Fiskus

[631] Fiskus (lat.) hieß bei den Römern ein geflochtenes Gefäß, insbes. ein Geldkorb; zur Kaiserzeit bezeichnete man damit das kaiserliche Vermögen (Krongut) im Gegensatz zum Staatsschatz (aerarium publicum), den der Senat verwaltete, zur Staatskasse, aus der die regelmäßigen Staatsausgaben bestritten wurden (patrimonium populi publicum), und zum Patrimonial- oder Privatvermögen des Kaisers (privatum patrimonium, res privata principis). Später bezeichnete F. den Inbegriff der Staatseinkünfte, den Staatsschatz, im Gegensatz zum kaiserlichen Privatvermögen, oder auch das gesamte Staatsvermögen. In den römischen Rechtsquellen wird das Wort F. bald für aerarium, bald für das kaiserliche patrimonium gebraucht. In der Neuzeit, welche die staatsrechtliche Stellung des Fürsten von dessen privatrechtlicher schärfer scheidet, versteht man unter F. den Staat, insofern er als Besitzer von Vermögen eine privatrechtliche Stellung einnimmt, bez. das Staatsvermögen im Gegensatz zum Privatgut der regierenden Familie. Wo die Domänen Staatsgutseigenschaft haben, gehören sie daher zum F., aber auch da, wo sie ein Familienfideikommiß der landesherrlichen Familie sind, spricht man bisweilen vom Domänenfiskus im Gegensatz zum Landesfiskus. Der F. hat juristische Persönlichkeit, ist demgemäß Träger von Rechten und Verbindlichkeiten und stellt als solcher eine einheitliche Persönlichkeit dar. Wenn daher der Sprachgebrauch die verschiedenen Verwaltungsabteilungen (stationes fisci) je besonders als F. (Militär-, Steuer-, Baufiskus etc.) bezeichnet, so handelt es sich in Wahrheit doch nicht um selbständige Rechtssubjekte, sondern immer nur um Verwaltungsabteilungen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch kann daher auch gegen Forderungen der einen Verwaltungsabteilung mit Forderungen an eine andre ausgerechnet werden, allerdings gemäß § 395 nur, wenn die Zahlungen von derselben, bez. an dieselbe Kasse zu leisten sind. Die Vertretung im Zivilprozeß regelt das Landesrecht. Der Sitz dieser Behörde bestimmt auch den allgemeinen Gerichtsstand des F. (Zivilprozeßordnung, § 18). Bezüglich der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und der Zwangsvollstreckung vgl. Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung, § 4 u. 15. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat die juristischen Personen des öffentlichen Rechtes nicht geregelt, es hat nur seine Vorschriften über die Schadenersatzpflichten der juristischen Personen und ihres Vorstandes auch auf jene für anwendbar erklärt (§ 89). Selbstverständlich handelt es sich dabei lediglich um den Schaden, der auf der Basis des bürgerlichen Rechtsverkehrs entstanden ist. Vgl. im übrigen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 77 und 78. Was die Vorrechte anlangt, welche die römischen Kai ser dem F. in großer Reichhaltigkeit zugewendet, und die sich vielfach bis in die neuere Zeit erhalten hatten, so ist deren Zahl heute stark zusammengeschmolzen. Die Befreiung von den Staatssteuern stellt wegen der Wesensgleichheit von Staat und F. kein Privileg dar.[631] Wie es mit den Kommunal-, Kreis-, Provinzialsteuern sich verhält, bestimmt das Landesrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt dem F. ein Recht auf das Vermögen aufgelöster Vereine (§ 45 u. 46, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 85), auf hinterlegte Sachen (§ 233, Einführungsgesetz, Art. 145), auf den Versteigerungserlös gefundener Sachen (§ 981), auf aufgegebene Grundstücke (§ 928, Einführungsgesetz, Art. 129 u. 190). Ferner räumt das Bürgerliche Gesetzbuch dem F. ein Erbrecht nach den Verwandten und dem Ehegatten ein (§ 1936), und für dieses Erbrecht gelten verschiedene Besonderheiten (§ 1942, 1964ff., 2011,2104ff., 2149, Einführungsgesetz, Art. 138 u. 139). Für die Grundstücke des F. besteht auf Grund von § 90 der Grundbuchordnung die Möglichkeit einer landesrechtlichen Vorschrift, wonach dieselben nur auf Antrag ein Grundbuchblatt erhalten. Endlich sind auch noch die landesrechtlichen Vorbehalte im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 91 (gesetzlicher Hypothekentitel), 103 und 104, zu erwähnen. In den Rahmen eines privilegierten Eigentumserwerbs gehört auch § 35 der Strandungsordnung vom 17. Mai 1874. Vgl. auch § 15 des Gesetzes vom 9. Jan. 1876, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste. Auch im Handelsrecht stehen dem F. zwei Sonderrechte zu, insofern als das Deutsche Reich und die Bundesstaaten, wenn sie Handelsgewerbe betreiben, von der Anmeldung ihrer Firma zum Handelsregister und von der Ausstellung kaufmännischer Bilanzen befreit sind (Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1898, § 36 u. 42). Im Konkurs genießt der F. ebenfalls bedeutsame Vorrechte (Konkursordnung in der Fassung vom 17. Mai 1898, § 49 u. 61).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 631-632.
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