen, zu bezeichnen. Anderseits erfolgt bei dem gänzlichen oder teilweisen Ersatz des Magnesium-Atoms in dem rhombischen Enstatit (s. Augit) durch Calcium oder Mangan eine derartige morphotropische Änderung, daß nur noch in der Prismenzone eine Ähnlichkeit im Habitus, in den Kristallwinkeln und in der Spaltbarkeit bestehen bleibt, im übrigen aber die Verschiedenheiten so groß sind, daß die calciumhaltige Verbindung (Diopsid = (Ca,Mg)SiO3) in das monokline, die manganhaltige Verbindung (Rhodonit = MnSiO3) in das trikline System gestellt werden muß. Die Mineralien Enstatit, Diopsid und Rhodonit sind demnach als partiell homöomorph zu bezeichnen, und man nimmt jetzt nicht mehr an, wie das früher geschah, daß die chemisch analog zusammengesetzten Verbindungen MgSiO3, CaSiO3, MnSiO3 der Isotrimorphie unterworfen, also trimorph und gleichzeitig untereinander isomorph seien. Ebenso spricht man bei den Feldspaten, auch wenn man an der monoklinen Natur des Orthoklases festhält, nicht mehr von einer Isodimorphie der Orthoklas- und Albitsubstanz, sondern sieht sämtliche Feldspate als homöomorphe, bez. partiell homöomorphe Verbindungen an. Zuweilen hat man früher den Begriff der I. auch auf die bloße Ähnlichkeit der Form (Isogonismus) bezogen, ohne alle Rücksicht auf analoge chemische Zusammensetzung, z. B. bei Borax und Augit, bei Kalkspat, Rotgiltigerz und Natronsalpeter.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 62-63.
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