Haag [2]

[813] Haag, 1) Bezirk der niederländischen Provinz Südholland, 4 Cantone, 112,000 Ew. 2) ('s Gravenhaag, franz. La Haye), Hauptstadt darin, königliche Residenz, hat 4 Friedensgerichte, Centralbehörden, Handelsgericht, Finanzhof; ist regelmäßig gebaut, mit Kanälen durchschnitten, hat schöne Plätze, zum Theil mit Ulmen besetzt (het Vorhout, von dem die Straßen der lange u. kleine Vorhout ausgehen); hat mehrere Kirchen, zwei Synagogen, den Hof des Statthalters (ein Viereck, welches den Hof het Binnenhof [Buitenhof] einschließt, in dem die Versammlungen der Generalstaaten, der große Lotteriesaal u. ein Telegraph befindlich), das Staatsgefängniß (de Gevangepoort), das neue königliche Palais, die Paläste der. Prinzen von Oranien u. Friedrich, das Moritzhaus (mit Gemäldesammlung, darunter der Stier von Potter, Rembrandts Anatomie u. dem Cabinet ethnographischer Merkwürdigkeiten), die Bibliothek (mit Medaillensammlung, gegen 34,000 Stück, über 300 Cameen), Schauspielhaus (für französische u. holländische Gesellschaften abwechselnd), das Rathhaus mit Gemälden, die Stückgießerei; Standbilder König Wilhelms I. u. Wilhelms des Schweigsamen; Anatomie, Lateinische Schule, Freischule für 600 Kinder; Wohlthätigkeitsgesellschaft, welche die Armencolonie Frederiksort in Overyssel gründete, die Gesellschaft Diligentia mit Museum, Sammlung physikalischer Instrumente u. Concertsaal, Gesellschaft für Naturgeschichte, Malerei, für Vertheidigung der christlichen Religion (s. Haager Gesellschaft) etc.; Gold-, Silber- u. Hutfabriken, sonst aber wenig Industrie, da die Stadt mehr von dem Hof u. den Fremden lebt; Eisenbahnverbindung mit Rotterdam, Utrecht, Leyden, Harlem u. Amsterdam; 76,572 Ew. (1/3 Katholiken). Dabei der Bosch van Haag, königliches Lustschloß (Haus im Busch oder Oraniensaal), mit Gemäldesammlung, u. andere reizende, in Gehölz u. Anlagen gelegene Dörfer, so Ryswick (s.d.), Loosdungnen, das Seebad Scheveningen (s. d), wohin eine vierfache Ulmenallee führt. – H. war 1097 nur Jagdschloß der Grafen von Holland; 1248 baute der Graf u. Kaiser Wilhelm II. von Holland dort einen Palast. 1291 verlegte Graf Florens V. seine Residenz von Grafensand hierher. 1527 war es Sitz des höchsten Gerichtshofes von Holland u. wurde von den Gelberern, geplündert. Unter Moritz von Nassau wurde es Sitz des Statthalters u. der Gesandten. 1609 wurde hier mit Spanien ein zwölfjähriger Waffenstillstand, 1666 der Bundesvertrag zwischen Dänemark u. den Niederlanden gegen England u. 1568 die Tripelallianz zwischen England, Schweden u. den Niederlanden geschlossen. Unter Wilhelm III. war H. der Mittelpunkt der Diplomatie. Hier 31. März 1710 Haager Concert, Vereinigung des Kaisers, Preußens, Rußlands u. der Seemächte zu einem Bündniß, um die Neutralität Norddeutschlands gegen die Eingriffe Frankreichs zu sichern; am 4. Jan. 1717 Tripleallianz zwischen Frankreich, England u. Holland, um die Erbfolge in Frankreich u. Holland nach den Bestimmungen des Utrechter Friedens zu sichern, u. am 17. Febr. 1717 Frieden zwischen Spanien, Savoyen u. Österreich, worin ersteres die Bestimmungen der Quadrupelallianz anerkannte, u. am 17. Febr. 1720 Accessionsacte zwischen dem deutschen Kaiser Karl VI., König Georg I. von England, Ludwig XIV. von Frankreich, Philipp V. von Spanien u. Victor Amadeus von Savoyen, od. Bekräftigung der Quadrupelalliance vom 2. Aug. 1718 u. 26. Jan. 1720. Bis zum Anfange der Französischen Revolution war H. dem Namen nach nur Dorf u. wurde in alten Geographien als größtes Dorf der Welt aufgeführt. Nach der Revolution von 1795 sank H. bedeutend, da König Ludwig von Holland die Residenz nach Amsterdam verlegte. 1807 wurde H. Hauptstadt des Departements Maasland u. 1810–1814 des Departements Maasmündungen. Die Ernennung des Prinzen von Oranien zum König gab H. den alten Glanz wieder. Am 8. Jan. 1844 Brand des Marinehotels. H. ist Geburtsort von Johns Secundik, Rusch u. Huygens.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 813.
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