Abt

[14] Abt, seiner Ableitung aus dem Hebräischen zufolge, gleichbedeutend mit Vater, hieß in der christlichen Kirche ursprünglich jeder bejahrte fromme Einsiedler und Mönch. Erst seit dem 5. Jahrh. wurde der Name Abt ein Ehrentitel des von den Mönchen eines Klosters erwählten Vorstehers desselben, und ist es noch jetzt in der röm.-katholischen Kirche bei den Benediktinern, Cisterciensern, Bernhardinern, Trappisten, Prämonstratensern u.s.w., während ihn die Kamuldulenser Major, die Karthäuser, Hieronymiten, einige Congregationen der regulirten Chorherren, die Dominikaner, Karmeliter, Augustiner, Serviten und Trinitarier Prior, die Franziskaner Guardian und die Jesuiten Rector nennen. Noch ehe die Mönche zum Klerus gerechnet wurden, hatten schon die Äbte die Mitglieder ihres Klosters, die ihnen zum Gehorsam (Obedienz) verpflichtet waren, zu beaufsichtigen, darüber zu wachen, daß die Ordensregel befolgt wurde, und die Klostereinkünfte zu verwalten. Da durch die den Klöstern gemachten Schenkungen das Ansehn derselben sehr bald wuchs und schon seit dem 6. Jahrh. die meisten Äbte Kleriker waren, so erhielten sie bereits im 8. Jahrh. den Rang gleich nach den Bischöfen, zuweilen sogar den Bischofstitel, Sitz und Stimme auf den Kirchenversammlungen, waren zur Ertheilung der niedern Weihen der als Kirchendiener anzustellenden Mönche berechtigt und mit unumschränkter Strafgewalt über ihre Untergebenen versehen, sodaß ihnen die Synode zu Frankfurt 794 das Ausstechen der Augen und andere Verstümmelungen untersagen mußte. Während sie in dieser Zeit sich allmälig von den Bischöfen, denen sie bisher untergeben waren, frei zu machen wußten, war es diesen gelungen, die sonst den Mönchen zustehende Abtswahl an sich zu reißen. Wirkte schon dieses sehr nachtheilig auf die Klosterzucht, so war dies noch mehr der Fall, als seit dem 9. Jahrh. durch die Gunst der Könige sogenannte Laienäbte oder Abtgrafen den Klöstern als Vorsteher gegeben wurden, welche durch Vicarien sich vertreten ließen. Prinzen und Prinzessinnen erhielten Abteien als Tafelgelder angewiesen und führten den Titel Commendaturäbte, weil man die Verleihung als eine Empfehlung des Klosters unter ihren Schutz betrachtete. Selbst Hugo Capet, König von Frankreich, war Abt des Klosters St.-Denis bei Paris. Erst seit dem 10. Jahrh. wurden Laienäbte wieder seltener. Dagegen singen um diese Zeit an die Vorgesetzten der Feldgeistlichkeit sich Feldäbte zu nennen; ja es hießen sogar die Vorsteher lustiger Brüderschaften Narrenäbte. Diejenigen Äbte, welchen der Papst bischöfliche Gerichtsbarkeit und die Erlaubniß, eine Bischofsmütze (Insul) zu tragen, ertheilt, heißen insulirte Äbte, und die, welche ein souveraines Fürstenthum besaßen, Fürstäbte. Im deutschen Reiche gab es deren bis zur Säcularisation der geistlichen Besitzungen im J. 1803 zehn, außerhalb desselben aber nur noch einige in der Schweiz. Säcularäbte nennt man Weltgeistliche, welche eine Abtstelle bekleiden, ohne die Ordensregel zu beobachten, im Gegensatze der Regularäbte aus dem Mönchsstande. Da vor der franz. Revolution die Abteien meist wieder an die jüngern Söhne vornehmer Familien verliehen wurden, so bildete sich aus diesen eine ganz eigne Klasse von Menschen. Sie nahmen die Tonsur, kleideten sich schwarz, wurden Abbés genannt, und waren wegen ihrer geselligen Talente in den vornehmen Gesellschaften wohlgelitten, verschwanden aber sehr schnell, als in Folge der Revolution die geistlichen Benefizien aufgehoben wurden. In Italien führen vorzüglich junge Gelehrte, welche auf eine Abtei hoffen, den Titel Abbate. – Die Äbtissinnen, Vorsteherinnen der Nonnenklöster und weiblicher Stifter, stehen hinsichtlich ihrer Würde und Verpflichtungen mit den Äbten in gleichem Verhältnisse, doch müssen sie die Predigt, Beichte, Absolution u.s.w., obschon sie sich dieses in der frühesten Zeit anmaßten, durch einen Klostergeistlichen besorgen lassen. Gefürstete Äbtissinnen gab es nur im deutschen Reiche, und zwar 15; auch [14] ihre Besitzungen theilten mit denen der Äbte und anderer geistlichen Fürsten 1803 das Loos der Säcularisation. – Obschon die Klostergüter in den Ländern, in welchen die Reformation Eingang für längere Zeit fand, zum größten Theile in Staatsdomainen umgewandelt wurden, so ließ man doch in Hanover, Braunschweig und Würtemberg einige Klöster als Schulen oder Versorgungsanstalten unverheiratheter Frauen im Besitz ihrer Einkünfte, deren protestantische Vorsteher und Vorsteherinnen den Titel Äbte und Äbtissinnen beibehalten haben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 14-15.
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