Bücherzeichen

[536] Bücherzeichen (hierzu Tafel »Bücherzeichen I u. II«), in Holzschnitt, Kupferstich, Stein- oder Farbendruck ausgeführte Blättchen von verschiedener Größe, die seit der Mitte des 15. Jahrh. auf die Einbände der Bücher, zumeist auf die Innenseite, aufgeklebt wurden, um durch ein Monogramm, eine Inschrift, ein Wappen oder eine bildliche Darstellung auf den Besitzer des Buches hinzuweisen. Da solche B. zumeist von Besitzern ganzer Bibliotheken verwendet wurden, bürgerte sich auf ihnen die Inschrift Exlibris (aus den Büchern) vor dem Namen des Eigentümers ein, weshalb die B. auch kurzweg Exlibris genannt werden. Die Anlage großer Büchersammlungen wurde durch die Erfindung der Buchdruckerkunst wesentlich erleichtert, und darum ist auch das B., das die einzelnen Bücher als Bestandteile eines Ganzen kennzeichnen soll, erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. mehr und mehr aufgenommen worden. Seine höchste Blüte erlebte das B. im 16., 17. und 18. Jahrh. durch Maler und Kupferstecher, wie Dürer, Hans Holbein, Lukas Cranach, Virgil Solis, Jost Amman, J. E. Ridinger, D. Chodowiecki, die dem B. ein künstlerisches Gepräge gaben. Die Mitwirkung dieser und andrer Künstler hat in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Kunst- und Kuriositätensammler auf die B. gelenkt, und nach dem Vorgange von Frankreich, England und Amerika haben sich auch in Deutschland Bücherzeichensammler und-Freunde gefunden, die 1891 für ihre Interessen in Berlin einen Exlibris-Verein begründet haben, der auch ein eignes Organ u. d. T. »Exlibris« herausgibt. Nach der in dieser Zeitschrift aufgestellten Definition gibt es zwei Arten von B., Eignerzeichen für diejenigen B., die der Besitzer eines Buches darin einkleben läßt, um sein Eigentumsrecht zu bezeugen, und Geberzeichen für diejenigen B., die entweder der Schenker eines Buches selbst einkleben läßt, oder die von dem Beschenkten zur Erinnerung an den Geber eingeklebt werden. Das Sammeln von B. hat sodann die Folge gehabt, daß das B. auch wieder zu praktischer Bedeutung gelangt ist, indem sich kunstsinnige Besitzer von Bibliotheken B. anfertigen ließen. Bald fanden sich auch hervorragende Künstler, die B. entweder zur Reproduktion durch den Holzschnitt, den Lichtdruck und andre mechanische Verfahren zeichneten oder selbst in Kupfer radierten. In dem dadurch entfachten Wettbewerb sind zahlreiche Werke graphischer Kleinkunst entstanden, in denen sich der Erfindungsreichtum und die Phantasie der modernen Künstler oft sehr eigenartig und anmutig entfaltet haben. Da der Geschmack an B. unmittelbar aus dem Sammeleifer erwachsen und dieser zunächst und zumeist auf die B. des 15. und 16. Jahrh. gerichtet war, so galt es anfänglich als Regel, daß jedes gerechte B. das Wappen und den Namen des Bibliothekbesitzers tragen mußte. Danach wurden die Darstellungen auf den B. auch zumeist[536] heraldischen Regeln unterworfen. Wie aber schon im 17. und namentlich auch im 18. Jahrh. eine freiere Form zum Durchbruch gekommen war und diese auch bei den wenigen künstlerischen B. aus der ersten Hälfte des 19. Jahrh., wie z. B. bei dem von Ludwig Richter gezeichneten für den Altertumsforscher Otto Jahn (Tafel I, Fig. 1), Geltung behalten hatte, so haben sich auch die Künstler, die die moderne Richtung vertreten, von den heraldischen Regeln freigemacht und nur ihre Phantasie, ihr individuelles künstlerisches Gefühl walten lassen. Einen vorwiegend heraldischen Charakter tragen die B. Kaiser Wilhelms II. von Emil Doepler dem jüngern (Tafel I, Fig. 3) und des Archivs des fürstlichen Hauses Leiningen von dem Heraldiker A. M. Hildebrandt (Tafel I, Fig. 6). Eine zweite Gruppe von B. ist sinnbildlichen Inhalts. Es sind entweder allegorische Darstellungen von allgemeiner Bedeutung oder solche, die für den Eigner der B. und für dessen besondere Bücherliebhabereien bezeichnend sind. Beispiele für beide Arten symbolischer Darstellungen geben die B. von Peter Halm (Tafel II, Fig. 8), Otto Hupp (Tafel I, Fig. 5) und Emil Orlik (Tafel II, Fig. 7). Auch in dem B. von Joseph Sattler (Tafel I, Fig. 4) ist noch eine Anspielung auf den Eigner zu erkennen, in dem ganzen Charakter der Zeichnung kommt aber die persönliche Neigung des Künstlers für den derben Holzschnittstil des 15. und 16. Jahrh. zum Ausdruck, und in voller Freiheit äußert sich die Individualität der Künstler in den B. von Otto Eckmann (Tafel II, Fig. 12), Anning Bell (Fig. 11), Jules Chéret (Fig. 9), Max Klinger (Fig. 10) und F. Khnopff (Tafel I, Fig. 2). In neuester Zeit sind auch farbige B., mit der Hand kolorierte oder durch Steindruck hergestellte, beliebt geworden.

