England (Kochkunst)

[424] England (Kochkunst). (Kochkunst.) Sie zeichnet sich vor allen andern durch besondere Eigenthümlichkeiten und gewisse feststehende Nationalgerichte aus. Hinsichtlich der Anzahl der Schüsseln und der Mannichfaltigkeit der Speisen begnügen sich die Engländer mit weit wenigern, als manche andere Nationen; dagegen genießen sie aber consistentere, nahrhaftere, derbere Speisen, und fangen bekanntlich schon beim ersten Frühstück mit gekochten Eiern, Schinken etc. an. Einige englische Nationalgerichte, besonders der roast beef und die beef steaks haben im Ausland die irrige Meinung hervorgebracht, als ob die Engländer rohe, blutende Fleischspeisen liebten. Doch thut man ihnen hierin Unrecht; denn nur die bessere Zubereitung, die Kunst, dem Fleische durch schnelle Kohlenhitze einen Ueberzug zu geben, der es saftreich erhält, hat dieses Vorurtheil erzeugt. Uebrigens möchte nicht jeder deutsche, und vor allen kein an die leichten französischen Speisen gewöhnter Magen die englische Hausmannskost vertragen können, indem selbst die meisten Gemüse und Zwischengerichte durch eine größere Quantität Fett einen Grad von Unverdaulichkeit erlangen, dem unsere Constitutionen selten gewachsen sind. Die dicke, feuchte und schwere Luft Englands, der dadurch häufig gewordene Genuß starken Weins, Branntweins[424] und Biers und der ruhige, etwas phlegmatische Charakter der Nation geben die beste Erklärung zur englischen Kochkunst.

L. M.

Wie die englische Küche ihr Eigenthümliches hat, so auch die englischen Mahlzeiten. Wir sprechen nicht von den diplomatischen Diners, Soupers und dergl. und von den Mahlzeiten in den obersten Kreisen der Elite der Gesellschaft; denn diese gleichen sich. was Reichthum, Luxus, Anordnung, Ceremoniel etc. betrifft, so ziemlich überall, und es wird zwischen den Diners von Paris und Wien, London und Petersburg in dieser Hinsicht kein großer Unterschied herrschen. Wir schildern hier nur das häusliche, prunklose Mahl eines Gentlemens, der vermögend, anständig, ein Mann von Geschmack ohne Gourmand zu sein, einige Freunde zur Tafel ladet, die, wie er, was alt herkömmlich ist, ehren und ausüben. Man stelle sich einen runden Tisch vor, auf welchem als erstes Gericht oben ein großer gebratener Schinken mit Bohnen, unten ein großes Rostbeef, in der Mitte Blumenkohl und dazwischen einige Schüsseln mit Brühe stehen. Diese Brühen sind mit Butter oder mit Ingwer und wohlschmeckenden Kräutern angemacht. In einer etwas größern Schüssel befinden sich zwei bis drei gebratene Hühner, die in Butter schwimmen, und ein schlechtgekochtes Ragout. Später wird eine fette Gans, eine Schildkröte, mit kleinen grünen Erbsen, die nicht ganz weich gekocht, sondern nur durch heißes Wasser gezogen sind, aufgetragen. Jeder Gast hat seine Assiette, eine Gabel mit zwei Spitzen, ein säbelförmiges, abgerundetes Messer, das für die Gemüse auch als Löffel dient, aber keine Serviette vor sich. Nach dem zweiten Gange wird das Tischtuch weggenommen und man setzt Obst: Erdbeeren, Melonen, Käse und fünf bis sechs Sorten schweren Weines auf. Erst jetzt kommen Gläser auf den Tisch, vorher trank man aus silbernen oder zinnernen Kannen. Man bringt Gesundheiten aus und macht mit der des Königs oder dem »old England for ever!« den Anfang, dann trinkt man auf die Gesundheit der Damen, die man bei ihren Vornamen[425] nennt. Diese entfernen sich jedoch, sobald die Flaschen aufgesetzt werden. – Hierauf wird Punsch, dann Kasse und Thee mit Butterschnitten aufgetragen. – Zum Beschlusse erhält jeder Gast ein Glas mit lauem Wasser zum Ausspülen des Mundes und Reinigen der Hände. Nach einer solchen Mahlzeit, die in der Regel vier Stunden dauert und wobei es gewöhnlich still, fast nie lärmend hergeht, steht man auf und trennt sich.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 3. [o.O.] 1835, S. 424-426.
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