Schill

[77] Schill (Ferdinand von), der kühne Parteigänger gegen das in Deutschland hausende franz. Heer, wurde zu Sothof bei Pleß in Oberschlesien 1773 geboren und trat schon jung in preuß. Militairdienste. Er rückte so langsam vorwärts, daß er 1806 noch Secondelieutenant war. Als solcher machte er die unglückliche Schlacht bei Jena und Auerstädt mit und erhielt eine gefährliche Kopfwunde. Er schleppte sich bis Kolberg in Pommern und wartete hier seine Genesung ab. Darauf begann er allmälig einen kleinen Haufen von Kriegern um sich zu sammeln und mit ihm Streifzüge gegen die Feinde zu unternehmen. Nur mit Mühe und Widerstreben konnte er hierzu die Erlaubniß und schwache Unterstützung des Commandanten von Kolberg erlangen. Als aber seine ersten kühnen Unternehmungen glücklich geriethen und ehrenvoll bekannt wurden, vermehrte sich sein Haufen sehr schnell, denn in Menge trieben sich versprengte preuß. Krieger herum, welche gern eine Gelegenheit zu kriegerischen Thaten benutzten. Als der alte Commandant von Kolberg ihm endlich alle weitern Unternehmungen untersagte, trug S. förmlich um Erlaubniß zur Errichtung eines Freicorps beim Könige von Preußen an und erhielt dieselbe. Nachdem er mit seinem etwa 1000 M. betragenden Heerhaufen, bestehend aus Husaren, reitenden Jägern, leichten Fußsoldaten und einer kleinen Artillerie, einen vergeblichen Versuch gemacht hatte, sich der Insel Wollin in der Odermündung zu bemächtigen und sich dem zur Belagerung von Kolberg heranrückenden franz. Corps zu widersetzen, mußte er sich mit seinen Kriegern in die Maikuhle, ein befestigtes Gehölz bei Kolberg, zurückziehen und sich hier zu halten suchen. S. selbst mußte nach Schwedisch-Pommern abgehen, um neue Hülfsmittel zu erlangen; aber sein Corps vertheidigte die Maikuhle vier Monate lang mit ungemeiner Tapferkeit. Unmittelbar ehe die Nachricht von dem zu Tilsit abgeschlossenen Frieden nach Kolberg kam, mußte das Corps aber die Maikuhle noch räumen. Nach dem Frieden wurde S. zum Major ernannt und aus seinem Heerhaufen ein Leibhusarenregiment gemacht, welches in Berlin Standquartiere erhielt. S. wurde mit begeisterter Bewunderung geehrt und es gab nicht Wenige, welche von seinem Feuereifer eine Wiedererhebung des preuß. Vaterlandes von dem franz. Einfluß hofften. Als Östreich im Apr. 1809 den Krieg an Frankreich erklärte, glaubten Viele, daß jetzt der Augenblick gekommen wäre, wo auch Preußen wieder gegen den allgemeinen Feind aller Deutschen die Waffen erheben müsse. Dies geschah jedoch nicht, weil Preußen noch allzu entkräftet durch die frühern Kriege war, um mit Erfolg auftreten zu können. S. und die ihm Gleichgesinnten mochten hierin nichts als ein Zögern aus Muthlosigkeit erkennen und meinten zum Besten des Vaterlandes durch entscheidende Schritte die Regierung zwingen zu müssen, in den Kampf zu willigen. Eine geheime Partei hatte in den verschiedensten Gegenden des Vaterlandes gegen die Franzosen aufzuwiegeln gesucht, und S. wurde eingeladen, den ersten entscheidenden Schritt zu thun, dem sich dann bald das ganze preuß. Volk unwiderstehlich anschließen würde. Er selbst mochte sich überschätzen, so bescheiden er auch dem Grundzuge seines Charakters nach war; die ihn umgebenden Freunde machten ihn irre. Er gab vor, er wolle mit seinem Regimente Feldmanoeuvers unternehmen, und verließ mit demselben am 28. Apr. Berlin. Auf dem zur Übung bestimmten Platze