Bodensee

[129] Bodensee (in röm. Zeit Lacus Brigantinus, später Schwäbisches Meer oder nach der alten Kaiserpfalz Bodman an seinem Nordwestrand Bodmansee genannt, franz. Lac de Constance), großer See zwischen der Schweiz u. Deutschland (s. Karte »Schweiz«), vom Rhein gebildet und gekreuzt. Von SO. nach NW. sich erstreckend, ist er der größte deutsche und nächst dem Genfer See auch der größte Schweizer See, mit 196,5 km Umfang, 69 km größter Länge, 13,5 km größter Breite und bei mittlerm Wasserstand (399 m ü. M.) 539 qkm (9,79 QM.) Flächenraum. Zwischen Konstanz und Meersburg teilt er sich in zwei Arme, in den Untern oder Zeller See (von Konstanz bis Radolfzell, 18 km lang und eigentlich ein besonderer See), mit der Insel Reichenau, und in den Obern oder Überlinger See (auch Bodmersee genannt, 21 km lang), mit der Insel Mainau; Obersee pflegt man auch den ganzen B. mit Ausnahme des Zeller Sees zu nennen. Im SO. liegt auf drei Inseln, durch eine Brücke mit dem Festland verbunden, die Stadt Lindau. Der B. liegt innerhalb der tertiären Formation, die den Nordrand der Alpen begleitet. In der Eiszeit war er vom Rheingletscher erfüllt. Die größte Tiefe ist zwischen Friedrichshafen und Konstanz gefunden worden und beträgt 252 m. Besonders an der Einmündung des Rheins verliert der See durch den Schlamm, den der Fluß mit sich führt, immer mehr an Tiefe und wird das Seebecken ausgefüllt. Noch im 4. Jahrh. reichte der See bis Rheineck, jetzt aber liegt zwischen ihm und diesem Ort eine fast stundenbreite Zone Landes. Außer dem Rhein, der dem B. bei niedrigem Wasserstand in der Sekunde 50, bei Hochwasserstand 2000 cbm Wasser zuführt, münden in den See die Dornbirner und Bregenzer Ach, Argen, Schussen, Urnauer, Seefelder, Gold-, Stein-, Stock- und Radolfzeller Ach etc. Die Wasserzufuhr durch diese Flüsse, bei starken Niederschlägen, ist in der Sekunde auf 1800 cbm berechnet. Der ganze Wasserinhalt des Bodensees wird auf 41,470 Mill. cbm geschätzt. Außer bei Hochwasser und nach Verlauf desselben wird der See auch noch durch nicht sichtliche äußere Ursache zu plötzlichem Steigen und Fallen (bis 2 m), Ruhß genannt, gebracht. Beim Föhn (Südwind), bei Nordwest- und Ostwind wird das Wasser nicht selten zu hohen Wellen aufgewühlt. Die Temperatur des Wassers erleidet weniger Veränderungen als die der umgebenden Luft. Nur in sehr strengen Wintern friert der See von einem zum andern Ufer zu (seit 895 nur 30mal), zuletzt 1880, und gewährt dann eine Passage auf fester Eisdecke. Reich ist der B. an Fischen (nach Hartmann 26 Arten), darunter große Welse, die Seeforelle (Salmo lacustris), Rotforelle (Salmo salvelinus), die Treische (Lota vulgaris), der Aal, der Felchen (Coregonus), dessen Fleisch als Blaufelchen sehr geschätzt, als Gangfisch in geräuchertem oder mariniertem Zustande versendet wird.

Der Verkehr auf dem B., an dem acht Eisenbahnlinien münden, und der von einer Gürtelbahn umgeben ist, ist lebhafter als sonst auf einem Binnengewässer des Kontinents. Eine Flotte von 34 Dampfern vermittelt die Verbindung der ansehnlichsten Uferorte und mit Schaffhausen. Zwischen Romanshorn einer- und Lindau-Friedrichshafen anderseits, desgleichen zwischen Bregenz und Rorschach verkehren Trajektanstalten, die ganze Eisenbahnzüge von Ufer zu Ufer bringen. Die Dampfer befördern jährlich mehr als 400,000 Personen und 10 Mill. dz Frachtgüter. Die verkehrsreichsten deutschen Häfen sind Lindau und Friedrichshafen. Die nur stellenweise (gegen NO.) schroff hineinragende Umgebung des Bodensees wird überall von Berg- und Hügelland, an den Mündungen des Rheins, der Schussen und der Stockach sogar von kleinen Tiefebenen gebildet. Obsthaine und Weingärten (Seewein), üppige Getreidefelder und Wiesenfluren und kräftige Waldungen umgürten die [129] Ufer; am südlichen und südöstlichen Horizont türmt sich die Alpenwelt in prachtvoller Szenerie bis zur Schneehöhe auf, im NW. thronen auf felsigen Höhen des Hegaus alte Burgen; reinliche Dörfer, gewerbreiche Städte und zahlreiche schloßartige Landsitze (namentlich auf der Schweizer Seite), Kirchen und Klöster beleben seine Ufer. Außer dem bayrischen Lindau sind die wichtigsten Orte am B.: Bregenz in Vorarlberg, Rorschach im Kanton St. Gallen, Arbon und Romanshorn im Kanton Thurgau, Konstanz, Radolfzell, Überlingen und Meersburg in Baden und Friedrichshafen und Langenargen in Württemberg. Die Ufer des Bodensees bieten auch eine reiche Ausbeute keltischer Pfahlbauten, besonders bei Sipplingen (zwischen Ludwigshafen und Überlingen), bei Immenstaad (zwischen Meersburg und Friedrichshafen) und zwischen Konstanz und Stein. Weniger zahlreich finden sich römische Altertümer, obgleich Konstanz eine römische Kolonie und Bregenz (Brigantium) römisches Kastell war und dem See seinen römischen Namen gab. Vgl. Schnars, Der B. und seine Umgebungen (2. Ausg., Stuttg. 1859); Grünewald, Wanderungen um den B. (Rorschach 1874); Zingeler, Rund um den B. (Würzb. 1879); »Der B. und seine Umgebungen«, Führer (8. Aufl., Lindau 1902); Weismann, Das Tierleben im B. (das. 1877); Klunzinger, Bodenseefische (Stuttg. 1892); Schröter und Kirchner, Die Vegetation des Bodensees (Lindau 1897–1902, 2 Hefte der »Schriften des 1868 gegründeten Vereins für die Geschichte des Bodensees«); Honsell, Der B. und die Tieferlegung seiner Hochwasserstände (Stuttg. 1879); Rettich, Die völker- und staatsrechtlichen Verhältnisse des Bodensees (Tübing. 1885); Graf Zeppelin, Geschichte der Dampfschiffahrt auf dem B. (Lindau 1885); Schlatterer, Die Ansiedelungen am B. in ihren natürlichen Voraussetzungen (Stuttg. 1891); »Bodenseekarte«, 1:50,000 (Kommission der fünf Uferstaaten, Münch. 1896, 2 Blatt).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 129-130.
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