Kropf [1]

[846] Kropf, 1) eine bei den meisten Landvögeln, bes. aber bei Körner fressenden, vorkommende Erweiterung der Speiseröhre, in welche diese am Halse, oberhalb der Brust übergeht u. die bei Anfüllung hier sichtbar u. fühlbar wird. In ihr wird das genossene Futter in einer schleimigen, von zahlreichen Drüsen ausgesonderten Feuchtigkeit aufgelöst, ehe es von da weiter in den Magen gelangt. Von ihm aus werden von manchen Vögeln ihre Jungen geäzt; bei Tauben, aber auch beim Tauber (wie auch bei andern Vögeln), sondert sich zu dieser Zeit eine milchartige Flüssigkeit im K. ab. Die Kropfgeschwulst des Federviehes entsteht nach dem reichlichen Genuß trockner Körner u. gleichzeitigem vielem Sausen, gibt sich durch übermäßige Anschwellung des K-es, stetes Räuspern u. Schleudern mit dem Schnabel zu erkennen u. wird geheilt, indem man frisches Leinöl gibt od. einige Schnitte mit Branntwein befeuchtetes Brod einsteckt. Nöthigenfalls muß man den K. öffnen u. entleeren; 2) (Struma, Bronchocele), chronische, bleibende Volumszunahme der Schilddrüse am Halse verschiedener Art. Die Vergrößerung kann sich auf die ganze Drüse od. nur einen Lappen od. einen kleinen Abschnitt derselben beziehen u. ihren Grund haben in Cystenbildung (Cystenkropf, Struma cystica, Hydrobronchocele) od. in Kolloidbälgen (Balgkropf), s. Kolloid, od. in Erweiterung der Blutgefäße (Blutkropf, Struma vasculosa). Meist nimmt auch das benachbarte Zellgewebe, nebst den nahe liegenden Halsdrüsen, daran Theil. Sie[846] kann sich zu einer ungeheueren Größe ausdehnen, so daß das Athmen, auch wohl das Schlingen dadurch erschwert, ja durch den Druck auf die Blutgefäße der Rückfluß des Blutes vom Hirn behindert u. das Leben durch Schlagfluß bedroht wird. Selten geht er in Eiterung über. Die Ursache des K-s liegt noch sehr im Dunkeln; die Erfahrung lehrt, daß er bes. in Bergthälern, im Walliserland, in Tyrol, Steyermark, Kärnten, Salzburg, Piemont u.a. endemisch ist. Erwachsene u. Frauenspersonen sind ihm vorzugsweise unterworfen; Cretins (s.d.) haben gewöhnlich auch ungemein große Kröpfe. Daß das gewöhnliche Trinkwasser, das Tragen von Lasten auf dem Kopfe, Anstrengungen beim Athmen u. dgl. Kröpfe erzeugen, ist nicht erwiesen, wenigstens können sie nur mitwirkend sein. Bei einem alten u. großen K. gelingt die Heilung selten, höchstens ist er in seinem Fortgang zu beschränken od. an Umfang zu vermindern. Gegen anfangende Kropfbildung od. zur Verminderung der Geschwulst gilt der geröstete Seeschwamm als Specificum, u. die mehrsten gewöhnlichen Kropfpulver enthalten ihn, u. das Jod, welches innerlich gegeben od. äußerlich als Tinctur od. Salbe angewendet wird, ist selbst ein wesentlicher Bestandtheil des Meerschwamms. Gefährlich ist die Exstirpation der Schilddrüse u. unsicher, hinsichtlich ihres Erfolges, die Anwendung des Haarseils auf der Geschwulst u. die Unterbindung der oberen Schilddrüsenarterie. Bei dem Balgkropf wendet man reizende Einspritzungen (z.B. von Jod) mit Erfolg an. Den Königen von Frankreich, seit Karl Martell, n.And. seit Ludwig dem Heiligen (hier dem heiligen Chrisam beigemessen), u. den Königen von England, seit Eduard dem Bekenner bis zur Thronbesteigung des Hauses Hannover (daher der K. englisch the Kings evil [Königsübel]), wurde die Wundergabe, den K. durch Anrührung heilen zu können, beigemessen. Sie wurde von den französischen Königen mit großer Ceremonie in Anwendung gebracht; die gewöhnliche Formel war: Le Roi te touche, Dieu te guerit, au nom du Père, du Fils et du Saint Esprit. Karl X. wandte diese Heilung noch an. Der K. kommt auch bei Thieren, doch seltner vor; doch ist in Gegenden, wo der Cretinismus heimisch ist, auch der K. bei Pferden u. Hunden nicht ungewöhnlich. Er besteht bei Pferden in einer Anschwellung u. Austreibung der Schilddrüse. Ursache ist unachtsame Behandlung, namentlich langes Stehenlassen im Freien, wenn sie schwitzen, u. Weiden im Herbst nach Sonnenuntergang. Beim Rindvieh ist der K. eine Anschwellung des Kehlkopfs bei mehrern innerlichen Krankheiten od. eine Austreibung der Schilddrüse am Kehlkopf; das gute Aussehen u. häufig auch das Athmen wird durch den K. gestört. Bei Schafen heißt er Fläschel. 3) Auswüchse an den Wurzeln der Kohlpflanzen, des Rettigs u.a., von Maden der Musca radicum; die Pflanzen sterben meist ab.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 846-847.
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