Öffentliche Sammlungen von B. finden sich in der Hof- und Staatsbibliothek in München, in der Universitätsbibliothek in Göttingen, in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel, dem Britischen Museum in London, der Nationalbibliothek in Paris (etwa 10,000 Stück), der Bibliothek des Börsenvereins der deutschen Buchhändler in Leipzig und der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums in Berlin. Unter den Privatsammlungen von B. sind die umfangreichsten die von Sir Augustus W. Franks in London (über 30,000 Stück), die des Grafen K. E. zu Leiningen-Westerburg, des verstorbenen Fr. Warnecke in Berlin, (jetzt im Besitz der Witwe), des Staatsrats A. v. Eisenhart in München und des Pfarrers Gerster in Kappelen bei Aarberg im Kanton Bern (besonders schweizerische B., s. unten: Literatur).

Vereine von Bücherzeichensammlern gibt es auch in England (Ex-libris Society, 1891 gegründet), Frankreich (Société Française des Collectionneurs d'Ex-libris in Paris, 1894), Nordamerika (Ex-libris Society in Washington, 1896) und Österreich (in Wien, 1903), z. T. mit eignen Zeitschriften. Vgl. Warnecke, Die deutschen B. von ihrem Ursprung bis zur Gegenwart (Berl. 1890); Bouchot, Les Ex-libris (Par. 1890); A. M. Hildebrandt, Heraldische B. (Berl. 1892–94, neue Folge 1898); Joseph Sattler, Deutsche Kleinkunst in B. (das. 1894); Fr. Warnecke, 100 B. des 15. und 16. Jahrhunderts (das. 1894); Sattler, Ex-libris (das. 1895); v. Heinemann, Die Ex-libris-Sammlung der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel (das. 1895); G. A. Seyler, Illustriertes Handbuch der Ex-librie-Kunde (das. 1895); Burger, Aus der Ex-libris-Sammlung der Bibliothek des Börsenvereins deutscher Buchhändler (Leipz. 1897); Gerster, Die schweizerischen Bibliothekszeichen (Kappelen 1898); Graf zu Leiningen-Westerburg, Deutsche und österreichische Bibliothekzeichen (Stuttg. 1901); Zur Westen, Ex-libris (Bielef. 1901); Hirzel, Ex-libris (Berl. 1902); Wenig, Ex-libris (das. 1902); W. Hamilton, French bookplates (Lond. 1892); Egerton Castle, English bookplates (das. 1893); W. I. Hardy, Book-plates (das. 1893); H. Jardère, Ex-librisana (Par. 1895); Charles Dexter Allen, American book-plates (Lond. 1894); H. Bouchot, L es ex-libris d'Art de la Bibliothèque nationale (Par. 1897); Bertarelli und Prior, Gli Ex-libris italiani (Mail. 1902); »Exlibris«, Zeitschrift für B. etc. (Görlitz 1891ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 536-537.
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