Christenverfolgungen

[424] Christenverfolgungen (die) durch Juden und Heiden waren eine Folge des allen vorher bestehenden Volksreligionen widerstrebenden Geistes der christlichen Lehre. Man zählt deren 10 nach den ägyptischen Plagen, welche Zahl jedoch zu gering ist, werden alle vorübergehenden Ausbrüche der Volkswuth und die verfolgungssüchtigen Maßregeln unduldsamer Magistrate und Kaiser des röm. Reichs darunter begriffen, dagegen aber auf zwei zu beschränken wäre, wollte man nur die über alle Provinzen des röm. Reichs gleichmäßig ausgedehnten zählen. Im 1. Jahrh. erschienen die Christen den Heiden als eine jüdische Sekte, und waren daher neben den boshaften Ränken der Juden auch das Ziel des Hasses und der Verachtung, welche die Heiden gegen die letzten hegten. So suchte Nero 64 durch die Beschuldigung, die Christen wären die Ursache des von ihm veranstalteten Brandes von Rom, die Volkswuth gegen das allgemein verachtete und für eins gehaltene Juden- und Christengeschlecht zu leiten. Daß diese erste Verfolgung, die auch 68 die Apostel Paulus und Petrus betraf, die grausamste war, erhellt aus den dabei angewendeten Martern, indem z.B. in Flachs und Pech gewickelte Christen als Fackeln bei Kampfspielen dienen mußten; doch scheint diese Verfolgung sich nicht über das Gebiet von Rom erstreckt zu haben. Die zweite erfolgte im I. 95 unter Domitian, der, durch den kön. Namen irre geführt, den die Christen Jesu beilegten, nach den Verwandten dieses vermeintlichen Erdenfürsten forschen und besonders in Kleinasien viele Christen umbringen und verjagen ließ. Im 2. Jahrh. bis zur zweiten Hälfte des 3. Jahrh. hatten die Christen weniger von der Obrigkeit, die jedoch von jetzt die Staatsgesetze gegen geschlossene Gesellschaften und geheime Verbrüderungen nicht ohne blutige Auftritte in Anwendung brachte, so zuerst in Kleinasien unter Trajan 105, was auch als dritte Verfolgung betrachtet wird, mehr aber von den Angriffen des Volks zu leiden, das von den heidnischen Priestern, die durch das Christenthum Gewinn und Ansehen zu verlieren fürchteten, und von Andern aus Privathaß wider die Christen aufgereizt wurde. Schändliche Gerüchte, die sich über ihre aus Furcht nächtlich veranstalteten Zusammenkünfte verbreiteten und ihnen unnatürliche Lüste und Verbrechen, welche die Nacht verhüllen müsse, ja selbst Menschenfresserei Schuld gab, beschönigten diese durch kein Gesetz gehinderten Ausbrüche der rohesten Verfolgungswuth. Opfer derselben wurden unter Antoninus Pius 160 in Kleinasien Tausende von Christen, da man sie als die Ursache eines angeblich zur Strafe wegen allgemeinen Abfalls von den Göttern, erfolgten Erdbebens ansah. Ebenso ließ der sonst duldsame Kaiser Marcus Aurelius 177 eine vom Volke angeregte Verfolgung gegen die Gemeinden zu Vienne und Lyon in Frankreich und zu Smyrna in Kleinasien ungestört austoben, da er die Christen als fanatische, nur für eingebildete Scheingüter, nicht aber für bürgerliches Wohl bis zum Tode begeisterte Menschen haßte, was als vierte Verfolgung gezählt wird. Als gegen Ende des 2. Jahrh. die wachsende Zahl der Christen sie zu offenen Angriffen des Heidenthums ermuthigte, waren neue Ausbrüche des seine alten Götter rächenden Volkes seit 192 die Folge davon (fünfte Verfolgung). Unter Septimius Severus wurde das Verbot, daß Niemand weder zur jüdischen noch christlichen Religion übergehen sollte, besonders für die Christen in Afrika verhängnißvoll, und der rohe Maximin ließ 235 vorzüglich die von seinem Vorgänger Alexander Severus begünstigten christlichen Geistlichen hinrichten (sechste Verfolgung). Von der Mitte des 3. Jahrh. an werden zwar die Angriffe des Volks gegen die Christen seltener, ihre Lage aber dadurch nicht besser, da nunmehr der Staat aus politischen Gründen ihren Untergang beschloß. Zwar gewährte die röm. Politik allen Religionen und Culten Duldung, die ein nationales Herkommen für sich hatten und das Wohl des Reiches nicht gefährdeten; da aber den Christen als Abtrünnige der Juden das Erstere nicht zu Gute kam und ihre Hingebung und Demuth, ihre Milde und Frömmigkeit den bürgerlichen Heroismus schwächte, der vorzüglich jetzt dem durch die Ein. fälle germ. Völker bedrängten röm. Reiche Schutz und Rettung bringen sollte, so verordnete zuerst Decius 250 eine allgemeine, glücklicherweise durch seinen Tod 251 unterbrochene (siebente) Christenverfolgung, die um so gefährlicher war, je mehr genossene Ruhe die Christen der harten Prüfungen entwöhnt und für die Freuden und Genüsse des Lebens empfänglich gemacht hatte. Valerian veranstaltete die achte Verfolgung, indem er 257 die christlichen Gemeinden durch die Verbannung und Hinrichtung ihrer Geistlichen und Bischöfe aufzulösen suchte, und die Ausführung der Befehle, die Aurelian 274 gegen die Christen gab (neunte Verfolgung), hinderte nur sein gewaltsamer Tod. Auf Anstiften seines Mitregenten Galerius verordnete endlich Diocletian 303 die zehnte und letzte allgemeine Verfolgung, die jedoch in den gallischen und brit. Provinzen, wo der tolerante Vater Konstantin's des Großen herrschte, beiweitem nicht so heftig war als im Orient, wo man alle Kirchen zerstörte und kein Mittel scheute, den Abfall vom Christenthum herbeizuführen. Doch dies sollten die letzten Drangsale der Christen unter röm. Herrschaft sein und nach langen Leiden gelangten sie 312 und 313 unter Konstantin dem Großen zu der erwünschten Ruhe und Religionsfreiheit und sein Übertritt machte endlich das Christenthum zur röm. Staatsreligion. Heftige Christenverfolgungen fanden außerdem noch im 4. und 5. Jahrh. in Persien und unter der Herrschaft der Vandalen in Afrika und in neuerer Zeit in China (s.d.) statt. Allein auch unter sich selbst verfolgten sich die Christen mit einer von den Heiden kaum übertroffenen Blutgier und die mittelalterlichen Glaubenskriege, die Inquisition (s.d.) und fanatische katholische Fürsten lieferten, letztere noch im 19. Jahrh., die traurigsten, den Friede gebietenden Geist der christlichen Lehre schmählich beleidigende Beispiele.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 424.
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