Meißen [1]

[557] Meißen, ehemalige deutsche Markgrafschaft, entstand durch die Zerteilung der großen Sorbenmark an der Mittelelbe nach Markgraf Geros Tod 965 und umfaßte ursprünglich die beiden Gaue Dateminzi und Nisani. Als erster Markgraf von M. erscheint Wigbert, gest. vor 978, diesem folgten Thietmar, gest. 978, Günther bis 982 und Rikdag bis 985. Dann verlieh Kaiser Otto III. die Mark einem treuen Anhänger seines Vaters, dem Sohne Gunthers, Ekkehard[557] I., der schon in Thüringen durch Wahl der Großen die herzogliche Gewalt besaß und 1002 nach der Königskrone strebte, aber wenig Anhang fand und noch in demselben Jahr in Pöhlde erschlagen wurde. Nachdem sein Geschlecht mit seinem Sohn Ekkehard II. 1046 erloschen war, folgten die Markgrafen Wilhelm und Otto aus dem weimarischen Hause bis 1067 und diesen die Brunonen (Braunschweiger) Ekbert I. und Ekbert II. Letzterer wurde, da er als Gegenkönig gegen Heinrich IV. auftrat, geächtet und fand 1088 einen gewaltsamen Tod, die Mark M. aber kam an den Sohn des Markgrafen Dedo von der Ostmark, Heinrich I. von Eilenburg. Als dessen nachgeborner Sohn Heinrich II. 1123 ohne Nachkommen starb, bemächtigte sich sein Vetter, Graf Konrad von Wettin (s. Konrad 7), der Mark und behauptete sich auch mit Unterstützung Herzog Lothars von Sachsen in ihrem Besitz gegen den von Kaiser Heinrich V. belehnten Wiprecht von Groitzsch. Seitdem blieben die Wettiner erbliche Markgrafen von M., die in Verbindung mit dem reichen Familiengut und den übrigen Besitzungen dieses Hauses erhöhte Bedeutung gewann. Es folgten als Markgrafen Otto der Reiche (s. d.) 1156–90, Albrecht der Stolze 1190–95, Dietrich der Bedrängte 1195–1221. Dessen Sohn Heinrich der Erlauchte, 1221–88 (s. Heinrich 43), brachte das Pleißnerland und Thüringen (s. d.) bis zur Wartburg an sein Haus. Seitdem besaßen die wettinischen Markgrafen von M. ein zusammenhängendes Gebiet, das von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz reichte; doch die in diesem Hause besonders häufigen Teitungen erzeugten Zerwürfnisse und schwächten seine Macht. Heinrich trat noch bei Lebzeiten seinem ältesten Sohne, Albrecht (dem Entarteten), Thüringen, dem zweiten, Dietrich, Landsberg, dem jüngsten, Friedrich dem Kleinen (gest. 1316), Dresden ab. Bei Heinrichs Tode 1288 fiel die Mark M. an Dietrichs Sohn Friedrich Tutta von Landsberg, und nach dessen Tode nahmen Albrechts Söhne, Friedrich der Freidige und Diezmann, sie in Besitz. Allein König Adolf von Nassau, dem Albrecht bereits Thüringen verkauft hatte, sah die Mark M. als ein durch Friedrich Tuttas Tod erledigtes Reichslehen an und bemächtigte sich beider Länder mit Gewalt. Auch Adolfs Nachfolger, König Albrecht I., hielt den Anspruch darauf aufrecht; jedoch das glückliche Gefecht bei Lucka (31. März 1307) und des Königs Ermordung retteten den wettinischen Brüdern den Besitz ihrer Erblande, die Friedrich nach dem Tode Diezmanns (1307) und Albrechts des Entarteten (1314) allein beherrschte; nur die Niederlausitz war 1304 an Brandenburg verkauft worden. Friedrichs des Freidigen Sohn, Friedrich der Ernsthafte (1324–47), war der letzte Alleinbesitzer der wettinischen Lande. Ihm folgten seine drei Söhne, Friedrich der Strenge, Balthasar und Wilhelm I., die gemeinschaftlich regierten. Nach Friedrichs Tode jedoch (1381) teilten dessen Söhne Friedrich der Streitbare, Wilhelm II. (gest. 1425) und Georg (gest. 1402) mit ihren beiden Oheimen die Lande 13. Nov. 1382 so, daß jene das Osterland und Landsberg, Wilhelm I. Meißen und Balthasar Thüringen erhielten. Nach Wilhelms I. kinderlosem Tode (1407) wurde M. zwischen der thüringischen und der ofterländischen Linie geteilt. (Für die folgende Zeit s. Thüringen und Sachsen, Geschichte.) Bei der Einteilung des Deutschen Reiches in die zehn Reichskreise wurde M. zum obersächsischen Kreis geschlagen. Vgl. auch die »Geschichtskarten von Deutschland I u. II«.

Das Burggraftum M., zu dem außer einem Teile des Meißener Schlosses die Schlösser Frauenstein, Hartenstein, Rochsburg und eine Menge andrer zerstreuter Besitzungen gehörten, wurde vom Kaiser Heinrich IV. begründet; doch erst um 1143 ist ein Burggraf Hermann bekannt. Um 1200 erwarb Meinher 1. von Hartenstein die Burggrafschaft, und sein Geschlecht blieb in deren Besitz bis zu seinem Erlöschen bei Heinrichs II. Tod 1426. Damals kam die Burggrafschaft, jedoch ohne die markgräflichen Lehen, die Kurfürst Friedrich der Streitbare behielt, an die Reußen zu Plauen, mit denen Kurfürst Moritz 1546 einen Vertrag schloß, infolgedessen, als Heinrich der Jüngere von Plauen 1572 ohne männliche Erben starb, das Burggraftum aufhörte.

Das Bistum M. ward 967 von Kaiser Otto I. gegründet. Die Bischöfe waren Reichsfürsten, hatten ein kleines Territorium und erstritten ihre Exemtion von der Gerichtsbarkeit der Erzbischöfe von Magdeburg und Prag; unter ihnen ist Benno (1066–1106), der Widersacher Heinrichs IV., der bekannteste. Der letzte Bischof, Johann von Haugwitz, mußte die Einführung der Reformation dulden, zog sich aus seiner Residenz Stolpen nach Wurzen zurück und verzichtete 1581 völlig auf das Bistum. Der Administrator des Stiftes wurde fortan stets aus dem kursächsischen Hause gewählt, dem 1666 das Domkapitel ein erbliches Recht an der Administration zusprach, was der Einverleibung in Sachsen gleichkam. Vgl. v. Posern-Klett, Zur Geschichte der Verfassung der Mark M. im 13. Jahrh. (Leipz. 1863); Gersdorf, Urkundenbuch des Hochstifts M. (das. 1864–67, 3 Bde.), Posse, Urkunden der Markgrafen von M. und Landgrafen von Thüringen, 948–1234 (das. 1882–98, 3 Bde.) und Ermisch, Urkunden der Markgrafen von M. etc., 1381–1406 (das. 1899 bis 1902, 2 Bde.), die letztgenannten drei Werke im »Codex diplom. Saxoniae regiae«; Posse, Die Markgrafen von M. und das Haus Wettin bis zu Konrad d. Gr. (Leipz. 1881); Märcker, Das Burggraftum M. (das. 1842); Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hochstifts M. (Dresd. 1884).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 557-558.
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