eröffnete er aber seinen Offizieren seine eigentliche Absicht: zunächst auf eigne Hand den Kampf gegen [77] die Franzosen zu unternehmen; gab sich jedoch den Gemeinen gegenüber allerdings noch den Schein, als ob er im geheimen Einverständnisse mit der preuß. Regierung handelte. Nachdem ihn seine Offiziere ihre begeisterte Zustimmung zu erkennen gegeben hatten, rückte S. weiter gegen die Elbe vor, zog noch herbeiströmende ehemalige Krieger, zum Theil frühere Waffengefährten, an sich, und ging bei Wittenberg über die Elbe. Er streifte bis gegen Halle, als er die zu Boden schlagende Nachricht erhielt, daß Napoleon bereits die Östreicher vollkommen besiegt habe; zugleich mußte er die Bemerkung machen, daß man in Sachsen keineswegs sein Unternehmen begünstigte, noch weniger sich in Waffen erhob und sich ihm anschloß. Ein Aufstand, den Dörnberg in Hessen zu bewirken gesucht hatte, war gescheitert. Dennoch stimmten S.'s Offiziere für Fortsetzung des verwegenen Unternehmens. Er ging allmälig zurück bis in die Altmark; ein holländ. und ein dänisches Corps wurden zu seiner Unterdrückung aufgeboten und S. mußte sich gegen die Küste der Ostsee hinziehen und endlich in Stralsund die letzte Zuflucht suchen. Bei Damgarten mußte er gegen die Mecklenburger kämpfen, welche ihm den Weg verlegt hatten. Nachdem er Stralsund überrumpelt hatte, war er sogleich eifrig bemüht, die verfallenen Festungswerke wiederherzustellen. Durch Aufgebot der schwedisch-pommerschen Landwehr hatte er seinen Heerhaufen bis zu 2000 M. verstärkt. Die Wiedervereinigung mit 500 M., welche in Warnemünde zu Schiffe gegangen waren, kam nicht mehr zu Stande. Am 31. Mai, wenige Tage nach der Einnahme von Stralsund, nahmen seine Gegner die Stadt durch Sturm, wie tapfer die Schill'schen Krieger sich auch vertheidigten. Es wurde von ihnen noch in den Straßen mit der Wuth der Verzweiflung gekämpft. S. fand mit vielen seiner Gefährten den Tod. Er war so durch Wunden entstellt, daß man ihn nur mit Mühe wiedererkannte. Der Leichnam wurde zu Stralsund begraben, nachdem man (auf höhern Befehl) den Kopf abgetrennt und in Weingeist bewahrt hatte. Lange Zeit stand derselbe in einem Museum zu Leyden. Endlich 1837 wurde S.'s Haupt feierlich bestattet. Zu Braunschweig nämlich waren 14 Unteroffiziere und Gemeine vom Schill'schen Corps erschossen worden. Man hat deren Gebeine gesammelt und sie, sowie S.'s Kopf in einem gemeinsamen Monumente beigesetzt. Ungefähr 150 Reiter mit einigen Jägern schlugen sich ins offene Feld durch und erzwangen die Bewilligung eines freien Abzugs nach der preuß. Grenze. Jene 500 früher Eingeschifften segelten auf die Nachricht von dem Ausgange des Kampfes in Stralsund von Rügen nach Swinemünde. Von der preuß. Regierung wurden die zurückgekehrten Offiziere mit Festungsarrest und Cassation bestraft, schlimmer ging es zwölf Offizieren, welche den Franzosen in die Hände gefallen waren. Sie wurden in Wesel erschossen. Viele wurden nach Frankreich geschleppt und dort wie Verbrecher auf die Galeeren geschmiedet, von denen sie erst der Sturz Napoleon's befreite. Lange glaubte das Volk nicht an S.'s Tod, sondern hoffte, daß er nach England entkommen sei und eines Tages zur Befreiung Deutschlands wieder auftreten werde. Vgl. Haken, »Ferdinand von S.« (2 Bde., Lpz. 1824).

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 77-78.
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