Tuilerien

Tuilerien

[492] Tuilerien (die) heißt das im nördl. Theile von Paris am rechten Ufer der Seine liegende Residenzschloß der franz. Könige, dessen Stelle im 14. Jahrh. von Sandgruben, später von einer Ziegelbrennerei eingenommen wurde, und von der letztern schreibt sich die heutige Benennung (tuile, d.h. Ziegel) noch her.

Karl VI. verlegte die Schlächtereien und die Abdeckerei aus der Stadt hierher, und endlich erwarb ein Herr von Neuville den Platz und legte ein Landhaus mit Garten dort an. Dieses kaufte 1518 Franz I. zum Geschenk für die Gräfin von Angoulême, allein erst 1564 ward auf Befehl der Gemahlin Heinrich II., der Katharina von Medici, welcher die Lage gefiel, nach den Entwürfen der Baumeister Philibert de l'Orme und Jean Boullant die Erbauung des Palastes angefangen. Es kam jedoch nur der mittlere, damals mit einer Kuppel gedeckte Pavillon und ein Theil seiner zwei Seitengebäude zu Stande. Die letzten wurden erst unter Heinrich IV. bis zu den sie begrenzenden zwei Pavillons fortgeführt und von 1600–54 die an der Seine entlang zum Louvre führende, 1332 F. lange und 42 F. tiefe Galerie erbaut. Auch wurde unter Ludwig XIV. Regierung die Kuppel des Hauptpavillons in ein vierseitiges Dach umgeändert, um mehr Übereinstimmung in das daran im Äußern allerdings sehr leidende Gebäude zu bringen, an welchem die Vereinigung verschiedener Säulenordnungen einen sehr störenden Eindruck macht. So sind z.B. zwei Stockwerke nach der Seite des Schloßhofs unten im dorischen, oben im ionischen Style verziert und die entgegengesetzte, dem Garten zugewendete Seite ist wieder anders gehalten. Der Schloßhof ist ein längliches Viereck, welches der innern Hauptfronte des Schlosses gegenüber von einem schönen Eisengitter begrenzt wird, vor dessen Mitte der 1806 vom Kaiser Napoleon nach dem des Septimius Severus aufgeführte Triumphbogen prangt. Auf demselben waren die antiken Pferde vom Marcusplatze aus Venedig mit einem Siegeswagen von vergoldetem Blei aufgestellt, die aber 1814 zurückgegeben wurden, sowie 1815 die am Triumphbogen angebrachten Basreliefs mit Darstellungen der Hauptvorfälle des Feldzugs von 1805 entfernt werden mußten. Die erstere Zierde ward 1828 durch eine ähnliche Gruppe von Bosio ersetzt, und für die letzten wurden Darstellungen aus dem franz. Feldzuge in Spanien von 1823 angebracht, welche man aber 1830 wieder beseitigt hat. An den Schloßhof stößt unmittelbar der Carrouselplatz, welcher seinen Namen von einem dort von Ludwig XIV. 1662 gegebenem glänzenden Carrousel hat und jetzt so geräumig ist, daß über 20,000 M. dort Heerschau gehalten werden kann. Zu [492] diesem Umfange ist er erst im laufenden Jahrhundert durch Abtragen vieler Häuser gelangt, welches Napoleon anordnete, weil er eine der an der Seine hin zum Louvre führenden entsprechende zweite Galerie zu erbauen anfing, die aber noch unvollendet ist. Die Erweiterung des Platzes wurde seit 1830 fortgesetzt.

Von der Seine an betrachtet bietet die hier vom Garten aus dargestellte, 1008 F. lange und 48 F. tiefe Hauptfronte der Tuilerien zuerst den mit der Louvregalerie zusammenhängenden Pavillon der Flora (de Flore), wo 1804 Papst Pius VII. residirte. Auf ihn folgen die königl. Gemächer; der Pavillon der Uhr (de l'Horloge) mit dem Marschallsaale, welcher die lebensgroßen Bildnisse der franz. Marschälle enthält und der von Ludwig Philipp angelegten prachtvollen großen Treppe; der Schauspielsaal; das Kapellengebäude und der an die Rivolistraße grenzende Pavillon Marsan. Wie nach dem Hofe, so befindet sich auch nach dem Garten über dem Haupteingange ein Balcon, auf welchem die königl. Familie bei festlichen Gelegenheiten sich zeigt. Der reizende Garten breitet sich westl. zwischen dem Schlosse und dem Eintrachtsplatze (Place de la Concorde) aus und ward auf Ludwig XIV. Befehl von dem berühmten Lentre angelegt, hat sich auch in der Hauptsache in der ursprünglichen Anlage erhalten. Nördl. begrenzt ihn die mit einem eisernen Gitter gegen die Rivolistraße abgesperrte Terrasse der Feuillants, die von einem vor der Revolution von 1789 dort in der Nähe gelegenen Kloster den Namen hat, und südl. befindet sich ebenfalls eine Terrasse, welche mit einem unmittelbar am Schlosse neu angelegten und von einem Gitter und Graben begrenzten Blumengarten der königl. Familie vorbehalten ist. Am Ende dieser beiden, durch die ganze Länge des Gartens sich hinziehenden Terrassen schließen sich zwei querlaufende an, von denen prächtige Treppen halbkreisförmig in den Garten hinabführen. Den innern weiten Raum füllen Rasenplätze, Blumenbeete, Springbrunnen mit Bassins, Kastanien- und Ulmenalleen, engl. Gehölz, zahlreichen Vasen und Bildhauerarbeiten, und mitten durch führt ein breiter Weg, wo in der milden Jahreszeit Doppelreihen prächtiger Orangenbäume aufgestellt sind. Sonntags lustwandelt hier eine bunte Menge und des Abends spielen auf königl. Befehl einige Musikchöre der in Paris stehenden Truppen; an den Wochentagen aber führt jede Stunde beinahe eine andere Art Besucher her, je nachdem Geschäftszeit oder Gewohnheit darauf einwirkt, und Abends erst findet sich ein großer Theil Derjenigen dort ein, welche den Tag über gebunden waren. – Katharina von Medici zog aus den Tuilerien fort, weil ihr gewahrsagt worden war, sie werde in St.-Germain sterben, und dieses Schloß zum Kirchspiel von St.-Germain l'Auxerrois gehörte. Der erste darin residirende König war Ludwig XIII., von Ludwig XIV. aber ward die Residenz nach St.-Germain und dann nach Versailles verlegt. Während der Minderjährigkeit Ludwig XV. wurden die Tuilerien wieder sieben Jahre vom Könige bewohnt, nachher aber 67 Jahre verlassen, bis Ludwig XVI. im J. 1789 am 6. Oct. vom Volke aus Versailles nach Paris geholt wurde und mit der königl. Familie die Tuilerien bezog, wo nicht die geringsten Vorbereitungen dazu hatten gemacht werden können. Am 10. Aug. 1792 wurde der Palast vom Volke erstürmt, die ihn vertheidigenden Schweizer niedergemacht und die königl. [493] Familie rettete sich in die Nationalversammlung. Im Fortgange der Revolution hielten der Convent und das Directorium ihre Sitzungen in den Tuilerien, die Napoleon als Consul und als Kaiser bewohnte und die auch die Residenz Ludwig XVIII., Karl X., und seit 1830 Ludwig Philipp's gewesen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 492-494.
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