Trojanischer Krieg

[739] Trojanischer Krieg, der zwischen Griechen und Kleinasiaten bei Troja nach der gewöhnlichen Annahme von 1193–84 v. Chr. geführte Krieg. Die Sage berichtet über denselben: Als Paris, der zweite Sohn des Königs Priamos von Troja, das Recht der Gastfreundschaft verletzend, des Königs Menelaos von Sparta Gemahlin, die von Aphrodite ihm bestimmte schöne Helena, entführt hatte, verweigerte Priamos der an ihn geschickten Gesandtschaft deren Herausgabe. Darauf ward von den griechischen Fürsten der Rachezug gegen Troja beschlossen. Als die hervorragendsten Helden nahmen an ihm teil: Menelaos und dessen Bruder Agamemnon, Odysseus, Diomedes, Achilleus, Patroklos, Nestor, Aias der Oilier und Aias der Telamonier, Philoktetes und Idomeneus. Sie versammelten sich zu Aulis in Böotien, wählten Agamemnon zum Oberanführer und fuhren nach einigem durch Windstille verursachten Aufenthalt (s. Iphigenie) nach Kleinasien hinüber. Unterdes hatten die Trojaner ihre Stadt befestigt und Mazedonier, Thraker, Assyrer, Äthiopier zu Bundesgenossen gewonnen; ihr vornehmster Held war Hektor, des Priamos ältester Sohn. Neun Jahre lang währte der Kampf ohne Entscheidung; im 10. brach der Zwist zwischen Agamemnon und Achilleus aus, infolgedessen sich dieser eine Zeitlang vom Kampfe zurückzog und die Griechen wiederholte Niederlagen erlitten. Schon rieten im Lager der Griechen viele zum Rückzug, aber nach Achills Wiedereintritt in den Kampf und dem Fall Hektors kam für Troja doch der Tag des Unterganges. Diomedes und Odysseus entwendeten aus dem Tempel der Athene das ihr geheiligte Bild (Palladium), das Schutzheiligtum der Stadt, und nun ließen die Griechen auf des Odysseus Rat ein kolossales hölzernes Pferd erbauen, in dessen hohlem Bauch sich eine auserlesene Schar verbarg. Die übrigen Griechen begaben sich auf ihre Schiffe und fuhren in der Nacht davon. Die Trojaner aber zogen, durch eine List verführt, das Pferd in die Stadt, die Helden stiegen in der Nacht heraus, die Schiffe kehrten zurück, die Stadt wurde angezündet und geplündert, die Bewohner niedergemacht oder als Sklaven fortgeführt. Nur einer kleinen Schar von Trojanern unter der Anführung des Äneas gelang es, sich durch die Flucht zu retten und in Italien eine neue Heimat zu begründen. Viele der heimkehrenden Griechen fanden unterwegs ihren Untergang; andre, namentlich Odysseus, erreichten erst nach mancherlei Irrfahrten ihr Vaterland; noch andre fanden in der Heimat ihre Herrschersitze von andern eingenommen, weshalb entweder sie selbst oder ihre Söhne in fremden Ländern Kolonien gründeten. Dies ist der Inhalt der Sage, wie sie uns in den Homerischen Gedichten, vor allen in der »Iliade«, die aber nur den Zorn des Achilleus und den Tod Hektors besingt, dann nach den Epen der Kykliker in Vergils »Äneide« überliefert ist. Die griechischen Historiker haben den Trojanischen Krieg für wirkliche Geschichte gehalten und ihn als festen Punkt angenommen, an den sie ihre Zeitrechnung anknüpften. Im Gegensatz dazu hat man vielfach angenommen, daß der Krieg nur ein Spiegelbild der Kämpfe ist, welche die Äolier und Achäer um 1050 v. Chr. bei der Kolonisation der kleinasiatischen Küste mit den den Griechen stammverwandten Dardanern am Hellespont zu bestehen hatten. Doch haben die Ausgrabungen Schliemanns gelehrt, daß wirklich in mykenischer Zeit an der Stelle des spätern Ilion ein glänzender Herrschersitz einmal durch Feuer zerstört worden ist; auch daß dies durch peloponnesische Fürsten unter dem König von Mykenä geschehen ist, wird als historisch anzunehmen sein. Mit diesem Kern sind im Laufe der Zeit andre Sagenkreise, wie der äolische mit Achilleus, teils mythischen, teils geschichtlichen Ursprungs, teils rein dichterische Schöpfungen zu dem Ganzen der Dichtung zusammengearbeitet worden. Vgl. E. Rückert, Trojas Ursprung, Blüte, Untergang (Gotha 1846), und die Literatur zu Homeros und zu Troja; ferner A. Schneider, Der troische Sagenkreis in der ältesten griechischen Kunst (Leipz. 1886).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 739.
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