Propheten

[627] Propheten (v. gr., eigentlich Männer, welche den Willen eines Andern bekannt machen), 1) bei den Griechen Männer, welche die Aussprüche des Orakels od. begeisterter Wahrsager auslegten; 2) von Gott begeisterte, inspirirte u. getriebene, zugleich mit der Gabe der Weissagung versehene Männer, welche als Lehrer u. Gesandte Jehovas unter den Israeliten auftraten, um denselben den Willen Jehovas kund zu thun; bes. 3) (hebr. Nebiim), die gottbegeisterten Männer, welche seit Samuels Zeit, ohne einen anderen Beruf zu haben, nur als außerordentliche Botschafter Gottes an das Israelitische Volk dasselbe durch das lebendige Wort nach dem Willen Gottes leiten wollten. Samuel, selbst Prophet, setzte der königlichen Gewalt durch die Organisation des Prophetenthums Schranken, die er durch Einrichtung von Prophetenschulen noch mehr befestigte. Indem so das staatsrechtliche Verhältniß des Prophetenthums begründet wurde, blühten jene Institute an verschiedenen Orten des Landes, bes. in Rama, Jericho, Bethel u. Gilgal auf. Die Zöglinge (Prophetenkinder), welche nicht blos junge Leute waren, wohnten oft in großer Anzahl beisammen, erhielten gemeinsam Kost u. Unterricht, welcher sich jedoch blos auf das Mosaische Gesetz u. die theokratische Verfassung, auf Gesang u. Musik beschränkte. Nicht alle P. wurden da gebildet, vielmehr durfte Jeder, welcher Beruf dazu fühlte, als Prophet auftreten, so Amos; in mehren Familien war der Prophetenberuf erblich, jedoch keineswegs auf einen Stamm gewiesen. In allen Prophetenvorträgen herrschte. vor der politischen Ansicht die religiöse Weltansicht vor. Die P. erläuterten u. ergänzten die theokratische Constitution, wo dieselbe dessen zu bedürfen schien, schlossen sich theokratisch gesinnten Königen als Rathgeber an u. leiteten deren Maßregeln im Geiste der Verfassung, wofür sie von diesen Ehrennamen u. Geschenke erhielten. Ebenso suchten die Ältesten des Landes ihren Rath; viele warm Beisitzer des großen Synedriums u. salbten die Könige. Auch bei dem Volke standen sie in hohem Ansehen. So oft die Theokratie durch die am Rituellen hängenden Priester, durch despotische Fürsten, durch Sittenlosigkeit u. Abgötterei des Volks, durch äußere Feinde bedroht schien, traten sie in der Residenz öffentlich auf, rügten die Gebrechen, drohten die Strafgerichte Jehovahs, verhießen bei Gehorsam od. Reue Gnade u. Segen. Daher blieben die P. nicht blos bei der Gegenwart, sondern bei jeder Gelegenheit erhob sich ihr Blick in die näher od. ferner liegende Zukunft. Die Form ihrer Vorträge war einfach u. kunstlos, jedoch nicht ohne Rhythmus u. Schwung der Phantasie, wahrscheinlich bisweilen auch dialogisch. In früherer Zeit verbanden sie mit der Rede Musik. Das Costüm der P. bestand in einem langen groben Mantel mit einem ledernen Gürtel. Durch ihren Eifer zogen sie sich häufig die Verfolgung der Priester, der Könige u. selbst des Volks zu. Ihre Gräber wurden von den spätern Juden aufgesucht u. geehrt Sie waren häufig auch Naturforscher, Ärzte, Geschichtsschreiber der Könige Erst seit 800 v. Chr. wurden ihre Reden auch aufgeschrieben, von ihnen selbst od. von ihren Gehülfen. Von der Zeit Samuels an sind außer diesem selbst als P. merkwürdig: Gad, Nathan, Asaph, Human, Ethan (Jeduthun), David, Salomo, Iddo, Ahia, Semaja, Agur, Asarja, der Sohn Obed, Hanani, Jehu, der Sohn Hanani, Elias der Thisbite, Micha, der Sohn Jemla, Jehasiel, Elieser, Sacharja, Jonas, der Sohn Amithri, Hulda, Uria u. die unten genannten. Von den Zeiten der Babylonischen Gefangenschaft bis Christus nahmen mit dem Nationalinteresse an dem Jehovahcultus u. dem steigenden Druck fremder Gewaltherrschaft über das Jüdische Volk die P. immer mehr ab, u. die Gabe der Weissagung scheint zu verhallen. Es kamen auch falsche P. vor, welche entweder im Namen eines fremden Gottes od. ohne wirklichen Beruf weissagten u. lehrten. Jenen war die Todesstrafe zuerkannt; diese mußten, wenn ihre Orakel nicht eintrafen, ebenfalls sterben. Waren sie Wahnwitzige, so wurde blos Gefängnißstrafe über sie verhängt. Vorzüglich zur Zeit des Königs Ahab u. nach der Babylonischen Gefangenschaft traten solche P. u. selbst Prophetinnen auf, welche das Volk zu Lastern verführten. Von allen P. haben 16, nach dem Umfange ihrer Schriften kleine (12) u. große (4) genannt, schriftliche Werke hinterlassen. In der Bibel sind sie in folgender Ordnung aufgenommen: a) als große P.: Jesaias, Jeremias, Hesekiel (Ezechiel), Daniel; b) als kleine P.: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zephanja, Haggai, Sacharja, Maleachi (s.d. a.). Commentar von Ewald, Stuttg. 1841, 2 Bde.; Knobel, 1852; vgl. Tholuck, Die P. u. ihre Weissagungen, Gotha 1860; 4) in der alten christlichen Kirche von den Aposteln u. Evangelisten unterschiedene Christen, welche von augenblicklicher Begeisterung ergriffen, in der Versammlung extemporirte Vorträge hielten, auch die Orakel des A. T. geschickt deuteten u. selbst Prophetien ertheilten, z.B. Agabus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 627.
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